
Die Natur kann ein Skirennen unfair machen. Damit muss man als Athlet rechnen und leben. Angesichts der vielen schweren Stürze in den vergangenen Monaten und der andauernden Diskussionen rund um das Thema Sicherheit stellt sich im Weltcuptross aktuell jedoch eine andere Frage: Ab wann macht das Wetter ein Skirennen gefährlich?
Der Super-G in Beaver Creek war ein Skirennen auf Messers Schneide, eine Gratwanderung in verschiedenster Hinsicht. Zum einen stand es mehrmals am Rande eines Abbruchs. Zum andern erlebte man immer wieder Momente, in denen eine gewisse Angst um die Sicherheit der Fahrer mitschwang, die man auf die Strecke schickte.
Zu Recht, wie die Fahrt von Franjo von Allmen bewies. Der Schweizer Abfahrts-Weltmeister musste mit der Nummer 14 bei den bis dahin schlechtesten Wetterbedingungen auf die Piste. Wind und Nebelschwaden sorgten für einen wahren Blindflug und einen gehörigen Schreckmoment. Von Allmen schlug es die Ski zusammen, der Berner Oberländer geriet aus dem Gleichgewicht und stürzte in die Fangnetze. Ein Sturz, der nicht auf einen waghalsigen Athleten zurückzuführen war, sondern auf die äusseren Umstände. Oder anders ausgedrückt: von Allmen hätte in diesem Moment nicht starten dürfen.
Nach Loïc Meillard hatte die Jury ein Erbarmen
Die Jury reagierte erst nach dem Sturz des Schweizers, unterbrach das Rennen zuerst für eine halbe Stunde und nach weiteren heftigen Windböen mehrmals von neuem, bevor die Verantwortlichen nach Startnummer 31 endgültig den Stecker zogen. Loïc Meillard hatte seine Fahrt zuvor wegen der Bedingungen und wohl auch aufgrund des fehlenden Selbstvertrauens freiwillig abgebrochen.
Immerhin gab es Entwarnung bei Franjo von Allmen: Eine erste ärztliche Einschätzung diagnostizierte zwar starke Prellungen beim Schweizer, aber keine schwerwiegende Knieverletzung. Beat Feuz fasste den Tag treffend zusammen: «Es ist ein Rennen, das zwei Gesichter hat.» Der Experte des Schweizer Fernsehens meinte damit auch, dass die Beteiligten je nach persönlichen Erfahrungen auf der Piste eine unterschiedliche Sichtweise auf dieses Erlebnis hatten.
Im Lager der geschlagenen Schweizer wies man primär auf die Schwierigkeiten unterwegs hin: Marco Odermatt (5.) erklärte seinen entscheidenden Fehler im Starthang damit, dass er bei diesem «Hudelwetter» fälschlicherweise beim vierten Tor die äussere Torflagge anvisierte. Der Abfahrtssieger des Vortags sagte aber auch: «Vinz Kriechmayr würde ich es gönnen, dass das Rennen zählt. Aber das Wetter und die Jury werden entscheiden.»
Selbst Sieger Kriechmayr erkannte Unfairness
Stefan Rogentin (8.) sagte im Ziel, dass man je nach Heftigkeit des Windes das nächste Tor gar nicht mehr sah. «Das war bei mir einige Male der Fall.» Und Alexis Monney (17.), ärgerte sich nach seiner Fahrt, dass es teilweise fünf Zentimeter Neuschnee auf der Ideallinie gehabt habe. «Man hat ja gesehen, dass die Fahrer, die nach dem langen Unterbruch starteten, vom Speed her keine Chance hatten.»
Es gab an diesem unbefriedigenden Skitag viele unglückliche Gesichter unter den Rennfahrern. Aleksander Kilde beispielsweise brach sein Rennen wie Meillard ab, weil er seine eben erst wieder vollständig hergestellte Gesundheit nicht riskieren wollte. Nur einem Athleten war zum Feiern zumute – zumindest teilweise. Denn seine Leistung überstrahlte alles: Österreichs Routinier Vincent Kriechmayr fuhr im Gegensatz zu den allermeisten Konkurrenten selbst im technisch höchst anspruchsvollen Startabschnitt wie auf Schienen. Der 34-Jährige profitierte auch von guten Bedingungen. Seine Zeit blieb unerreichbar. Marco Odermatt startete direkt hinter Kriechmayr und verlor 1.23 Sekunden auf den Teamleader des starken Austria-Teams.
Lediglich der Norweger Fredrik Möller hielt den Rückstand trotz schlechterer Sicht unter einer Sekunde, machte ab der ersten Zwischenzeit sogar Zeit auf Kriechmayr gut. Mit Raphael Haaser schaffte es ein zweiter Österreicher aufs Podest. Kriechmayr sagte nach dem Rennen: «Mit meiner Fahrt bin ich sehr zufrieden. Der Sieg hat ein bisschen einen faden Beigeschmack. Man hat schon gesehen, dass es die Fahrer nach Franjo von Allmens Sturz nicht mehr so fair hatten.»



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