Der Auslöser liegt in Washington: Seit Präsident Donald Trump im August Strafzölle von 39 Prozent auf Schweizer Exportprodukte verhängt hat, kämpft die hiesige Milchbranche mit Überproduktion und Preisverfall. Besonders betroffen sind Exportklassiker wie Gruyère, Emmentaler, Appenzeller und Tilsiter – Käsesorten, die bisher auch in den USA als Premiumprodukte galten.
Die «New York Times» (NYT) hat deshalb den Jurassier Boris Beuret in Corban besucht. Im Dorf ein paar Kilometer östlich von Delémont hält der Swissmilk-Präsident 60 Kühe, deren Milch bisher auch für Schokolade und Käse in die USA geliefert wurde. Inzwischen hat er damit begonnen, Tiere vorzeitig zu schlachten, um die Milchmenge zu senken. «Wenn sich nichts ändert, müssen wir mehr Kühe töten», sagt Beuret zur führenden US-Tageszeitung, nachdem er drei seiner Milchkühe zum Schlachthof bringen musste.
Denn die US-Zölle treffen auf eine ohnehin volle Milchkammer. Ein ungewöhnlich feuchter Frühling liess die Weiden üppig spriessen – die Folge: ein Rekordjahr bei der Milchmenge. Normalerweise würde der Überschuss zu Butter oder Milchpulver verarbeitet. Doch durch den Wegfall des US-Marktes – der bisher 13 Prozent der Schweizer Käseexporte aufnahm – ist das System aus dem Gleichgewicht geraten.
Wegen der Zölle stieg der Preis für Gruyère laut NYT von 15 bis 50 Dollar pro Pfund auf bis zu 70 Dollar, was den Absatz stark bremst. Die Branche hat die Produktion bereits um fünf Prozent gedrosselt, die Branchenorganisation Milch (BO) empfiehlt, den Ausstoss um 50’000 Tonnen zu verringern – das entspricht der Milch von rund 25’000 Kühen.
«Trumps Entscheidung hat das Milchglas zum Überlaufen gebracht», sagt BO-Geschäftsführer Stefan Kohler – von der New Yorker Zeitung zum Direktor befördert. Er werde jetzt zwar nicht Massenschlachtungen geben, doch manche Bauern «dünnen ihre Herden schneller aus als üblich». Und an Trumps Adresse sagt er: «Amerikaner sollten wissen, dass die ganze Welt damit begonnen hat, den Handel ohne die USA zu reorganisieren.»
«In der Schweiz ist die Kuh fast heilig»
Die Regierung in Bern reagiert mit der Suche nach neuen Absatzmärkten: Handelsabkommen mit Lateinamerika, Indien und China sollen helfen, den US-Ausfall zu kompensieren. Doch das dauert. In der Zwischenzeit appellieren Bauern an patriotische Gefühle: Mehr Joghurt, mehr Mozzarella aus Schweizer Milch – und eine «Solidaritätskampagne für unsere Kühe».
Die NYT beschreibt die Krise nicht nur als wirtschaftliche, sondern als kulturelle Zäsur: Ein Jahrhunderte altes Gleichgewicht zwischen Mensch, Kuh und Berg gerate ins Wanken. «In der Schweiz ist die Kuh fast heilig», zitiert sie Beuret. «Wenn man sagt, man müsse mehr schlachten, sendet das Schockwellen durch das Land.»
Ganz verloren ist die Hoffnung nicht. Unter dem Motto «Gruyère – das neue Gold der Schweiz» wirbt die Branche in den USA um Käufer, die sich den Luxus echter Alpenmilch weiterhin leisten wollen.
Und Beuret? Er melkt weiter – vorsichtiger. «Wir tun alles, um so wenige Kühe wie möglich zu schlachten», sagt er. «Wenn diese schwere Zeit vorüber ist, kann sich die Schweiz wieder aufrappeln.»






