notifications
Luzern

Wie die Pandemie das Trauern um Verstorbene in Kanton Luzern beeinflusst

Das Coronavirus wirkt sich derzeit auf fast jeden Lebensbereich aus – auch aufs Sterben. Bestattungen finden im Kanton Luzern oft im kleinsten Kreis statt, obwohl 50 Personen eigentlich erlaubt wären.
Rita Jung beim Friedhof Friedental in der Stadt Luzern. (Bild: Nadia Schärli (21. Februar 2021))

Roseline Troxler

Eine bis auf den letzten Platz gefüllte Pfarrkirche, in welcher das halbe Dorf zusammenkommt, um von einem Verstorbenen Abschied zu nehmen: Das ist in der Pandemie nicht denkbar. Dürfen sich im Privaten und in der Öffentlichkeit bis mindestens Ende Monat nur fünf Personen treffen, gibt es bei Beerdigungen wie auch bei anderen Gottesdiensten immerhin eine Ausnahmeregelung, die 50 Personen gestattet. Wie eine Umfrage zeigt, hat die Pandemie dennoch einen grossen Einfluss auf das Abschiednehmen.

Pandemie verstärkt Tendenz zum Abschied im engsten Familienkreis

Rita Jung aus Ruswil ist konfessionsunabhängige Ritualbegleiterin.

Sie erlebt, dass Ritualbegleiterinnen und Ritualbegleiter derzeit weniger beansprucht werden und beobachtet, wie sich Angehörige von den Sterbenden oft nicht verabschieden können. Dabei ist Rita Jung überzeugt:

«Die bewusste, gemeinsame Würdigung der verstorbenen Person zeigt den Respekt vor ihrem Leben und unterstützt die Angehörigen beim Verarbeiten des Abschieds.»

Sie motiviert Angehörige, in dieser herausfordernden Zeit nicht alleine zu bleiben. «Auch ein kleiner Rahmen kann festlich gestaltet werden.» Rückmeldungen würden belegen, «dass das gemeinsame Vorbereiten der Abschiedsfeier mit einer Fachperson stärkend und heilsam wirkt». Das schaffe Raum für den eigenen Trauerprozess. Auch Maria Hess, Trauerbegleiterin aus Gelfingen, beobachtet, «dass sich Abschiede im engsten Familienkreis mehren». Eine Tendenz dazu sah sie bereits vor der Coronakrise. «Mit der Pandemie wird diese Entwicklung aber noch verstärkt.» Vielen Menschen bereite das Abschiednehmen Angst. «Man will es hinter sich bringen, damit man sich nicht länger in seiner Verletzlichkeit zeigen muss.» Dabei könne das Teilen mit einer Gemeinschaft sehr unterstützend sein.

Dass sich viele Angehörige im engsten Kreis vom Verstorbenen verabschieden, stellt auch Nicole Waldispühl von der Friedhofverwaltung Friedental in Luzern fest. Sie führt dies teils auf Angst vor Ansteckungen, andererseits auf fehlende Informationen der Angehörigen zurück.

«Die engsten Familienmitglieder schreiben aktiv an, wen sie bei der Bestattung dabei haben möchten. Längst nicht alle schöpfen da die Möglichkeit von 50 Personen aus.»

Nicole Waldispühl beobachtet ausserdem, dass häufiger auf den Trauergottesdienst in einer Kirche verzichtet wird. «Oftmals findet dieser sogleich in der Abdankungshalle statt.» Dadurch müsste sich die Trauergesellschaft für die Bestattung nicht verschieben und keine Autos oder den öffentlichen Verkehr nutzen, was wohl der Grund sei, dass dies derzeit häufiger so gehandhabt werde.

Bedürfnis, in Gemeinschaft Abschied zu nehmen, ist weiter vorhanden

Roland Häfliger ist Pfarrer des Pastoralraums Baldeggersee. Er ist überzeugt, dass vielen Gläubigen auf dem Land eine Bestattung mit einem Gottesdienst nach wie vor sehr wichtig ist. Aber auch Häfliger stellt vermehrt fest, dass Angehörige Feiern nur am Grab oder im Familienkreis durchführen. Dennoch betont er: «Abschiedsgottesdienste sind weiterhin stark gefragt.» Das Bedürfnis, in einer Gemeinschaft von einer verstorbenen Person Abschied zu nehmen, sei weiterhin vorhanden. «Gerade in der Zeit von Corona, wo Abschiedsfeiern nur im Familien- und engeren Freundeskreis möglich sind, spüre ich, dass dies den Menschen fehlt.» Denn Roland Häfliger ist der Ansicht, dass auch jene, welche einen Verstorbenen nicht näher gekannt haben, als Nachbar oder in einem Verein, das Recht und das Bedürfnis hätten, Abschied zu nehmen.

Vor einem Jahr wurden mehr Urnen eingelagert

Dieses Bedürfnis, eine Bestattung dennoch in einem grösseren Kreis durchzuführen, hat wohl zur Folge, dass Bestatter derzeit etwas mehr Urnen einlagern. Diese Entwicklung bestätigt Bestatter Viktor Jurt vom Bestattungsdienst Seetal.

«Wir bewahren derzeit mehr Urnen auf, weil Beisetzungen auf später verschoben werden.»

Jürg Glanzmann, stellvertretender Geschäftsleiter der Egli Bestattungen AG, sagt ebenfalls, dass das Unternehmen mehrere Urnen einlagert, ein Service, der kostenlos angeboten werde. «Während des ersten Lockdowns waren es aber noch deutlich mehr Urnen.» Es werde sehr unterschiedlich mit der Pandemie und den damit verbundenen Bestimmungen umgegangen. «Viele wollen eine zeitnahe Bestattung, andere warten lieber zu.»

Obwohl Viktor Jurt Verständnis für die Verschiebung einer Bestattung hat, erachtet er dies auch als Belastung für Angehörige, da der Abschiedsprozess verzögert werde. Er erlebt momentan auch vielfach, dass Familien im engsten Kreis einen Angehörigen beisetzen, aus Angst entscheiden zu müssen, wen sie einladen.

Klara Rothen von der Friedhofverwaltung der Stadt Sursee stellte bereits vor der Pandemie fest, dass mehr Urnen nach Hause genommen werden. «Die Angehörigen warten einige Wochen, bis sie die Asche der Verstorbenen an einem schönen Ort der Natur übergeben, oder sie behalten sie zu Hause.» Die Menschen seien gegenüber dem Friedhof als Ort und gegenüber einer traditionellen, kirchlichen Begleitung kritischer geworden. Die Abschiedsform sei aber stark vom Wunsch des Verstorbenen abhängig. Auch Klara Rothen stellt eine Tendenz zum Abschied im engsten Kreis, teils gleich vor Ort in der Abdankungshalle fest, sagt aber:

«Die Mehrheit wünscht sich nach wie vor eine Bestattung mit einem kirchlichen Ritual.»

Kommentare (0)