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Fussball

Manchmal sitzt sie da und denkt: «Wow!» – So erlebt Nati-Goalie Livia Peng ihren Start bei Chelsea

Seit dem Sommer spielt Livia Peng beim FC Chelsea – und damit in einer neuen Fussballwelt. Die Torhüterin spricht über ungewohnten Luxus, hohe Erwartungen und ihre Rolle im Nationalteam.
Bei Chelsea ist Nati-Goalie Livia Peng nur die zweite Wahl. Dennoch kam sie bereits zu ihren ersten Einsätzen.
Bild: FC Chelsea

Das Gespräch ist fast schon zu Ende. Livia Peng lehnt sich in ihrem Stuhl etwas zurück. Fährt sich mit der Hand kurz durchs Haar. «Die letzten Monate waren manchmal wie ein Märchen», sagt Peng. «Sie haben mir gezeigt, wie viele Emotionen man haben kann.» Durch das Wohnzimmerfenster scheint die Sonne auf den Stubentisch. «Von wegen englisches Wetter», sagt Peng und lacht in die Kamera ihres Laptops.

Peng: Chelsea hat im Frauenfussball neue Massstäbe gesetzt

England. London. Seit dem Sommer ist die Metropole im Süden der Insel Pengs Heimat. Beim englischen Serienmeister Chelsea hat die Bündnerin einen Vertrag über vier Jahre unterschrieben. Und ist in eine neue Welt eingetaucht. «Manchmal schaue ich mich noch heute in der Kabine um und denke mir: Wow!» Nicht nur ist der Kader der Blues gespickt mit Nationalspielerinnen aus aller Welt. Auch das Rundherum sucht im Frauenfussball seinesgleichen. Zum Staff der Mannschaft gehören etwa fünf Physiotherapeuten, drei Athletiktrainer und gar ein Ernährungsberater.

Die Professionalität, die Livia Peng bei Chelsea erlebt, ist sie sich nicht gewohnt.
Bild: FC Chelsea

Auf dem vereinseigenen Trainingsgelände stehen den Spielerinnen drei Rasenplätze, Kraftraum und eine Sauna zur Verfügung. Peng sagt, Chelsea habe im Frauenfussball neue Massstäbe gesetzt. Als die 23-Jährige in den ersten Tagen nach einer Einheit beim Aufräumen mithelfen will, merkt sie ziemlich schnell, dass dies hier nicht wirklich erwünscht ist. «Wir können uns voll auf den Fussball konzentrieren, alles andere wird für uns gemacht.»

Es ist ein Luxus, den sich Peng nicht gewohnt ist. Sie, die trotz ihres jungen Alters schon einiges gesehen hat in der grossen Fussballwelt. Zuletzt stand sie beim deutschen Bundesligisten Werder Bremen unter Vertrag, hatte grossen Anteil daran, dass die Bremerinnen erstmals überhaupt den Pokalfinal erreichten. Es folgte die Heim-EM. Im Viertelfinale gegen Spanien parierte Peng einen Penalty von Weltfussballerin Alexia Putellas. «Es ist schon sehr viel passiert in den letzten Monaten. Vom einen Abenteuer ging es ins nächste», sagt Peng. «Mental war es nicht immer einfach, alles zu verarbeiten.»

Die beste Torhüterin des Jahres ist ihre Konkurrentin

Leatherhead, ein kleines Städtchen südlich von London. Rund 12'000 Einwohnerinnen und Einwohner. Hier wohnt Peng. Hinter ihr an der Stubenwand hängt ein Bild von Pelé, der brasilianischen Fussballlegende. Daneben Poster von Roger Federer, Michael Jordan und Muhammad Ali. Sie haben die Reise von Bremen nach England mitgemacht. «Das waren oder sind alles extrem starke Persönlichkeiten, von denen ich viel lernen kann», sagt Peng.

