In der 73. Minute hat Aurélie Csillag das Siegtor auf dem Fuss. Die Stürmerin von Freiburg erhält von der spielstarken Sydney Schertenleib den Ball. Sie dreht sich und kommt zum Abschluss - doch es fehlt an der Kraft. Die belgische Torhüterin Nicky Evrard hält das Schüsschen locker. Nur wenige Sekunden später liegt der Ball auf der anderen Seite im Schweizer Tor. Nach einem hohen Ball kommt Tine De Caigny zum Kopfball. Anders als die Schweizerin davor trifft die Belgierin zum 2:1.

Diese Szenen entscheiden das Testspiel zwischen der Schweiz und Belgien im spanischen Jerez. Das Nationalteam verliert somit das erste Länderspiel unter dem neuen Trainer Rafel Navarro. Es ist zwar eine Niederlage, doch die Schweizerinnen zeigen viele gute Ansätze – auch wenn in der Offensive die Genauigkeit fehlt. «Ich ärgere mich über das Resultat, weil ich immer gewinnen will. Aber ich bin mit der Leistung zufrieden», sagt Rafel Navarro danach.
Das Schweizer Nationalteam befindet sich unter dem neuen Trainer noch auf der Suche nach einer neuen Identität. Die Schwedin Pia Sundhage hatte mit den Schweizerinnen dank eines defensiven Konzepts und viel Kampfgeist für eine erfolgreiche Heim-Europameisterschaft gesorgt, unter Navarro soll nun der nächste Schritt folgen.
Nun spielen die Schweizerinnen in einem offensiven 4-3-3. Die Zeit des 3-5-2, in dem Offensivtalente wie Iman Beney als Aussenverteidigerinnen arbeiten mussten, ist vorbei. Navarro setzt nun auf Kurzpassspiel à la Barcelona statt auf schwedischen Pragmatismus.
70 Prozent Ballbesitz – aber fehlende Durchschlagskraft
Ana-Maria Crnogorcevic, die in Abwesenheit der wegen muskulären Problemen fehlenden Captain Lia Wälti das Schweizer Team auf den Platz führt, stellt nach dem Spiel gegenüber SRF fest: «Wir wollen eine neue Identität erarbeiten, das braucht noch ein bisschen Zeit. Aber man hat gesehen, dass einige Ansätze bereits gut waren.»

Dafür, dass Navarro erst wenige Tage mit dem Team arbeitet, ist seine Handschrift schon gut erkennbar. Nach 30 Minuten haben die Schweizerinnen einen Ballbesitz von über 70 Prozent. Schertenleib, Xhemaili und Reuteler sorgen im Zentrum für ständige Bewegungen, die Flügelspielerinnen agieren flexibel. Besonders zur Geltung kommen dabei die Künstlerinnen Beney und Schertenleib, die immer wieder ihre grossen technischen Qualitäten am Ball aufblitzen lassen. Doch meist fehlt es im letzten Drittel an der Genauigkeit.
Völlig aus dem Nichts kommt das erste Gegentor in der Ära Navarro. In der 36. Minute trifft Laura Deloose. Ihr Schuss wird von Viola Calligaris noch unglücklich abgefälscht und ist deshalb unhaltbar für die Schweizer Torhüterin Livia Peng.
In der Folge dominiert die Schweiz zwar weiterhin das Spielgeschehen, das einzige Nati-Tor ist jedoch eher zufällig. Nach einer guten Stunde bringen die belgischen Verteidigerinnen den Ball nicht weg, Alisha Lehmann ist aufmerksam und schiebt zum Schweizer Ausgleich ins Tor. Für die Offensivspielerin von Como ist es das erste Länderspieltor seit Mai 2024. Später sagt sie: «Der Trainerwechsel hat auf jeden Fall frischen Wind gegeben.»

Die Schweiz siegt in dieser Partie nicht, weil die Belgierinnen effizienter agieren als die Schweizerinnen. «So ist manchmal der Fussball, aber wir können viel Gutes mitnehmen», sagt Lehmann. Riola Xhemaili spricht derweil von «unnötigen Gegentoren», dennoch ist auch die Mittelfeldspielerin von Eindhoven positiv gestimmt: «Wir haben in dieser Woche viel gelernt, es kamen viele neue Inputs. Für unser Team passt das neue System mit viel Ballbesitz auf jeden Fall, aber es ist eine andere Spielphilosophie als wir es vorher gekannt haben.»
Nach der Niederlage zum Auftakt reist Rafel Navarro kurzzeitig vom Schweizer Team ab, weil der Gesundheitszustand seines Vaters kritisch ist. Am Dienstag ist er beim zweiten Test gegen Wales wieder beim Nationalteam – und die Barça-DNA soll erstmals Ertrag bringen.
Schweiz - Belgien 1:2 (0:1)
Jerez. – Tore: 36. Deloose 0:1. 64. Lehmann 1:1. 73. De Caigny 1:2.
Schweiz: Peng; Crnogorcevic (60. Riesen), Calligaris, Ivelj, Maritz; Reuteler, Schertenleib, Xhemaili (79. Sow); Vallotto (60. Lehmann), Beney (93. Wandeler), Fölmli (46. Csillag).



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