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Zug

Zugs Pionierbauten im Fokus

Das Bauforum und der Zuger Heimatschutz planen, ein neues Buch auf den Markt zu bringen. Das Thema: Die Bauten der Nachkriegsmoderne. Nun gab der Autor erste Einblicke in das Werk.
An der Baarerstrasse 122 steht Zugs erstes Hochhaus (Baujahr 1959). Die Balkone kamen später dazu. (Bild: Stefan Kaiser, Zug, 14. Juni 2019)

Andrea Muff

Für den Laien kommen sie eher kantig, nüchtern oder gar kastenförmig daher. Die Rede ist von den Bauten aus der Epoche der Nachkriegsmoderne. Also jenen, die zwischen 1945 bis 1975 gebaut worden sind. Zuweilen gelten diese Bauten als wegweisend oder als architektonische Meisterwerke. Sie verdienen deshalb ein besonderes Augenmerk, denn auf den ersten Blick sieht man ihnen die Besonderheit oft kaum an. Michael Hanak blickt in einem Buch hinter die Fassade der Gebäude der Nachkriegsmoderne im Kanton Zug. Das Bauforum Zug und der Zuger Heimatschutz sind die Herausgeber des Werkes, das voraussichtlich im November 2019 auf den Markt kommen wird.

Der Zürcher Kunst- und Architekturhistoriker Michael Hanak gab vor kurzem in einem Referat in der Aula der Kantonsschule Menzingen erste Einblicke in das Buchprojekt. «Mein Referat ist ein Werkstattbericht – ein Appetizer, der auf das ganze Menu neugierig machen soll», erklärt er den Anwesenden. Michael Hanak warf gleich zu Beginn die Frage auf, warum denn ein Buch über die Bauten aus der Zeit von 1945 bis 1975 nötig sei. Er antwortet sogleich selber: «Sie verdienen vermehrte Aufmerksamkeit, da sie inzwischen im Kanton Zug auch zum Politikum geworden sind.» Mit diesen Worten spricht er auf die am 24. November 2019 stattfindende Volksabstimmung über das kantonale Denkmalschutzgesetz an. Unter anderem will das neue Gesetz, dass Gebäude, die jünger als 75 Jahre sind, ohne Einwilligung der Eigentümer nicht mehr unter Schutz gestellt werden können. Ungenügende Kenntnisse würden zu einer mangelnden Akzeptanz gegenüber solchen Gebäuden führen, ist sich Michael Hanak sicher. Das Buch soll somit zur Sensibilisierung beitragen. «Es braucht mehr Vermittlung», fasst Hanak zusammen.

Historischer Hintergrund

Um die Baukultur der Nachkriegsmoderne zu verstehen, ist auch ein Blick in die Geschichte notwendig. Die Schweiz wurde bekanntlich vom Kriegsgeschehen des Zweiten Weltkriegs verschont und konnte direkt nach dessen Ende eine florierende Wirtschaft aufbauen. Richtet man den Blick auf den Kanton Zug, manifestiert sich dies im enormen Bevölkerungszuwachs in den 1950er- und 60er-Jahren. «Damals boomte auch die Bauwirtschaft. Zug trumpfte mit See, Bergen und Steuererleichterungen», erklärt der Kunsthistoriker weiter. In den 1970ern führte die weltweite Ölkrise zu einer Rezension. Autofahren und Heizen wurden teurer, die Gebäudedämmung wichtiger. Michael Hanak sagt: «Der Kanton wandelte sich vom bäuerlichen zum urbanen – und verlangte nach fähigen Architekten.»

Der Architekturhistoriker nennt einige bedeutende Bauten der Zuger Nachkriegsmoderne: Als eigentlichen Auftakt in die Moderne bezeichnet er etwa den Hauptsitz der Zuger Kantonalbank an der Bahnhofstrasse in der Stadt Zug. Das Gebäude wurde von Leo Hafner und Alfons Wiederkehr von 1955 bis 1958 gebaut. Ebenfalls Eingang in die Präsentation Hanaks finden die Terrassenhäuser (1957-1960) von Fritz Stucky und Rudolf Meuli am Terrassenweg in Zug. Ein nationaler Pionierbau: Es sind die ersten Terrassenhäuser in der Schweiz. Ebenfalls landesweite Bekanntheit erlangte die Kirche Bruder Klaus in Oberwil (1953-1956), erstellt von Hanns A. Brütsch und Alois Stadler. «Die Fresken lösten einen heftigen Disput aus», erinnert Michael Hanak. Auch der Bau sei seiner Zeit voraus gewesen.

Vorfabrizierter Wohnungsbau

Und es wurde in die Höhe gebaut: Das erste Hochhaus trägt die Adresse Baarerstrasse 122. «Sieht man sich diese Schlüsselbauten an, wird die Aufgabe, rasch und viele Wohnungen zu bauen, deutlich», sagt der Architekturhistoriker weiter. Daher entwickelten sich neue Bauformen, Gebäudetypen und darunter der vorfabrizierte Wohnungsbau: Geradezu ein Paradebeispiel liefern die gerasterten Sichtbetonbauten an der Rigistrasse in Inwil. Das 1962 entwickelte System der vorfabrizierten Betonplatten ermöglichte der Firma Peikert einen schnellen Bauablauf. «In naher Zukunft wird es weitere Sanierungen geben. Inzwischen werden daher Neubauten in Erwägung gezogen», weiss Hanak. Auch aufgrund der anstehenden Renovationen rücken die Bauten der Nachkriegsepoche in den Fokus. «Wir müssen aufpassen, dass die Bauten nicht einfach verschwinden. Denn dann ist es zu spät», sagt der Architekturhistoriker.

Toparchitekten leisteten Toparbeit

Wie Michael Hanak nach dem Referat im Gespräch ausführt, sind der enorme Bevölkerungszuwachs sowie die Monografien über die Zuger Architekten Besonderheiten des Kantons. «Während der Nachkriegszeit wurde wahnsinnig viel gebaut, das ist schweizweit einzigartig», sagt er und fügt hinzu: «Zudem ist es aussergewöhnlich, dass so viele Bücher über Zuger Architekten existieren.» Er fasst zusammen: «In Zug leisteten Toparchitekten eine Toparbeit. Das möchten wir in diesem Buch aufzeigen.»

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