notifications
Kindes- und Erwachsenenschutz

Neue Kesb-Zahlen: Am meisten Massnahmen braucht es wegen zerstrittener Eltern

Die Behörden haben für fast 50'000 Kinder eine Schutzmassnahme ergriffen. Sie leiden unter häuslicher Gewalt, zerstrittenen und psychisch erkrankten Eltern. Mehr als 5000 Kinder sind fremdplatziert.
Kinder leiden, wenn sich Eltern streiten.
Bild: Symbolbild: Getty Images

Per Ende letzten Jahres registrierten die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) in der Schweiz fast 50'000 Massnahmen zum Schutz von Kindern. Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einer leichten Zunahme von 1,5 Prozent. Von sich aus schreitet die Kesb fast nie ein. Vielmehr reagiert sie auf Meldungen, die von aussen an sie getragen werden. Bei Kindern stammen sie meistens von der Polizei, gefolgt von den Eltern, von Fachstellen, Ämtern, Schulen und Gesundheitspersonal. Dies geht hervor aus einer Medienmitteilung der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (Kokes).

5107 Kinder waren per Ende letzten Jahres fremdplatziert. Das sind gut 200 mehr als im Vorjahr. Der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist die einschneidendste Massnahme im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht. Die Kesb ergreifen sie dann, wenn mildere Mittel nicht mehr ausreichen, um das Kindeswohl zu schützen.

Psychische Probleme der Eltern, oft verbunden mit Suchtproblematik, oder häusliche Gewalt sind mögliche Gründe für Fremdplatzierungen. In den letzten Jahren sind gemäss der polizeilichen Kriminalitätsstatistik immer mehr Minderjährige Opfer von häuslicher Gewalt geworden. Nicht in jedem Fall wird deswegen ein Kind in einer Institution untergebracht. Es gibt auch mildere Massnahmen wie Verhaltenstrainings für prügelnde Eltern.

Jährlich fast 30'000 Kinder von Trennungen betroffen

43 Prozent der Schutzmassnahmen sind Besuchsbeistandsschaften bei Kindern. In diesen Fällen versuchen die Behörden zwischen zerstrittenen Eltern zu vermitteln, sodass die Kinder Kontakt zu beiden Elternteilen pflegen können.

Jedes Jahr sind in der Schweiz fast 30'000 Kinder von der Trennung ihrer Eltern betroffen. Endlose Konflikte zum Besuchsrecht oder der Obhut sind sehr belastend. Ein Beispiel aus der Praxis einer Oberrichterin: Eine Mutter geht ihrem Ex-Partner konsequent aus dem Weg und lässt ihren sechsjährigen Sohn auf dem Spielplatz alleine warten, bis der Vater übernimmt. Bei der Kindesbefragung äusserte der Bub seinen grössten Wunsch: «Mama und Papa sollen sich wieder Hallo sagen.»

Vor zwei Jahren gründete im Kanton Bern eine breite Trägerschaft um Kindesschutzexperten den Verein Zentrum für Familien in Trennung. Er lancierte ein Pilotprojekt: Die Kesb der Stadt Bern und das Regionalgericht Bern-Mitteland können eine obligatorische Beratung anordnen, zu der Eltern zu sechs Sitzungen innert vier Monaten erscheinen müssen. Das Ziel lautet, dass Eltern eine einvernehmliche Lösung finden, bevor die Kesb oder ein Gericht eine Massnahme verhängt. Der Kanton Bern hat im Juli beschlossen, das Projekt um zwei Jahre zu verlängern. Ein Zwischenbericht der Universität Freiburg zeigt, dass die Beratungen die Elternkonflikte bedeutend entschärfen.

Mehr zum Thema:

Mehr zum Thema: