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Zug

Wie der Kanton Zug zum Eisenbahnknoten wurde

Aus der Zuger Bahngeschichte: Die Berggemeinden kommen doch noch zur Eisenbahn.
Das Bild zeigt die Ausweichstelle Nidfurren vor der Abzweigung nach Edlibach-Menzingen. Der 40 Jahre alte «Elefant»-Triebwagen trifft auf den nagelneuen sogenannten «Autobus-Zug». Die Gleise sind noch mitten in der Strasse. Das Foto veranschaulicht die fehlende Investitionstätigkeit der E.S.Z. Die Linie Zug-Menzingen wurde 1953 als Erstes umgestellt, wobei zur Enttäuschung der Menzinger nur fünf direkte Kurse Zug-Menzingen verkehrten – für die restlichen Kurse musste in Nidfurren von der Bahn auf den Bus umgestiegen werden. (Bild: Fotoarchiv Denkmalpflege Zug)
So könnte es heute auf der Strasse vom Lorzentobel her Richtung Ägeri/Menzingen aussehen. Die Trogenerbahn (St. Gallen-Speicher-Trogen) weist viele Ähnlichkeiten mit der damaligen E.S.Z. auf. 1949 wurde der Weiterbetrieb beschlossen und kontinuierlich in neues Rollmaterial und eine durchgehende Eigentrasse investiert. Und seit 2018 ist die Trogenerbahn in St. Gallen Richtung Appenzell durchgebunden. Niemand in den Kantonen St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden denkt heute an eine Umstellung auf Autobusbetrieb. (Bild: Wikicommons)
Diese Ansichtskarte aus einer ganzen Serie, welche die Zuger Strassenbahnen zum Thema hat, ist mit «ungefähr 1915» datiert. Sie zeigt exemplarisch zwei Dinge: Die Bedeutung der Lorzentobelbrücke für die Erschliessung der Berggemeinden und gleichzeitig das Nadelöhr, das sie darstellte, sobald der Strassenverkehr zunahm. (Bild aus Sammlung: Hanspeter Sattler, Zug)
Im Abstimmungskampf um die E.S.Z. im Winter 1910 wurde mit harten Bandagen gekämpft, wie diese Karikatur aus einem gegnerischen Plakat zeigt. Moosrank – wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen; die tatsächlich sehr enge Kurve auf dem Kolinplatz; Landammann Knüsel, der den vermeintlich verlorenen Millionen nachtrauert. Am 18. Dezember 1910 sagte dennoch eine Mehrheit von 62% Ja zum Projekt. (Bild: Gemeindearchiv Baar)
Verkaufsprospekt von 1955: Eine Seite aus dem Verkaufsprospekt der ZVB. Der Prospekt ist eine Aufstellung des gesamten Rollmaterials der E.S.Z. Für dieses Rollmaterial wurden insgesamt rund 368'000 Fr. gelöst, während der Kanton den ZVB für Gleisausbau und Instandstellung der Strassen 440'000 Fr. in Rechnung stellte!
Perfekte Anschlüsse: Diese leider undatierte Aufnahme dürfte Ende 30er-/Anfang 40er-Jahre entstanden sein. Sie zeigt zwei Kurse der ZBB und E.S.Z. nebeneinander, welche auf dem Bahnhofvorplatz eine perfekte «Transportkette» – wie es heute im Fachjargon heisst – garantierten. Auffällig: die bereits in ansehnlicher Zahl bereit gestellten – und fast leeren! – Parkplätze für die Autos. (Bild aus Sammlung: Hanspeter Sattler, Zug)
Baar-Zug: Triebwagen CFe 4/4 4 und Personenwagen C4 31 und 34 in der Nähe des Güterbahnhofes Zug auf der Baarerstrasse. Wenig bekannt: Der Betrieb der Linie Baar-Zug wurde von der ZBB im Auftragsverhältnis gewährleistet. Auf der Baarerstrasse wäre eine Eigentrasse bei rechtzeitiger Ausführung recht gut möglich gewesen. Es bestand auch ein nie über das Planungsstadium hinauskommende Projekt für die Umgehung der Zuger Innenstadt und direktem Zugang zum «Berg» ab der Baarerstrasse. Das E.S.Z.-Depot samt Werkstatt befand sich zwischen Zug und Baar. Die Aufnahme stammt vom 17.8.1954. (Bild aus Sammlung: Hanspeter Sattler, Zug)
Quizfrage – wo ist das? Doch, ja – auch die ZBB besassen ein eigenes Depot mit Werkstatt. Und zwar neben dem jetzigen Standort des Altersheims Neustadt – heute Gotthardstrasse 29. Die Aufnahme entstand um 1951. (Bild aus Sammlung: Hanspeter Sattler, Zug)
Das Todesurteil von 1949: Der maschinengeschriebene und mit Durchschlägen in wenigen Exemplaren vervielfältigte Expertenbericht wurde zum Totengräber der E.S.Z. Fairerweise muss aber auch gesagt werden, dass an massgebenden Stellen kaum noch grosser politischer Wille auszumachen war, die E.S.Z. auf eine tragfähige Basis zu stellen. Und der Expertenbericht legt den schlechten Zustand der Infrastruktur schonungslos offen. Das vorliegende Exemplar verdankt der Autor dem ehemaligen ZVB-Chauffeur Guido Nussbaumer, der in humorvollen und mit viel Sachwissen angereicherten Reenactements die Zeit der E.S.Z. wieder aufleben lässt.
Im Zuger Depot Technikgeschichte steht er – der angeblich wegen seiner Farbe liebevoll «Elefant» genannte Triebwagen der E.S.Z. 2022 wird das 125-Jahr-Jubiläum der Linie Thalwil-Zug und der Bahnhöfe Zug, Baar und Walchwil hoffentlich gebührend gefeiert werden. Wer weiss – vielleicht erleben wir auch den Auftritt des «Elefant»? (Bild: www.zdt.ch)
Martin Stuber. (Bild: PD)

Martin Stuber

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Was 1864 mit dem Anschluss von Zug ans Eisenbahnnetz schon auffiel, war 1897 mit dem Entstehen des Verkehrsknotenpunktes Zug und dem Bahnanschluss von Baar nicht mehr zu übersehen: Die Berggemeinden hatten den Anschluss ans Eisenbahnzeitalter verpasst.

Das wäre vermeidbar gewesen. Es dauerte weitere 16 Jahre, bis die Bahn Menzingen und die beiden Ägeri erreichte.

Auf dem Silbertablett

Es war schon immer so – vieles im Kanton Zug kam von aussen – auch das Projekt für die Bahnerschliessung der Berggemeinden ohne Neuheim. Im Juli 1894 – also just zu der Zeit, wo die Linienführung Thalwil-Zug-Goldau endgültig klar war – erfuhr die Zuger Bevölkerung aus ihren Zeitungen, dass ein gewisser Herr Du Riche Preller ein Projekt für ein umfassendes Strassenbahnnetz präsentierte. Er war nicht der Erste mit solchen Plänen, aber sein Projekt war umfassend und zu Ende gedacht. Das gleichzeitig eingereichte Konzessionsgesuch wurde von der Bundesversammlung am 23. Dezember 1896 bewilligt. Die bewilligte Konzession berücksichtigte die in Zug erörterten Bedenken und Änderungsvorschläge und umfasste schliesslich drei Linien:

  • Zug–Baar (Ziegelbrücke resp. Spinnerei a. d. Lorze),
  • Zug–Cham,
  • Zug–Oberägeri (eventuell mit Abzweigungen von Baar nach Moosrank und von Moosrank nach Menzingen).

Sechs Monate nach Plangenehmigung mussten gemäss Konzession die Bauarbeiten gestartet werden und «binnen 18 Monaten, vom Beginn der Bauarbeiten an gerechnet, sind die genannten drei Stammlinien zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben».

In seiner Botschaft erläutert der Bundesrat die Begründung der Konzessionäre: «Für das zweckmässigste Tracé behufs Verbindung der Thal und Berggemeinden biete sich eine Alternative: entweder von Zug über Baar, Hinterburg und Edlibach (Menzingen) nach Ägeri und Sattel, oder von Zug über Allenwinden direkt nach Ägeri und Sattel, mit Abzweigungen nach Baar und eventuell nach Menzingen. In Anbetracht, dass die kantonalen Interessen der verschiedenen Gemeinden sich in Zug konzentrieren, und dass die Kantonshauptstadt ausserdem nach Eröffnung der Gotthardzufahrtslinie Zürich-Thalweil-Zug-Goldau erheblich an Wichtigkeit als Verkehrsknotenpunkt gewinnen werde, sei die direkte Verbindung zwischen Zug und Ägeri resp. Sattel über Allenwinden, mit Abzweigungen nach Baar, nach Cham und eventuell nach Menzingen, unter allen Umständen geboten und deshalb, trotz der grösseren kilometrischen Betriebslänge des Ganzen, als Prinzip festzuhalten.»

Hätte der Kanton, dessen Konzession Voraussetzung für die Bundeskonzession war, vorwärts gemacht und der Bund schon wie geplant 1895 die Konzession erteilen können, hätte die Bahn noch vor Ende 1899 in Betrieb gehen können. Aber Nein, dazwischen lag «ein längeres Hin und Her mit zahlreichen Modifikationen des Konzessionsentwurfes», wie Buchautor Ignaz Civelli schreibt. Die kantonale Eisenbahnkommission hatte ausgerechnet einen Gegner des Preller-Projektes mit der Ausformulierung der Kantonskonzession beauftragt – Ingenieur Josef Spillmann verfolgte nämlich selber ein Bahnprojekt. Das hatte bei weitem nicht die Qualität des Preller-Projektes und konkurrenzierte es! Wüste Auseinandersetzungen wurden auch über die Presse geführt. Spillmann spielte auf den Mann und mobilisierte auch Ressentiments gegen den «Fremden» namens Charles Scheibner Du Riche Preller.

Nachdem schliesslich die kantonale Konzession am 16. Juli 1896 vom Kantonsrat erteilt wurde und der Bundesrat zügig folgte, gründete sich ein Förderungskomitee, das Rang und Namen hatte: diverse Gemeinde-, Regierungs- und Kantonsräte; der Direktor der Spinnerei an der Lorze, Baar; der Direktor der Metallwarenfabrik Zug, Zug; der Direktor der Spinnerei Unterägeri, Unterägeri; ein Direktionsmitglied der Papierfabrik Cham; der Verwaltungsratspräsident der Anglo-Swiss Condensed Milk Co., – you name it! Die Frage bleibt historisch noch abschliessend zu klären, weshalb dieses Projekt dann doch nicht realisiert wurde.

Der Scherbenhaufen ist angerichtet

Oder machte sich nun bemerkbar, dass der Kanton Zug politisch mehrheitlich katholisch-konservativ tickte? Denn Menzingen legte sich quer, und das leider mit Erfolg. Es hatte Angst, mit dem Bahnbau abgehängt zu werden. Dabei berücksichtigte die Bundeskonzession Menzingen explizit: «Wenn die neuen Strassenanlagen Baar-Moosrank, Moosrank-Schönbrunn-Ägeri mit Abzweigung gegen Menzingen in einer Breite von 5 1/2 Meter mit günstigen Steigungsverhältnissen ausgeführt werden, so ist der Konzessionär verpflichtet, die Strassenbahn Moosrank-Allenwinden-Ägeri ohne Entschädigung auf die neue Strasse zu verlegen und die Abzweigungen Baar-Moosrank und Moosrank-Menzingen längstens ein Jahr später zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.»

Die Menzinger wollten zuerst die Lorzentobelbrücke auf sicher haben, und eine Allianz aller Gegner verzögerte das Projekt Preller immer wieder, bis sich dessen Partner – darunter die BBC – zurückzogen. Während also rundherum sogenannte Sekundärbahnen und Trams in Betrieb gingen (z.B. Strassenbahn Schwyz-Seewen 1900, Trambahn Luzern 1899), stand Zug vor einem Scherbenhaufen und Richtung Berg verkehrten weiterhin Postkutschen!

Orion als Notlösung

Die Enthusiasten des Orion-Clubs, welche mit grossem Engagement den letzten verbliebenen Bus zu einem Bijou restauriert haben und mit viel Liebe das fahrtüchtige Fahrzeug unterhalten, mögen es dem Schreibenden verzeihen – aber der Orion war vor allem eine Notlösung und weniger die «Pioniertat», welche die 100-Jahr-Festschrift der ZVB mit ihrem Titel «Es begann mit einer Pioniertat» suggeriert. Ausgerechnet die Menzinger wollten sich nicht mehr mit der Postkutsche zufrieden geben und ergriffen die Initiative. Ab 1904 rollten die Orion-Busse über Baar-Neuheim Hinterburg-Edlibach nach Menzingen und über Allenwinden ins Ägerital. So richtig glücklich waren wenige – in der Festschrift zum 100-Jahr-Jubiläum der Zuger Kantonalbank heisst es nüchtern: «Die Busse waren weder wintertauglich noch für Bergfahrten sonderlich geeignet.» Die Befürchtung der Ägerer, dass sich nun der Bau einer Strassenbahn verzögern würde, bestätigte sich nur bedingt – zu schnell wurden die Schwächen des Orion offensichtlich.

Über diese Brücke müsst ihr gehen

Zuerst aber wurde die Lorzentobelbrücke gebaut. Am 28. Dezember 1905 nahm der Souverän das Projekt nach einem kurzen aber intensiven Abstimmungskampf mit 65 Prozent Ja-Stimmen an. Die «Kollaudation» – so werden die technischen Inbetriebnahme-Tests genannt – erfolgte genau fünf Jahre später, am 21. Dezember 1910. Im letzten Moment vor dem Beginn des eigentlichen Brückenbaus hatte der Regierungsrat Anfang 1907 noch eine Verbreiterung von 6,1 auf 7,1 Meter beschlossen und vom Kantonsrat absegnen lassen! Begründung: Der Verkehr nehme immer grössere Ausmasse an. Man behalf sich beim Bau dann einfach mit der Verbreiterung der Fahrbahn und beidseitigen Überkragungen. Gespart wurde auch beim Strassenbau der Zufahrtswege zur Brücke, worunter dann die spätere Strassenbahn litt.

Knapp die Kurve gekriegt

Ein Jahr nach der Lorzentobelabstimmung formierte sich ein Initiativkomitee, das auf der Basis eines vom Kantonsingenieur Müller ausgearbeiteten Bahnprojektes aktiv wurde. Das sich stark an das Preller-Projekt anlehnende Vorhaben verzichtete auf Zug-Cham, sah neu eine Linie Baar-Moosrank vor und führte über die neu zu erstellende Lorzentobelbrücke. Am 24. September 1908 erteilte der Kantonsrat bereits die Konzession, deren Text weitgehend mit der Preller-Konzession von 1896 übereinstimmte! Im Dezember 1908 genehmigten die beiden Räte in Bern die Bundeskonzession, doch dann verzögerte die Frage der Finanzierung die Sache wieder. Erst am 20. Oktober 1910 gelang im Kantonsrat die Verabschiedung der Vorlage. Für den Bau der Strassenbahn Zug–Nidfurren–Oberägeri, Nidfurren–Menzingen und Zug–Baar–Thalacker übernahm der Kanton Zug die Hälfte des Obligationenkapitals von 1,2 Millionen und 300'000 Franken des mit 700'000 Franken dotierten Aktienkapitals. Damals war der Kanton Zug noch arm, sodass die 900'000 Franken des Kantons auf dem Anleihenweg aufgebracht werden mussten.

Die Volksabstimmung war auf den 18. Dezember 1910 angesetzt und bei ähnlicher Ausgangslage wie fünf Jahre vorher polarisierte der Abstimmungskampf noch mehr. Gegen die Bahn war im Grundsatz – mindestens nach aussen – fast niemand. Einer der Hauptkritikpunkte war die Linie Baar-Moosrank, im Volksmund bald als «Blinddarm» tituliert und als unnötig betrachtet. Schliesslich obsiegten die Befürworter mit 62 Prozent Ja-Stimmen. Mitentscheidend für den Ausgang dürfte die Haltung der Presse gewesen sein. Civelli fasst es so zusammen: «Die beiden Zuger Zeitungen, das ‹Volksblatt› und die ‹Zuger Nachrichten› hatten sich die ganze Zeit engagiert für eine Bahnverbindung ausgesprochen und die Gegeneinsendungen oft gekürzt oder mit einer Entgegnung versehen. Dies trug dem Organ des Freisinns, dessen Partei der Bahn eher indifferent gegenüberstand, auch die als Rüge gemeinte Frage ein, ob eigentlich nur Pro-Bahn-Artikel veröffentlicht würden.» Im Gegensatz zur Lorzentobelbrücke, wo die Stadt Zug einen fast matchentscheidend grossen Ja-Überschuss lieferte, lehnte sie nun die Bahn mit über 60 Prozent Nein ab. Nur die extrem hohe Stimmbeteiligung in Menzingen und den beiden Ägeri (zwischen 95 und 97 Prozent) mit Ja-Anteilen von 96 bis 98,5 Prozent (!) rettete die Vorlage.

«Extrem billig erstellt» ...

Damit war der Bau aber noch nicht gesichert, denn es bereitete grosse Mühe, das vom Initiativkomitee privat zu platzierende Obligationenkapital von 600'000 Franken aufzutreiben, während das Aktienkapital von 400'000 Franken von den Berggemeinden (ohne Neuheim), Baar und Zug gezeichnet worden war. In Menzingen garantierte das Kloster eine Amortisation von jährlich 3000 Franken für die von Menzingen zu zeichnenden 100'000 Franken! Schliesslich zeichneten die gleichen Gemeinden auch noch fast zwei Drittel der Obligationen, den Rest übernahmen die Zuger Kantonalbank und die «Bank in Zug». Anfang 1912 starteten die Bauvorbereitungen für die 23,5 Kilometer lange Bahnstrecke, welche angesichts der knappen Mittel durchgehend in der bestehenden Strasse eingelegt wurde, was sich als fataler «strategischer» Fehler erweisen sollte. Noch fataler: «Die ESZ wurde extrem billig erstellt», wie es Civelli formuliert. An allem war gespart worden, bis zur Anzahl Fahrleitungsmasten, sodass der Stromabnehmer immer wieder den Kontakt verlor. Kein Wunder, dass der Bahnkilometer in doch meist eher schwierigem Gelände nur 82'500 Franken kostete, während der Durchschnitt anderer Sekundärbahnen bei 186'000 Franken lag.

So war es symptomatisch, dass am 1. September 1913 bei der Kollaudationsfahrt mit den eidgenössischen Inspektoren, die als Einweihungsfest gefeiert wurde, die Bahn dreimal entgleiste und es nicht mal bis Oberägeri schaffte – die Herrschaften mussten auf den Orion-Bus umsteigen! Offenbar war aber das Festmahl so gut, dass die technische Abnahme einige Tage später von Bern erteilt wurde ... Geknausert wurde aber nicht nur beim Bau, sondern auch beim Betrieb und den Investitionen. Der Unterhalt wurde tendenziell vernachlässigt, das Rollmaterial wurde nie erneuert und die Löhne waren eher im unteren Bereich. Wegen der für die Steilheit der Strecke und der grossen Anhängelasten eher untermotorisierten Triebwagen und der schlechten Bahntrasse war die Durchschnittsgeschwindigkeit so tief, dass die Fahrten lange dauerten. Von Zug nach Unterägeri waren es 45 Minuten. 1948, nach der Sanierung der Strassenverhältnisse in den 40er-Jahren dauerte es immer noch zwischen 38 und 45 Minuten. Das war zum Automobil nicht mehr konkurrenzfähig.

... aber immer mit Gewinn

Der sparsame Betrieb bescherte der ESZ aber schöne Überschüsse. Nur gerade 1952 resultierte ein Betriebsverlust. So kamen von 1913 bis 1955 insgesamt 3,7 Millionen Gewinn vor Abschreibungen zusammen. Immerhin wurde auf eine Aktiendividende verzichtet, aber das Obligationenkapital wurde brav verzinst. Es ist ein böser Hintertreppenwitz der Geschichte, dass Zug nie in den Genuss von Geldern aus den beiden Arbeitsbeschaffungsfonds des Bundes in den 30er-Jahren kam, weil die Finanzlage der ESZ zu gut war. Den Zustand der Bahn berücksichtigte der Bund nicht. Trotz allem war die Bahn beliebt, sie erschloss den Berg während aller Jahreszeiten im Ganzen eben doch zuverlässig (obwohl es im Schnitt zu zwei bis drei Entgleisungen pro Jahr kam). Der ungeliebte «Blinddarm» Baar-Thalacker machte aus Baar während all dieser Jahre den Güterbahnhof für die Berggemeinden. Und der Industrie im Tal erschloss sich ein wichtiges Arbeitskräftereservoir. Es verwundert nicht, dass ohne eigene Trasse, immer stärker aufkommendem Strassenverkehr und immer offensichtlicher werdendem Investitionsstau die Frage nach der Zukunft der Bahn Ende 40er-Jahre in den Mittelpunkt rückte. Zwei Gutachten von Bahndirektor Kühne und Kantonsingenieur Hilfiker kamen zu gegenteiligen Schlüssen. So wurde ein neutraler Expertenbericht bestellt, der im November 1949 dem Verwaltungsrat der ESZ vorlag. Der 64-seitige Bericht untersuchte gemäss Auftrag die folgenden vier Varianten: Beibehaltung Bahn (ohne Eigentrasse), Gemischter Betrieb mit Beibehaltung Bahnlinie Kolinplatz-Oberägeri, Trolleybus und Autobus. Der auffällig betriebswirtschaftslastige Bericht kam zum Schluss, dass die Umstellung auf den Autobus die beste Lösung sei.

... mit falschen Annahmen

Diese Schlussfolgerung war keine Überraschung, weil ja bei der Variante «Beibehaltung Bahnbetrieb» die jahrzehntelang vernachlässigten Investitionen nachgeholt werden mussten. Zudem wären die notwendigen Strassenausbauten bei Weiterverbleib des Gleises in der Strasse vollumfänglich der Bahn belastet worden. Bei der Lektüre des Berichtes drängt sich allenthalben der Eindruck auf, dass das Ergebnis schon zum Vorneherein feststand. Zwar macht der Bericht diverse Vorschläge für mögliche Verbesserungen bei einer Beibehaltung der Bahn, verzichtet aber darauf, diese zu rechnen. Die Annahme, dass nur 8,5 von 23,5 Kilometern als Eigentrasse möglich seien, ist schwer nachvollziehbar. Es wurde auch darauf verzichtet, mit verschiedenen Szenarien zu arbeiten. Bei der Beurteilung der Autobuslösung fallen vier folgenschwere Versäumnisse respektive Fehlannahmen auf: Die Steigungsverhältnisse und der Kapazitätsbedarf machten eine Neukonstruktion für den Autobus nötig! Auf die Neukonstruktion war man zwar stolz, aber die Busse waren teurer als im Expertenbericht angenommen. Im offiziellen Organ des Verbandes Schweizerischer Transportanstalten vom Oktober 1953 war man des Lobes voll und sprach von «Autobus-Zügen».

Die angenommene Fahrzeitverkürzung dank Busbetrieb wäre bei entsprechendem Rollmaterial und nur schon teilweiser Eigentrassierung auch bei der Bahn möglich gewesen. Die Fahrzeit spielte eine wichtige Rolle bei der Vermarktung der Buslösung.

