Louise ist ein hübsches Mädchen, sie lächelt, ihre dunklen Augen mustern mich aufmerksam. Auf den ersten Blick meine ich, eine ihrer Schwestern vor mir zu haben. Denn man sieht Louise nicht sofort an, dass sie körperlich und geistig behindert ist.
Die bald Achtjährige kann nur einzelne Wörter sagen, nur mit Unterstützung ihrer Eltern oder Schwestern einige Schritte gehen. Und sie hat grosse Entwicklungsrückstände, die sie nie wird aufholen können. Wie das in Zukunft konkret sein wird, kann niemand sagen. Ihre Mutter Eliane weiss: «Sie wird wohl ein Leben lang Unterstützung brauchen.»
Louise hat einen Gendefekt, der äusserst selten ist. Weltweit sind nur rund 80 Fälle bekannt. Entsprechend lange ist es bis zur Diagnose gegangen. Für die Familie bedeutete dies eine jahrelange Ungewissheit.
Fieberkrämpfe, die Angst machen, auch den Geschwistern
Eliane und Heinz bekommen Louise als drittes Kind. Und zunächst scheint alles normal. Nach etwa einem halben Jahr stellt man motorische Auffälligkeiten fest, geht aber davon aus, dass sich das auswächst. Etwa mit neun Monaten beginnen die Fieberkrämpfe. Für die Eltern ein schockierendes Erlebnis. Nebst dem Fieber sind es epilepsieartige Anfälle, verbunden mit Erbrechen und anschliessender totaler Apathie. Mehrmals muss Louise notfallmässig mit der Ambulanz oder gar der Rega ins Spital.
In den folgenden Monaten und Jahren passiert das immer wieder, die Ursache bleibt ein Rätsel. Ihre Eltern können mit der Zeit besser mit den Fieberkrämpfen und Spitalaufenthalten umgehen. «Es lief immer etwa gleich ab», sagt Vater Heinz. «Deshalb konnten wir unsere Angst etwas ablegen.»
Schlimm bleibt es vor allem auch für Louises Geschwister. Die Anfälle verängstigen sie. Lorine etwa schliesst sich dann weinend in ihrem Zimmer ein. Die Sorge um die kleine Schwester umtreibt sie bis heute. Sie sieht es zum Beispiel nicht gern, wenn Louise mal bei ihrem Gotti übernachtet. Auch sie selber schläft nicht gerne auswärts. Sie will einfach, dass die Familie zusammen ist.
«Die Suche war endlich fertig»
Die Diagnose, dass ein Gendefekt der Grund für Louises Behinderungen ist, hat die Familie erst vor etwa zwei Jahren erhalten. Er bewirkt, dass die Verbindungen im Gehirn sich nicht normal ausbilden. «Zum einen war es gut, endlich zu wissen, womit wir es zu tun haben», sagt Mutter Eliane. «Die Suche war endlich fertig. Doch zugleich ist uns erst richtig bewusst geworden, was das für uns auch in Zukunft bedeutet.»
Der Alltag ist für die ganze Familie eine stete Herausforderung. Louise kann nicht allein sein, kann sich nicht selber beschäftigen. Zur Dauerbetreuung kommen Termine für Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und vor allem auch viele ärztliche Untersuchungen. Die Eltern sind rund um die Uhr gefordert. «Es ist die Summe aller kleinen Dinge, welche die Belastung ausmacht», sagt Eliane. «Nur wer selber betroffen ist, kann das verstehen.»
Zuerst klassische Rollenteilung
Um die Komplexität zu reduzieren, greifen Eliane und Heinz zunächst auf eine klassische Rollenteilung zurück: Heinz arbeitet voll, Eliane ist zuhause. Doch mit der Zeit gelingt es ihnen, dies zu ändern. Heinz reduziert sein Arbeitspensum, auch dank der Flexibilität seines Arbeitgebers, sodass Eliane ihrerseits auch wieder berufstätig sein kann. «Für mich ist es sehr wertvoll, dass beide Elternteile Verantwortung zuhause übernehmen können, was sich positiv auf das gegenseitige Verständnis auswirkt.»
Ein weiterer Fortschritt ist, dass Louise vormittags eine heilpädagogische Schule besuchen kann. Und sehr dankbar sind Eliane und Heinz auch für die Unterstützung aus Familie und Freundeskreis. Leider sind drei von vier Grosseltern inzwischen gestorben.
Louise spielt gerne Versteckis
Doch eigentlich läuft alles viel besser. Etwa seit Louise ihren Rollstuhl hat, auf dem sie erstaunlich keck herumkurvt. Auch Louises Geschwister haben sich gut auf die Situation eingestellt. Die neunjährige Seraina gibt zu, sie habe früher darunter gelitten, dass ihre Eltern viel Zeit für Louise brauchten und sie daher weniger Aufmerksamkeit bekam. «Heute verstehe ich das besser.»
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Beide können es gut mit ihrer kleinen Schwester und spielen gerne mit ihr. «Sie mag Versteckis», schmunzelt Seraina. «Sie versteckt sich mit Lorine zusammen und ich suche die beiden. Sie sind dann oft etwas leicht zu finden, weil Louise lachen muss.» Schwieriger sei es, wenn Louise etwas wolle und dann auch mal handgreiflich werde, sagt Lorine. «Das Unvermögen, sich verbal zu äussern, führt zu Frust und zuweilen aggressivem Verhalten», erklärt ihre Mutter Eliane. «Louise lebt total im Hier und Jetzt.»
Im letzten Sommer muss sich das Mädchen in Luzern einer grossen Hüft-OP unterziehen, mit wochenlanger stationärer Reha in Affoltern ZH. Für die Familie eine zusätzliche grosse Anstrengung, denn entweder Eliane oder Heinz sind immer vor Ort bei Louise.
Neue Notsituation durch einen Unfall
Und im August kommt es zu einem Unfall. Als Eliane bei Louise ist, stürzt Heinz auf einer Wanderung mit den beiden grösseren Töchtern und verletzt sich schwer an der Schulter. Zunächst hofft man, eine Operation vermeiden zu können, dann ist diese trotzdem nötig. Als Lüftungsmonteur fällt Heinz noch für rund ein halbes Jahr aus. Und auch zuhause kann er nur beschränkt helfen, weil er zum Beispiel Louise nicht heben und tragen darf.
«Wir leben seit langer Zeit unter diesen besonderen Umständen», sagt Eliane. Die LZ-Weihnachtsaktion hilft mit einem Beitrag, dass die familienexterne Betreuung etwas aufgestockt werden kann, bis Heinz wieder gesund ist. Der ehemalige Spitzenringer ist eine Kämpfernatur. Und auf ganz andere Weise auch seine Frau Eliane. Sie macht nebst allem eine Ausbildung in heilpädagogischer Früherziehung. So wird sie selber Kindern und Familien in schwierigen Situationen helfen können.








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