
Ungefilterte Emotionen haben etwas Besonderes: sie trügen und lügen nie. Jubelbilder schon gar nicht. Als am späten Samstagabend im Stade de Genève der Schlusspfiff ertönte, brachen bei den Schweizern alle Dämme. Überall blickte man in freudige Gesichter (bis auf die schwedischen), die Spieler liessen sich von den Fans frenetisch feiern nach dem 4:1. Ein Sieg, der die Türe für die WM in Nordamerika so weit öffnet, dass sie sich auch nach dem letzten Auftritt am Dienstag im Kosovo nicht mehr schliessen lassen wird.
Minuten später gaben sich die frisch geduschten Schweizer immer noch freudig, aber etwas nüchterner. Die Emotionen waren in der Mixed Zone nicht weggespült, das nicht. Aber sie waren wegen der nur rein rechnerischen Eventualität etwas heruntergekühlt. Granit Xhaka sagte: «Durch sind wir noch nicht. Wir müssen aufpassen. Kosovo spielt bislang eine tolle WM-Qualifikation.»
Im Fussball könnten immer Geschichten geschrieben werden, ergänzte der Captain nach seinem 142.Länderspiel, die Schweiz wolle aber nicht Teil einer solchen werden. «Wenn wir am Dienstag unser Niveau erreichen, werden wir das Ticket für die WM holen. Sollten wir 0:6 verlieren, dann sind wir selbst schuld.» Xhaka blickte noch in die mittelfristige Zukunft und sagte, dass es womöglich seine letzte WM sein könnte. Nur liess der 33-Jährige nicht unerwähnt, dass er so lange für die Nati auflaufen werde, wie es gehe.
Die Mentalität und Freude der Schweizer, das Kreative, die Dynamik, Intensität und Flexibilität in ihrem Spiel, das alles war am Samstagabend gegen die Schweden nicht immer, aber in einigen Momenten sichtbar. Da hilft es ebenfalls, wenn Trainer Murat Yakin einen Johan Manzambi einwechseln kann. Natürlich erzielte der 20-jährige Offensivspieler mit der seit einem halben Jahr so steilen Karriere wieder ein Tor, ausgerechnet in seiner Heimatstadt tat er das. Sein Wert, jede 68. Länderspielminute zu treffen, hört sich rekordverdächtig an.
Ein Joker wie Manzimbi ist viel wert
Manzambi sagte, das Tor fühle sich wie Weihnachten an: «Es ist unglaublich, ich bin sehr, sehr glücklich. Meine ganze Familie und Freunde waren da. Den Treffer widme ich meinem Bruder. Aber wir haben noch einen wichtigen Match gegen Kosovo.» Und während Manzambi darauf hoffte, dass sein Traum einer WM-Teilnahme Tatsache wird, bekannte der wieder aufgebotene Christian Fassnacht, dass für ihn die Rückkehr in die Nati überraschend gekommen sei. Auch er blies indes in dasselbe Horn wie die Mitspieler: «Ich glaube, mit der Qualität dieser Mannschaft kann man das nicht in den Sand setzen. Aber es bleibt trotzdem noch ein Spiel.»
Ein Spiel, auf das sich Dan Ndoye schon in der Nacht von Genf freute. Das stimmt zuversichtlich, denn gut gelaunt ist er am besten. Das war an diesem Samstagabend nicht anders. Der 25-Jährige ist ein Juwel, das die Schweizer in ihren Reihen haben. Und wäre Ndoye Deutschweizer, würde er gewiss bedeutend besser vermarktet werden. So aber spielt der Röstigraben und der Romand läuft im deutschsprachigen Landesteil oft etwas unter dem Radar.
Nicht bei Yakin, der seinen Flügel in den höchsten Tönen lobte. Für dessen durchdachte Karriereplanung (im Sommer wechselte er für 40 Millionen Franken von Bologna zu Nottingham), die Unbekümmertheit, die Schnelligkeit auf dem Rasen, die Disziplin, vor allem: das Defensivverhalten. Denn oft geht die Verteidigungsarbeit von Ndoye wie auch von Ruben Vargas in der Hitze des Gefechts etwas unter. Dabei ist sie mit ein Grund, weshalb beide Offensivspieler nicht ununterbrochen im Angriffsmodus sein können, dafür dem Team aber mehr Stabilität geben.
Ndoye, der PS-starke Töff auf der Seite
«Bei Dan sieht man in jedem Spiel eine Steigerung», sagte Yakin. Wie wahr: Gegen die Schweden bereitete Ndoye das 1:0 formidabel vor, das 3:1 vollendete er gekonnt mit einem harten Abschluss. Ohnehin dürfte ihm dereinst in der Nati eine noch wichtigere Rolle zukommen, als er sie jetzt schon hat. Yakin könnte seinen Schützling als Bindeglied zwischen den Älteren und Jüngeren sehen, sollte es dereinst zu einem Umbruch kommen. Als Scharnier sozusagen. Und natürlich soll Ndoye der PS-starke Töff bleiben, der immer wieder wie von der Tarantel gestochen die Seitenlinie runterfräst.
Tami: Den Parcours mit einer guten Leistung abschliessen
Noch fehlt der letzte Schritt also. Das sieht auch Nati-Chef Pierluigi Tami, der davon überzeugt ist, dass die Schweizer in Pristina sich und ihren WM-Qualifikationsweg nochmals beweisen möchten. «Wir wollen unseren bis anhin starken Parcours mit einer guten Leistung abschliessen.»
Das Bier war kalt gestellt am Samstagabend in der Schweizer Kabine, nun kommt es zu 99,9 Prozent am Dienstag zum Einsatz.
WM-Qualifikation 2026
Die bisherigen Spiele:
Schweiz – Kosovo 4:0 (4:0)
Slowenien-Schweden 2:2 (0:1)
Schweiz-Slowenien, 3:0 (3:0)
Kosovo-Schweden 2:0 (2:0)
Schweden-Schweiz 0:2 (0:0)
Kosovo-Slowenien 0:0
Slowenien-Schweiz 0:0
Schweden-Kosovo 0:1 (0:1)
Schweiz-Schweden 4:1 (1:1)
Slowenien-Kosovo 0:2 (0:1)
Die letzten Spiele:
18.11.: Kosovo - Schweiz 20:45 Uhr in Pristina
18.11.: Schweden - Slowenien 20:45
Modus: Der Gruppenerste qualifiziert sich für die WM 2026. Der Zweite muss in die Barrage (März 2026). Schweden als einer der Gruppensieger aus der Nations League ebenfalls für Barrage qualifiziert. - Auslosung der WM-Gruppen am 5. Dezember.



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