Dazu gehört auch der Durchhaltewillen. War Peng bei Werder die klare Nummer 1 und auch neben dem Rasen eine Leaderfigur, ist sie im Weltensemble von Chelsea eine von vielen. Auf der Goalieposition hat Hannah Hampton die Nase vorn – Europameisterin, kürzlich als Weltgoalie des Jahres ausgezeichnet. «Früher ist für mich eine Welt zusammengebrochen, wenn ich nicht spielen durfte», sagt Peng. «Heute kann ich besser damit umgehen. Weil ich gelernt habe, geduldiger zu sein.»

Hannah Hampton ist die klare Nummer 1 bei Chelsea. Im Sommer gewann sie mit England die Europameisterschaf – und hielt unter anderem im Final gegen Spanien im Elfmeterschiessen zwei Penalties.
Bild: Keystone

Es sind Worte, die für den Reifeprozess Pengs sprechen. Und es schwingt auch die Gewissheit mit, dass sich im Fussball oft unverhoffte Chancen ergeben. Wie im Sommer, als Peng quasi in letzter Sekunde zur Nummer 1 an der EM wurde. Oder jetzt: Hampton laboriert derzeit an einer Verletzung am Oberschenkel, sowohl in der Meisterschaft als auch im Champions-League-Kracher gegen Barcelona (1:1) hütete Peng das Chelsea-Tor.

Peng erlebt dabei, dass die Erwartungen in London andere sind als zuvor in Bremen. «Es geht um Titel. Von uns wird erwartet, dass wir die Spiele gewinnen. Das ist schon nochmals ein ganz anderer Druck.» In der Liga sind die Londonerinnen, Meister der letzten fünf Jahre, derzeit auf Rang 2 klassiert, drei Punkte hinter Leader Manchester City.

Peng schwärmt nicht nur von den Einsätzen vor fast 12'000 Fans in der Königsklasse an der Stamford Bridge – dort, wo auch das Männerteam seine Partien bestreitet. Sondern auch vom Niveau in den Trainingseinheiten. «In den ersten Training schwitzte ich nicht, weil es so anstrengend war, sondern weil ich mich derart konzentrieren musste.» Alles ist präziser, schneller. «Plötzlich habe ich für die Ballannahme nicht mehr fünf Sekunden, sondern noch eine halbe. Das ist eine Herausforderung, bringt mich aber extrem weiter.»

Kann Peng ihren Stammplatz in der Nati behalten?

Und doch: Spielpraxis ist essenziell – auch mit dem Nationalteam im Hinterkopf. Spätestens beim Rückrundenauftakt im Januar wird Hampton wieder fit sein – und Peng bei Chelsea ins zweite Glied rücken müssen.

Was bedeutet das für die Rolle in der Landesauswahl, wo Peng erst kurz vor der Heim-EM zur Stammgoalie avancierte und wo mit Rafel Navarro ein neuer Trainer an der Seitenlinie steht? «Ich verstehe diese Frage absolut», sagt Peng. «Aber ich vertraue mir und meinem Weg. Und ich bin überzeugt, dass ich im Verein zu meinen Einsatzminuten kommen werde.»

Auch unter Rafel Navarro scheint Livia Peng im Tor der Nati gesetzt zu sein. Das kann sich aber jederzeit ändern.
Bild: Freshfocus

Aktuell deutet nichts darauf hin, dass Peng ihren Stammplatz in der Nati verliert. Im ersten Spiel unter Navarro gegen Belgien setzte der Katalane auf die Bündnerin. Und auch am Dienstag gegen Wales wird sie wohl zwischen den Pfosten stehen.

Dann folgen fünf Partien innert zwölf Tagen mit Chelsea, darunter die Champions-League-Partien gegen die Roma und Wolfsburg sowie der Cup-Viertelfinal gegen Liverpool. Tage also, um Pengs Märchen 2025 noch um ein paar Kapitel zu erweitern.

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