
Dorothee Elmiger ist die Gewinnerin des Schweizer Buchpreises 2025. Ausgezeichnet wurde sie für ihren Roman «Die Holländerinnen» (Hanser Verlag). Eine Überraschung ist der Entscheid nicht. Nachdem sie schon den Deutschen Buchpreis gewonnen hat und neben der Kritik auch ein grosses Lesepublikum entzückt, kam man eigentlich nicht mehr an Elmiger vorbei.
Der Siegerroman ist atmosphärisch dicht erzählt und stellt dringliche Fragen der Zeit, vor allem über unseren Umgang mit Gewalt. Die Jury schwärmt: «Die Holländerinnen» seien ein «sinnlicher und beweglicher Text, der uns in einen Leserausch versetzt».
Ein Roman über Gewalt in allen Schattierungen
Sicher richtig, aber ein bisschen intellektuelle Anstrengung ist schon erforderlich, damit man den Roman bewältigt, denn Elmiger reflektiert gern in ihren Büchern, schweift auch mal ins Philosophische, Historische oder in die Sprachtheorie ab.

In der weiteren Begründung schreibt die Jury, in Elmigers Buch werde die Angst und Desorientierung körperlich erfahrbar – «ein Gefühl, das für unsere Gegenwart steht.» Sie mache «verschiedenen Formen von Gewalt sichtbar», sagt Dorothee Elmiger selbst. Daraus leitet sie verschiedene Fragen ab: «Wie verbindet sich Gewalt auf gesellschaftlicher Ebene mit Gewalt im Kleinen, in der Familie, in der Sprache, und wie wirkt sich das aus.»
Der preisgekrönte Roman schildert eine Expedition in den Dschungel von Panama, bei der man sich Erkenntnisse über die Ermordung von zwei jungen Holländerinnen erhofft. 2014 verschwanden im Regenwald von Panama tatsächlich zwei junge holländische Abenteuertouristinnen. Dieses reale Ereignis greift Elmiger auf.
Eine Reise ins Herz der Finsternis
Sie erzählt von einem gefeierten Regisseur, der nicht auf der Bühne inszenieren will. Er verfolgt mit seiner Truppe die Spuren der beiden Holländerinnen im Dschungeldickicht. Dieses Vorgehen nennt er einen «hypnotischen Realismus», in dem man sich möglichst in die Lage der verschwundenen Frauen hineinversetzt und an den Originalschauplätzen ihre letzte Reise ins Herz der Finsternis rekonstruiert.
Der Theatermacher drängt seine Truppe zu einem Gewaltmarsch, selbst bei Nacht und schwerem Regen. Leicht hätte es zu einem Unglück kommen können. Insofern widerfährt der Truppe Ähnliches wie den verschwundenen Holländerinnen. Dennoch ist es eine Illusion zu glauben, dass man durch eine künstlerische Nachbildung die Wirklichkeit einfangen kann.
Klug reflektiert wird im Roman die Problematik einer Kultur, die sich auf die Aufklärung beruft, aber eher das Spektakel sucht und alles «am eigenen Leib» erfahren möchte. Man kennt keine Grenzen und keine Distanz mehr zu Gewaltereignissen.

Nach Melinda Nadj Abonji und Kim de l’Horizon ist Dorothee Elmiger bereits die dritte Autorin, die im selben Jahr sowohl den Deutschen als auch den Schweizer Buchpreis gewinnt. Zuvor war sie mit drei früheren Büchern schon unter den Nominierten für die wichtigste Schweizer Literaturauszeichnung.
Nominiert waren in diesem Jahr neben ihr noch Jungstar Nelio Biedermann mit «Lázár», Meral Kureyshi mit «Im Meer waren wir nie», Jonas Lüscher mit «Verzauberte Vorbestimmung» und Melara Mvogdobo mit «Grossmütter». Sie erhalten je 3000 Franken, die Siegerin 30000 Franken. Die Preisfeier fand gestern im Theater Basel statt.




Kommentare
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien, die Kommentare werden von uns moderiert.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.