Diese zehn internationalen Alben begeistern - allen voran jene von Rosalia

Was ist das genau? Und warum ist es so gut? «Lux» von Rosalía schüttelt durch, rüttelt auf und kann auch verstören. Es ist Pop, Dance, Oper, Klassik, Flamenco, viel mehr und ganz viel Drama Baby. Allein in der grandiosen Single «Berghain» steckt so viel, dass auch nach dem dreiundzwanzigsten Durchlauf noch nicht alles entdeckt ist – und der Song dauert gerade einmal drei Minuten.
Vielleicht ist auch gerade das so wohltuend. Hier sträubt sich ein Popstar gegen die Kantenlosigkeit der streamingoptimierten Musik. Rosalía überfordert, überreizt und überbordet. Tanzen dazu? Vergiss es. Sie singt in insgesamt 13 Sprachen, von der spanischen Muttersprache über Hebräisch bis zu Deutsch. Es muss gar nicht alles verstanden werden, es soll gefühlt und erlebt werden.
Wo sonst diese Klassik-Pop-Electro-Sounds oft zu einer Art Theater werden, ist es bei Rosalía viel organischer. Es wächst und wuchert alles ineinander hinein. Es klingt dicht und bleibt bei allem Pomp (wirklich sehr viel Pomp!) immer roh und sehr sinnlich.
Es ist aufregend im allerbesten Sinne. Und bevor hier jetzt eine verkopfte Art-Pop-Platte vermutet wird: Genau das ist es eben nicht. Es ist Pop. Einfach ohne Weichspüler. Und vor allem traut sich die spanische Musikerin ihrem Publikum etwas zuzumuten. Alles mit den Mitteln der modernen Musik, es wird gross angerichtet. Die Gefühle, die Sounds, die Zerrissenheit. Alles.
Rosalía macht Weltmusik, so wie heute Weltmusik ist. Die Grenzen sind längst durchlässig. Migrationsbewegungen bringen den Sound ihrer Kultur mit in die neue Heimat. In den Grossstädten trifft alles aufeinander. Die Sängerin pflückt sich Traditionen und moderne Hypes und macht daraus Musik für das Jetzt. Alles ist fliessend. Und vor allem: Alles kann alles sein. Und zwei Takte später dann wieder etwas anderes.
Und wie sie singt. Wie ihre Stimme ganz nach oben schwingt. Dann wieder bricht. Sie wirkt, als singe sie um ihr Leben. Es wirkt verletzlich. Oder dann fast bedrohlich. «Lux» ist auch ein sehr körperliches Erlebnis. Es hat viel Reibung drin. Und mitunter kratzt es auch.
Natürlich: Das kann too much sein. Ist es vielleicht auch. Aber es wirkt alles so logisch. Selbst im Überschwang. Und dann türmen sich die Chöre auf. Nur um danach alles einstürzen zu lassen. Auf atemlose Passagen folgen Momente der klirrenden Stille. Auch etwas bedrohlich.
Mit «Lux» ist Rosalía eine sensationelle Platte gelungen. Eine, die schüttelt, rüttelt und verstört. Was ist das genau? Und warum ist es so gut? Erleben Sie es unbedingt selbst. Es lohnt sich.
1. Rosalía: Lux
2. DJ Koze: Music Can Hear Us
3. Little Simz: Lotus
4. Turnstile: Never Enough
5. Geese: Getting Killed
6. Blood Orange: Essex Honey
7. FKA twigs: Eusexua
8. Bon Iver: Sable, Fable
9. Wet Leg: Moisturizer
10. Tocotronic: Golden Years
10 Klassik-Aufnahmen, die man nicht verpassen sollte

