notifications
Deutschland

Markus Söder hält an Hubert Aiwanger fest: Eine Entlassung wäre «nicht verhältnismässig»

Der bayrische Ministerpräsident will seinen Stellvertreter fünf Wochen vor der Wahl nicht aus dem Kabinett werfen. Aiwanger gibt sich zerknirscht, stellt sich gleichzeitig aber auch als Opfer dar. 
Damals war die Stimmung noch bedeutend besser: Markus Söder (links) und Hubert Aiwanger, hier nach der Unterzeichnung ihres Koalitionsvertrags am 5. November 2018. 
Bild: Matthias Schrader/AP

Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder hält an seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger fest. Dieser war wegen eines 35 Jahre alten Flugblatts, in dem die Opfer des Holocausts auf zynische Weise verhöhnt werden, unter Druck geraten. Eine Entlassung Aiwangers wäre «aufgrund der bisher vorliegenden Informationen nicht verhältnismässig», sagte Söder am Sonntag.

Das Pamphlet war Ende der 80er-Jahre an dem Gymnasium aufgetaucht, an dem Aiwanger damals Schüler war. Nachdem die «Süddeutsche Zeitung» («SZ») vorletzte Woche die Existenz des Schriftstücks enthüllt und Aiwanger als mutmasslichen Autor genannt hatte, hatte dessen älterer Bruder erklärt, er habe das Flugblatt geschrieben.

Diese Version hat Hubert Aiwanger nun in einem Fragekatalog wiederholt, dessen Beantwortung ihm Söder vor einigen Tagen aufgetragen hatte. Eines oder mehrere Exemplare des Flugblatts seien in seinem Schulranzen gefunden worden; möglicherweise habe er diese eingesammelt, um eine weitere Verbreitung zu verhindern. An zahlreiche Details will sich der 52-Jährige, der damals 16 oder 17 Jahre alt war, nicht erinnern können.

Aiwanger habe längst nicht alle Fragen zufriedenstellend beantwortet, sagte Söder. Zudem kritisierte er das Krisenmanagement seines Stellvertreters: «Auch wenn all die Sachen lange her sind, ist es wichtig, Reue und Demut zu zeigen», erklärte er. «Um Transparenz herzustellen», veröffentlichte die bayrische Staatskanzlei den Fragekatalog im Internet.

In fünf Wochen wählt Bayern einen neuen Landtag. Söders Christlich-Soziale Union (CSU) regiert zusammen mit Aiwangers Freien Wählern und würde das Bündnis gerne fortsetzen, haben die beiden bürgerlichen Parteien doch deutlich mehr gemeinsam als etwa CSU und Grüne. 

Aiwanger verfolgt in der Affäre eine Doppelstrategie: Einerseits gibt er sich zerknirscht. In seiner Jugendzeit habe er Fehler gemacht, die ihm heute leidtäten, schreibt er im Fragekatalog. Er stellt sich aber auch als Opfer dar: Darüber, dass versucht werde, ihn «durch die Weitergabe von Informationen aus dem geschützten Raum Schule politisch und persönlich fertigzumachen», sei er entsetzt.

Ob das Festhalten an Aiwanger der CSU eher nützt oder schadet, ist völlig offen. Ebenso unklar ist, wie sich die Affäre auf die Chancen der Freien Wähler auswirkt. Unter deren Anhängern könnten die Vorwürfe gegen Aiwanger auch zu einer Trotzreaktion führen: Viele von ihnen glauben, die «SZ» führe eine Kampagne. Das linksliberale Blatt, so ein weitverbreiteter Vorwurf, würde lieber eine Regierung aus CSU und Grünen sehen.

Mehr zum Thema:

Mehr zum Thema: