Wer in der Schweiz ab und zu über den Tellerrand der Super League hinausschaut und letzte Saison einige Challenge-League-Partien mit Beteiligung des FC Thun verfolgt hat, dem sind damals fast die Augen zugefallen. Und ja, für die oder den ist der Titel über diesem Artikel gefühlt immer noch Satire: Fünf Gründe, warum der FC Thun Schweizer Meister wird!
Doch dieser Titel ist völlig ernst gemeint. Weil schon 13 Spieltage und somit mehr als ein Drittel der Saison absolviert sind. Weil der FC Thun mit neun (!) Punkten Vorsprung auf Titelverteidiger Basel die Tabelle anführt. Weil die Berner Oberländer die meisten Tore geschossen und die wenigsten kassiert haben.
Der Faktor Zufall taugt da längst nicht mehr als Begründung für den Höhenflug des besten Aufsteigers der Super-League-Geschichte. Hier folgen mit voller Überzeugung fünf Gründe, warum der FC Thun Meister wird:
Die Statistik sagt «Thun»
Seit 2003 gibt es die Super League, seither wurden 22 Meister gekürt. 13 von ihnen lagen auch am 13. Spieltag der jeweiligen Saison auf Rang 1. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass der FC Thun Ende Saison den Pokal erhält, beträgt also 59 Prozent.
Noch besser sieht es für die Thuner nach der Analyse ihrer neun Punkte Vorsprung aus: Ein solch dickes Polster nach 13 Spieltagen hat bislang jedes Mal zum Titelgewinn gereicht. Gerade mal vier Klubs hatten seit 2003 zu diesem Zeitpunkt der Saison einen noch grösseren Abstand auf Rang 2 - auch sie wurden am Ende alle souverän Meister.
Und noch eine Statistik «pro Thun»: Das Team von Mauro Lustrinelli hat die letzten sechs Spiele gewonnen. Die Klubs mit den zweitlängsten Sieges-Serien kommen gerade mal auf drei Dreier hintereinander.
Meisterliche Wettquote
Umso tiefer die Wettquote, umso mehr trauen die Buchmacher einem Team zu. Und ebendiese Buchmacher sind nicht bekannt dafür, die Tarife voreilig anzupassen. Doch beim Anbieter «Sporttip» beträgt die Quote für einen Meistertitel des FC Thun nur noch 2,6. Kein Team in der Super League hat eine tiefere Quote. Heisst: Wer heute 1 Franken auf einen Thuner Titelgewinn setzt, erhält im Erfolgsfall 2,6 Franken ausbezahlt.
Zu Beginn der Saison war die Quote noch deutlich lukrativer: Wer damals 1 Franken auf Thun gesetzt hat, dem winkt eine Gewinnsumme von 100 Franken. Sofern das Wunder wirklich wahr wird.
Den Mutigen gehört die Welt
Wunder? Diese Bezeichnung des Höhenflugs ringt den Thuner Verantwortlichen ein müdes Lächeln ab. Für Präsident Andres Gerber, Sportchef Dominik Albrecht und Trainer Mauro Lustrinelli ist es vielmehr das logische Resultat ihrer Arbeit. Und diese beinhaltet klare Ansagen: Vor einem Jahr rief man in Thun trotz sportlich schwieriger Phase in der Challenge League nicht nur den Aufstieg zum Ziel aus, sondern auch gleich die schnellstmögliche Etablierung in der oberen Tabellenhälfte der Super League. Hinter vorgehaltener Hand spottete damals die Konkurrenz: «Die sind ja nicht mal aufgestiegen und reden schon vom Europacup...»
Während anderswo während Erfolgsphasen pedantisch auf die Euphoriebremse getreten wird, sind in Thun Träume erlaubt. Auch an oberster Stelle. Präsident Gerber sagt: «Es ist saubere, ehrliche Arbeit. Darum würde ich nicht ausschliessen, dass wir Meister werden. Aber wir sind uns ja völlig bewusst, dass es noch sehr lange dauert und sich schnell wieder ändern kann.» Dieser Mut gehört belohnt.
Stimmung schlägt Qualität
Auch wenn die Marktwerte der Plattform «Transfermarkt» letztlich eine Spielerei sind - in der Tendenz stimmen die Zahlen. Punkto individuelle Qualität sind die Thuner, die auf den zweittiefsten Team-Marktwert der Super League kommen, weit hinten anzusiedeln.
Und so sind die Thuner auch ein wohltuender Hoffnungsschimmer. Dass im monetarisierten Fussball nicht nur Geld Tore schiesst. Sondern dass gute Arbeit auf und neben dem Platz sowie ein Miteinander in der Kabine fussballerische Mängel mehr als nur wettmachen kann.
Wer sonst?
Wenn ein Aufsteiger die Liga anführt, hat das auch mit der Schwäche der Konkurrenz zu tun. Titelverteidiger Basel hat fünf von 13 Ligaspielen verloren. Und macht aktuell nicht den Eindruck, die Bilanz zu verbessern. Viel eher zeigt der Trend abwärts.
Beim anderen anfänglichen Titelfavoriten YB wird es nach der Entlassung von Giorgio Contini und der Rückkehr von Gerardo Seoane bald eine Antwort auf die Frage geben, ob die Gründe für den Stolper-Start beim Trainer oder bei der Kaderplanung zu orten sind. Wohl eine Mischung von beidem.
Und dann noch der Blick auf vermeintliche Geheimfavoriten: Servette? Steht sich selber im Weg. Lugano? Nach dem katastrophalen Saisonstart wieder stabil, aber weit zurückgebunden. St. Gallen? Spektakulär, aber zu viel Harakiri.
Auch die Thuner werden wieder Spiele verlieren. Doch solange die Konkurrenz regelmässig Punkte liegen lässt, ist das auf dem Weg zum ersten Titel der Klubgeschichte verkraftbar.





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