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Michal Graber Pop International

Ihre Musik schüttelt gehörig durch

In «Lux» türmen sich Chöre auf, brechen Stimmen, stürzt Musik ein. Rosalía singt in 13 Sprachen, aber nicht, um verstanden zu werden. Sondern um zu berühren. Pop als Zumutung – im besten Sinn.
Pop ohne Weichspüler: Die spanische Singer-Songwriterin Rosalía bei einem Auftritt am 22. Juli 2023 in Paris.
Bild: Kristy Sparow / Getty

Was ist das genau? Und warum ist es so gut? «Lux» von Rosalía schüttelt durch, rüttelt auf und kann auch verstören. Es ist Pop, Dance, Oper, Klassik, Flamenco, viel mehr und ganz viel Drama Baby. Allein in der grandiosen Single «Berghain» steckt so viel, dass auch nach dem dreiundzwanzigsten Durchlauf noch nicht alles entdeckt ist – und der Song dauert gerade einmal drei Minuten.

Vielleicht ist auch gerade das so wohltuend. Hier sträubt sich ein Popstar gegen die Kantenlosigkeit der streamingoptimierten Musik. Rosalía überfordert, überreizt und überbordet. Tanzen dazu? Vergiss es. Sie singt in insgesamt 13 Sprachen, von der spanischen Muttersprache über Hebräisch bis zu Deutsch. Es muss gar nicht alles verstanden werden, es soll gefühlt und erlebt werden.

Bei allem Pomp bleibt es roh und sinnlich

Wo sonst diese Klassik-Pop-Electro-Sounds oft zu einer Art Theater werden, ist es bei Rosalía viel organischer. Es wächst und wuchert alles ineinander hinein. Es klingt dicht und bleibt bei allem Pomp (wirklich sehr viel Pomp!) immer roh und sehr sinnlich.

Es ist aufregend im allerbesten Sinne. Und bevor hier jetzt eine verkopfte Art-Pop-Platte vermutet wird: Genau das ist es eben nicht. Es ist Pop. Einfach ohne Weichspüler. Und vor allem traut sich die spanische Musikerin ihrem Publikum etwas zuzumuten. Alles mit den Mitteln der modernen Musik, es wird gross angerichtet. Die Gefühle, die Sounds, die Zerrissenheit. Alles.

Rosalía macht Weltmusik, so wie heute Weltmusik ist. Die Grenzen sind längst durchlässig. Migrationsbewegungen bringen den Sound ihrer Kultur mit in die neue Heimat. In den Grossstädten trifft alles aufeinander. Die Sängerin pflückt sich Traditionen und moderne Hypes und macht daraus Musik für das Jetzt. Alles ist fliessend. Und vor allem: Alles kann alles sein. Und zwei Takte später dann wieder etwas anderes.

Und wie sie singt. Wie ihre Stimme ganz nach oben schwingt. Dann wieder bricht. Sie wirkt, als singe sie um ihr Leben. Es wirkt verletzlich. Oder dann fast bedrohlich. «Lux» ist auch ein sehr körperliches Erlebnis. Es hat viel Reibung drin. Und mitunter kratzt es auch.

Und dann stürzt wieder alles ein

Natürlich: Das kann too much sein. Ist es vielleicht auch. Aber es wirkt alles so logisch. Selbst im Überschwang. Und dann türmen sich die Chöre auf. Nur um danach alles einstürzen zu lassen. Auf atemlose Passagen folgen Momente der klirrenden Stille. Auch etwas bedrohlich.

Mit «Lux» ist Rosalía eine sensationelle Platte gelungen. Eine, die schüttelt, rüttelt und verstört. Was ist das genau? Und warum ist es so gut? Erleben Sie es unbedingt selbst. Es lohnt sich.

1. Rosalía: Lux 

2. DJ Koze: Music Can Hear Us

3. Little Simz: Lotus

4. Turnstile: Never Enough

5. Geese: Getting Killed

6. Blood Orange: Essex Honey

7. FKA twigs: Eusexua

8. Bon Iver: Sable, Fable

9. Wet Leg: Moisturizer

10. Tocotronic: Golden Years

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