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Winterthur

Jagd auf Pädophile: Polizei verhaftet sechs Jugendliche

In der Schweiz macht sich ein neues Phänomen breit: Jugendliche setzen auf Do-it-yourself-Justiz und verprügeln mutmassliche Pädophile. Die Kantonspolizei Zürich hat nun sechs minderjährige Schweizer verhaftet.
Jugendliche prügeln auf ein Opfer ein.
Bild: Symbolbild: Christof Schürpf

Der Vorfall passierte am 30. November letzten Jahres. Unbekannte Personen locken einen damals 22-jährigen Schweizer nach Winterthur zu einem Treffen mit einem angeblich minderjährigen Mädchen. Doch anstatt Sex gibt es Schläge. Mehrere Jugendliche, mutmasslich selbst ernannte Pädophilenjäger, verprügeln den Mann heftig, erniedrigen ihn, filmen die Szenen und lassen ihn verletzt liegen.

Jetzt hat die Kantonspolizei Zürich in Zusammenarbeit mit der Jugendanwaltschaft Winterthur mehrere Schweizer im Alter von 15 bis 17 Jahren verhaftet. Die Minderjährigen stehen unter Verdacht, sich an der Attacke auf den 22-Jährigen beteiligt zu haben. Sie wurden der Jugendanwaltschaft zugeführt, wie die Kantonspolizei Zürich am Mittwoch mitteilte. Sie befinden sich in Untersuchungshaft.

Bereits Mitte Februar und Anfang April dieses Jahres klärten die Zürcher Strafverfolgungsbehörden mehrere Gewaltdelikte auf, bei denen mutmassliche Pädophilenjäger am Werk waren. Insgesamt sieben Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 19 Jahren wurden verhaftet. Vier davon sind Schweizer Staatsangehörige, die anderen haben einen italienischen, libanesischen und pakistanischen Pass.

In einem Fall verletzten die Jugendlichen einen 55-jährigen Nordmazedonier schwer mit Baseballschläger und Pfefferspray, in einem anderen Fall schlugen die Täter auf einen 16-Jährigen ein und raubten ihn aus. Der Minderjährige hatte auf einer Online-Plattform mit einem vermeintlichen Mädchen abgemacht. Es ist gut möglich, dass die Tatverdächtigten die Jagd auf Pädophile als Vorwand für Raubdelikte nehmen.

Pädophilenjagd als Akt der Selbstjustiz ist im Ausland bekannt. «Tesak», ein russischer Neonazi und Schwulenhasser, war berüchtigt für diese Praxis. In England beging vor fünf Jahren ein mutmasslicher Pädophiler Suizid, nachdem eine Gruppe ein Treffen mit ihm live auf Facebook übertragen hatte. Ein Jahr später erlag in den Niederlanden ein 73-jähriger pensionierter Lehrer seinen Verletzungen, die ihm Jugendliche in einem Park in Arnhem zugefügt hatten.

Das Phänomen ist unterdessen in der Schweiz angekommen. In den letzten Monaten sorgten mehrere Fälle für Schlagzeilen. Im April schlugen Jugendliche einen 22-jährigen Mann beim Golfplatz im zugerischen Rotkreuz zusammen. Im letzten Oktober verhaftete die Tessiner Polizei 19 Jugendliche, die mit Fakeprofilen in sozialen Medien mutmassliche Pädophile in Hinterhalte lotsten. Erst vor eineinhalb Wochen verurteilte ein Solothurner Gericht zwei Männer zu unbedingten Haftstrafen, weil sie einem 29-Jährigen, der sich mit einer 15-Jährigen via Instagram verabredet hatte, eine Lektion erteilen wollten.

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