
Die Besten der Welt fliegen aktuell ohne Schweizer Beteiligung. Das liegt auch an Teamleader Gregor Deschwanden. Gehörte der 34-Jährige im vergangenen Winter zur obersten Hubraumklasse des Skispringens, so kommt er heuer nicht in Fahrt. Ausgerechnet beim Heim-Weltcup in Engelberg erlebte der Luzerner eine weitere Schmach und verpasste zweimal den Sprung in den Final (Ränge 31 und 39). Deschwanden nahm es mit einer Prise Galgenhumor, dass er beim windigen zweiten Springen am Sonntag die mit Abstand schlechtesten Bedingungen vorfand. Es passe zur aktuellen Situation.
Brilliert haben die Schweizer Skispringer in Engelberg indes in der Breite. Am Sonntag qualifizierten sich alle acht zur Qualifikation angetretenen Athleten für den Wettkampf. So etwas gab es in der Geschichte dieser Sportart noch nie. Letztlich sammelten mit Sandro Hauswirth, Juri Kesseli und Yanick Wasser drei Springer der jungen Generation Weltcuppunkte. Am Vortag waren es sogar vier Schweizer Athleten. Ein Quartett feierte an diesem Wochenende auch sein Karriere-Bestresultat.
Die besten Zeiten seiner Karriere hat der 44-jährige Simon Ammann zwar definitiv hinter sich. Doch auch der zweifache Doppel-Olympiasieger setzte in Engelberg ein Ausrufezeichen. Rang 20 im ersten Springen war das beste Weltcupresultat des Toggenburgers seit Februar 2023 und letztlich auch das Schweizer Bestresultat des Wochenendes.
Simon Ammann freut sich über die Leistungen der Jungen
Am Sonntag brillierte Ammann zwar nur im Qualifikationssprung mit der elftbesten Weite, doch der Gesichtsausdruck des mit Abstand ältesten Springers im Starterfeld unterstrich seine Zufriedenheit mit der persönlichen Entwicklung. Ammann sprach von einem Schritt vorwärts. Er nähere sich dem Moment, wo er auch mal «einen Sprung raushauen» könne. Er freute sich auch über die starke Teamleistung. «Darauf haben wir gewartet. Das bringt Ruhe ins Team und hilft jedem Einzelnen», sagte Ammann.
Die geschlossene Teamleistung der Schweizer Skispringer im Mittelfeld der Weltcupstarter fordert nun auch die Selektionäre. Wer darf mit an die Vierschanzentournee? Und erhält damit automatisch die besseren Karten punkto Olympia-Selektion. Denn bei den Winterspielen in Cortina wird nur ein Schweizer Trio antreten dürfen.
Trotz aktueller Formbaisse besitzt Gregor Deschwanden nicht nur aufgrund seines Renommees noch immer die besten Karten. Der 34-Jährige hat als einziger der acht in diesem Winter im Weltcup eingesetzten Springer mit zwei zehnten Plätzen die vollen Qualifikations-Kriterien erfüllt.
Bei Sandro Hauswirth ist der Knopf aufgegangen
Die grösste Konstanz zeigt derzeit jedoch Sandro Hauswirth. Der Gstaader stand in Engelberg als einziger Athlet von Swiss-Ski zweimal im Finaldurchgang (Ränge 23 und 26) und holte nun dreimal in Serie Weltcuppunkte. Der 25-Jährige ist eine Art Bindeglied zwischen der alten Generation mit Ammann, Deschwanden und Killian Peier sowie den wilden Jungen um den 19-jährigen Felix Trunz (Platz 25 am Samstag) oder den 20-jährigen Juri Kesseli (Platz 24 am Sonntag).
Obwohl Hauswirth bereits vor fast acht Jahren im Weltcup debütierte, musste er sich bis zu seinen ersten Finalqualifikationen lange gedulden. «Es ist der Lohn dafür, dass ich beharrlich weitergearbeitet habe und im Sommer die Grundtechnik gefunden habe, um weit zu springen. Als nächsten Schritt braucht es jetzt zwei gute Sprünge, dann ist noch deutlich mehr möglich», bilanzierte Hauswirth.
Im Hinblick auf die Olympia-Selektion bahnt sich ein Generationenduell an. Setzt man auf die Zukunft oder auf Geschichtsschreibung? Für Simon Ammann wäre es die achte Olympia-Teilnahme. Mit sieben Winterspielen ist er bereits jetzt Schweizer Rekordhalter. Bietet ihn Swiss Olympic für Cortina auf, würde Ammann zu Skisprung-Kollege Noriaki Kasai aufschliessen und auch international zur Nummer 1 punkto Teilnahmen an Olympischen Winterspielen aufsteigen. Er selbst sagte zwar vor kurzem im Interview mit CH Media zu diesem Thema: «Wenn die Teilnahme das wichtigste Kriterium ist, dann ist man im Spitzensport am falschen Platz.»
Die zwei Weltcupspringen in Engelberg unterstrichen eine weitere Besonderheit des Winters. Die strengeren Vorschriften bei den Anzügen haben bewirkt, dass deutlich mehr Athleten um den Sieg mitspringen. Die letztjährige Dominanz der Austria-Adler ist vorbei. Auf der Titlisschanze schafften es Springer aus sieben verschiedenen Nationen in die Top 10. Leider trotz nie dagewesener Breite leider nicht die Schweiz.

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