Sie ist 42-jährig, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, und sie kann nur wenige Schritte gehen. Sie hat Schmerzen am ganzen Körper und Mühe, klar zu sehen und zu denken. Sie ermüdet so schnell, dass sie ihren Haushalt nicht mehr selber machen, geschweige denn einer Arbeit nachgehen kann.
Vor dem Januar 2022 stand die Luzernerin Stefanie mitten im Leben. Ursprünglich Fotofachfrau, hatte sie sich zur Fachfrau für Kinderbetreuung ausbilden lassen und war nebst der Betreuung ihrer eigenen Kinder in einer Kita tätig. 20 lebhafte Kinder um sie herum? Das war nie ein Problem.
«Zuerst konnte ich das selber nicht ernst nehmen»
Anfang 2022 erkrankte sie an Covid. Hatte die üblichen Symptome: Gliederschmerzen, Kopfweh, Geschmackssinn weg. Was viele hatten. Unangenehm, aber es würde ja so nach zwei Wochen vorbei sein. War es aber nicht.
Es ging einfach weiter. «Das kann doch nicht sein!», dachte sie. Sie, die es liebte, etwa beim Wandern draussen zu sein, konnte plötzlich kaum mehr aus dem Haus. Von aussen sah man ihr nichts an. Nicht nur Menschen um sie herum konnten nicht verstehen, was los war. Sie auch nicht. «Zuerst konnte ich das selber nicht ernst nehmen.»
Auch die Ärzte waren ratlos. Wie viele andere Betroffene erlebte Stefanie, dass man psychische Ursachen vermutete. Als man einen Tumor in einer Nebenniere entdeckte, wirkte es fast erlösend. Endlich eine Diagnose! Doch nach der Operation blieben die Schmerzen – und all die körperlichen und mentalen Einschränkungen.
Vieles ausprobiert, viele bittere Enttäuschungen
Heute, fast vier Jahre später, weiss sie etwas mehr. Offenbar hat sie eine Small-Fiber-Neuropathie. Eine durch Covid ausgelöste Erkrankung, bei der die kleinen Nervenfasern des Körpers geschädigt sind. Sie verursacht ständige brennende Schmerzen, Kribbeln, extreme Druckempfindlichkeit, Wahrnehmungsstörungen, hohe Empfindlichkeit gegen Licht oder Lärm, verminderte Konzentrationsfähigkeit – auch «Brain Fog» («Gehirnnebel») genannt. Und über allem diese lähmende Müdigkeit.

(5. 11. 2025)
Wie viele andere von Long Covid betroffenen Menschen hofft Stefanie auf medizinische Behandlungsmöglichkeiten, die es noch nicht gibt. Oder auf Therapien, die individuell wirken. Vieles hat sie ausprobiert. Das eine oder andere gäbe es noch. «Eins ums andere», sagt sie. Denn jede Behandlung zehrt an den körperlichen und seelischen Kräften. Es geht nicht alles auf einmal. Und jedes Mal, wenn etwas nicht die ersehnte Besserung bringt, muss eine bittere Enttäuschung verkraftet werden. Hoffnung? Es ist schwer, diese nach so langer Zeit ohne Fortschritte aufrechtzuerhalten.
«Ich habe ein schlechtes Gewissen gegenüber den Kindern»
Natürlich gibt sie nicht auf. Sie hat ja zwei Kinder. «Ihnen gegenüber habe ich oft ein schlechtes Gewissen. Weil ich nicht so für sie da sein kann, wie ich es möchte. Weil sie so viel schon selber machen müssen. Immer wieder fragen sie mich, wann ich wieder laufen kann. Dann sage ich ihnen die Wahrheit. Dass ich es nicht weiss.» Stefanie ist froh, dass ihr Umfeld mithilft. Ihr früherer Partner, der Vater der Kinder, betreut diese regelmässig. Auch Verwandte setzen sich ein. Und als sie kurzfristig ins Spital musste, war eine Nachbarin, selber mehrfache Mutter, ohne Aufhebens bereit, die Kinder für diese Zeit zu sich zu nehmen.
Ein Problem für Menschen, die an Long Covid leiden, ist, dass mit dem Abklingen der Pandemie das Interesse nachliess. Und damit auch Anlaufstellen wieder abgebaut wurden. Phasenweise fühlte sich Stefanie medizinisch alleingelassen. «Es fühlte sich oft erniedrigend an, immer wieder um Hilfe bitten zu müssen.» Erst allmählich ist in den Institutionen wie auch in der Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür gestiegen. Das Luzerner Kantonsspital etwa betreut heute doppelt so viele Long-Covid-Fälle wie vor einigen Jahren. Inzwischen mehr als etwa bei multipler Sklerose. Stefanie hofft auch, dass es seitens medizinischer Forschung noch mehr Anstrengungen geben wird.
Denn eines ist klar. Es kann nicht immer so weitergehen. Seit sie 38 ist, ist sie gefangen in dieser Krankheit. «Ich habe mein Leben verloren», sagt sie. So vieles, was ihr Freude gemacht hat, geht nicht mehr. Bewegung, etwa beim Wandern. Tanzen und Singen. Beim Lesen oder Fernsehen sieht sie rasch nur noch verschwommen. Das Gefühl von Schmerzen, Übelkeit und ständiger Erschöpfung setzt ihr zu. «Ich fühle mich wie ein Strommast, der zwar Energie übermittelt, aber selber unbeweglich und leblos ist.»
«Ich möchte auch anderen Betroffenen eine Stimme geben»
Froh ist sie, dass sie nun via Dienststelle Arbeit und Soziales Luzern externe Hilfe im Haushalt erhält. Und ein grosser Lichtblick sei auch die LZ-Weihnachtsaktion. Wie schon letztes Jahr unterstützt diese Stefanie mit einem Beitrag, der den finanziellen Druck etwas nimmt und vor allem auch für Anschaffungen zu Gunsten der Kinder eingesetzt wird. Warum sie den Mut gefunden hat, mit ihrer Krankheit an die Öffentlichkeit zu treten? «Ich möchte eine Stimme sein für all diejenigen, die auch darunter leiden.»
Sie können für die LZ-Weihnachtsaktion direkt spenden via: Postkonto 60-33377-5. IBAN-Nr: CH 89 0900 0000 6003 3377 5 Einzahlung für: Stiftung LZ-Weihnachtsaktion, 6006 Luzern. Oder Online via Spendenformular auf www.luzernerzeitung.ch/spenden.
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