Wo auch immer der 21-jährige Südkoreaner Yunchan Lim auftritt, steht das Publikum Kopf: Das ist umso erstaunlicher, da es sich bei diesem Künstler nicht um einen Micky Maus gleichenden Tastensprinter handelt, sondern um einen wahrlich grossen Klavierkünstler. Schön, zeigt er in der Schweiz seine Kunst besonders grosszügig. Im Januar 2025 etwa im KKL beim Luzerner Sinfonieorchester, im Sommer in Gstaad und Verbier (wohin er Ende Juli 2026 wiederkommt). Aufnahmen kommen zum Palmares hinzu - auch darin zeigt er sich überragend.
Verblüffte Yunchan Lim 2024 mit Chopin, ist es nun Tschaikowsky. Im Gang durch die «Jahreszeiten» entlockt er jedem der zwölf Monate zarteste Färbungen und entfacht pianistisch unglaubliche Orchesterstürme. Immer wieder erstaunt, wie perfekt er den Flügel beherrscht: Da sucht einer nicht nach Tönen, sondern weiss zu gut, was da kommt, was der Flügel ihm erschaffen kann und muss.
1. Yunchan Lim, Tschaikowsky: The Seasons, Deutsche Grammophon
2. Dieter Ammann, glut, music for orchestra, Orchestre de la Suisse Romande (Jonathan Nott) Schweizer Musikforum
3. Arvo Pärt: Credo, Järvi/Estonian Festival Orchestra (Paavo Järvi), alpha
4. Ilya Shmukler: The Winners Recital, Prospero.
5. Arta Arnicāne: Jānis Mediņš, 24 Dainas, , Prima Classic
6. Leif Ove Andsnes: Liszt Via Crucis & Solo Piano Works, (Norwegian Soloists’ Choir / Grete Pedersen, Sony
7. Raphaela Gromes, Fortissima, Sony
8. Stephanie Bühlmann (Sopran) & Benjamin Engeli (Klavier): Zauberluft, Solo Musica
9. Paavo Järvi, Tonhalle-Orchester Zürich: Gustav Mahler, Sinfonie Nr. 1, Alpha
10. Estelle Revaz: 11 Capriccios für Violoncello solo von Joseph Dall’Abaco. Solo Musica
Diese 10 Schweizer Platten sollte man daheim haben

Wenn über die Schweiz gesungen wird, dann viel zu häufig über Berge, Seen und Täler. Splendid singen auf ihrem selbst betiteltem Debüt dagegen hinreissend über eine urbane Schweiz. Da ist das Daheim mehr ein Feeling als ein Ort. Und nicht immer nur ein gutes Gefühl.
Levin Dennler, bekannt von Hainan, und Michael Egger, bekannt von Jeans for Jesus, packen den Mundart-Pop ihrer Vorbilder Polo Hofer und Endo Anaconda ins Jetzt und verneigen sich auch mehrfach vor den grossen Züri West. Mit schlurfenden Gitarren und einer gehörigen Portion Weltschmerz und Schweizblues. Von verbremst bis griffig. Und Achtung, liebe Mundart-Pop-Puristen: Es wird auch mit Autotune serviert. Aber auch mit viel Lockerheit und ohne die Verkrampftheit, die ihren früheren Projekten manchmal innewohnte.
Auch sonst gab es erfreulich viele gute Veröffent- lichungen von Schweizer Musikschaffenden. Wunderbar poetischer Pop von Mel D, Instrumental-Wegdrift-Sounds von Löwenzahnhonig oder bleischwere Düsterkeiten von Stahlberger. Dazu noch viel mehr. Etwa Rap von Baze, treibender Rock von Batbait oder Chaos mit Sogwirkung von Baby Volcano. Das ist ein sehr guter Jahrgang.
1. Splendid: Splendid
2. Mel D: Young Bones
3. Löwenzahnhonig: Löwenzahnhonig
4. Stahlberger: Immer dur Nächt
5. OG Florin & Meldodiesinfonie: Meh als Null & Eis
6. Batbait: Working In The Garden
7. Baze: Brot
8. Baby Volcano: Supervivenxia
9. Dino Brandão: I Love You, I Leave You
10. Vernisage: Vernisage
Das sind die Jazz-Perlen 2025

Theo Croker, Donny McCaslin, Kneebody und Joshua Redman gehören zu den internationalen Topcracks des Jazz, die seit Jahren Alben von höchster Qualität liefern. Bald dürfte sich auch Tyreek McDole in diese Reihe einreihen. Der US-Sänger ist der Aufsteiger des Jazz-Jahres.
Dass in dieser illustren Auswahl 2025 mit Maria Lea Fries, Knobil, Yumi Ito und dem Zurich Jazz Orchestra wie selbstverständlich Schweizer Künstlerinnen und Künstler vertreten sind, spricht für die Stärke und das Selbstbewusstsein des heimischen Jazzschaffens – Heimatschutz braucht hier niemand. Und es ist kein Zufall, dass gleich drei Bandleaderinnen die Jahresliste anführen.
In unserem Jazzalbum des Jahres verbindet Maria Lea Fries Jazz mit Anleihen bei Chanson, Volksmusik, Pop und Electronica. Zerbrechlich und intim, aber auch intensiv und rasant. Die Musik auf «Cleo», die gerade in einer Deluxe-Version mit neuen Song-Material veröffentlicht wurde, lebt von der Spannung zwischen Vertrautheit und Experiment, Kontrolle und Freiheit.
1. Maria Lea Fries: Cleo
2. Knobil: Knobilive in Cully Jazz
3. Yumi Ito: Lonely Island
4. Tyreek McDole: Open Up Your Senses
5. Donny McCaslin: Lullaby for the Lost
6. Kneebody: Reach
7. Zurich Jazz Orchestra: Neat Little Songs
8. (Exit) Knarr: Drops
9. Joshua Redman: Words Fall Short
10. Theo Croker: Dream Manifest



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