Während der Strassenausbau der Bahn vollumfänglich belastet wurde, fehlte dieser Teil bei der Vergleichsrechnung beim Bus. Dabei war klar, dass für einen 2,5 Meter breiten Bus einige Strassenstücke massiv ausgebaut werden mussten. So kam es denn auch. Civelli schreibt: «Für die Strecke Zug–Oberägeri verlangte Bern vorab den Ausbau der Strasse, vor allem für den Abschnitt Moosrank–Allenwinden–Neuägeri. Zwar wäre es betriebstechnisch durchaus möglich gewesen, alle Buskurse via Tobelbrücke nach Ägeri zu führen. Schon Ende 1951 war man jedoch zur Überzeugung gelangt, mit der Einführung des Busbetriebes nach Ägeri (1955) sei Allenwinden wieder ans öffentliche Verkehrsnetz anzuschliessen.» Der Strassenausbau Moosrank-Allenwinden-Neuägeri kostete dann 780'000 Franken! Schliesslich berücksichtigte der Expertenbericht die bahnfremden Belastungen nicht und die entsprechende Gesetzesänderung kam zu spät. Wir zitieren nochmals Civelli: «Im Interesse der Unfallverhütung hatte sich die Bahnverwaltung in den Nachkriegsjahren genötigt gesehen, Investitionen für den Strassenunterhalt zu tätigen, die zum überwiegenden Teil dem Automobilverkehr zugutegekommen waren. (...) Dieser neue Kantonsratsbeschluss kam noch rechtzeitig, um den Finanzierungsplan für die Reorganisation nicht zu gefährden. Wäre er Jahre früher gekommen, hätte er Bestandteil eines Massnahmenpaketes sein können, das den Weiterbestand der Bahn hätte garantieren können.»

Als sich doch noch Opposition zu regen begann und ein Referendum gegen den entsprechenden Kantonsratsbeschluss ergriffen wurde, redete dies der ESZ-Verwaltungsrat den Initianten mit Nachdruck aus. Man hatte Angst vor einer Volksabstimmung. Zu guter Letzt waren die Umstellungskosten – ohne Strassenbau – erheblich höher als veranschlagt und erreichten die Höhe der vom Expertenbericht errechneten Investitionen für die Bahn!

Ein Fehlentscheid?

Im Nachhinein ist man immer gescheiter, aber es gibt ein schönes Beispiel, wie es vielleicht auch anders gegangen wäre – die Trogener Bahn. Exakt zur gleichen Zeit wie in Zug wurde dort eine Umstellung auf Busbetrieb untersucht. Aber der Ansatz war ein anderer – im Vordergrund stand die Suche nach finanziellen und technischen Lösungen für einen Weiterbetrieb. 1949 wurde dieser beschlossen und kontinuierlich investiert – und dafür auch Bundesgelder abgerufen! Und so steht nun männiglich auf der Steren ob Zug, schaut nachdenklich hinüber zur offenen Wunde der Tangenten-Baustelle, welche die grüne Lunge zwischen Zug- und Baar zerschneidet und fragt sich, was wohl wäre, wenn eine Eigentrasse durch diesen Teil von Baar-Zug zum «Berg» hinaufführen würde? Und kratzt sich am Kopf – was, wenn 1899 das Preller-Projekt seinen Betrieb aufgenommen hätte? Irgendwann um 2035 wird Zug wieder so einen Moment erleben, wenn der Zimmerberg Basistunnel II in Betrieb geht und aus dem Bahnhof Zug einen Megahub machen wird. Ob die Verantwortlichen dereinst mehr daraus machen als Ende der 1890er-Jahre?

Weiteres Material aus den Recherchen

Teil 3_Bonus_Download ESZ Verkaufsprospekt_Gemeindearchiv Baar_S1-38.10_Sammlung Josef Wyss.pdf

Teil 3_Bonus_Download zu Bild 1_ESZ Verkaufsprospekt_Gemeindearchiv Baar_S1-38.10_Sammlung Josef Wyss.pdf

Teil 3_Bonus_Download zu Bild 7_Expertenbericht über die Verkehrsverbindungen der Elektrischen Strassenbahnen.pdf

Zur Person: Der Autor Martin Stuber ist frühpensioniert und forscht zur Geschichte der Eisenbahn im Kanton Zug. Er arbeitet an einem Buchprojekt zum Thema. Martin Stuber lebt in Zug und war viele Jahre als Verkehrspolitiker im Grossen Gemeinderat der Stadt Zug und im Kantonsrat tätig.
Ausgewählte Quellen: Schweizer Bahnen, 1844–2024, Hans-Peter Bärtschi, 2019, Zürich; Ein Jahrhundert Schweizer Bahnen, Band I, René Thiessing, 1947, Frauenfeld; Primärquellen im Staatsarchiv Zug; Stadtarchiv Zug; Fotoarchiv Denkmalpflege Zug; Gemeindearchiv Baar, Bundesarchiv, Archiv SBB Historic; ETH Bildarchiv; www.e-newspaperarchives.ch

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