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Luzerner Spielleute

Wer an Weihnachten fehlt, wird enterbt: Heinrich Bölls Satire ist ein Heidenspass

Was wäre, wenn Weihnachten ewig dauern würde? Die Familienidylle würde jedenfalls nicht lange währen, wie das neue Stück der Luzerner Spielleute zeigt.
An Weihnachten muss einfach alles stimmen - so will es Grossmutter.
Bild: Bild zvg

Das Publikum ist sofort in Weihnachtsstimmung: Der prächtig geschmückte Tannenbaum, die funkelnden Lichter, Krippe und Geschenke sind parat, die Familie kann kommen. Die Grosseltern laden wie jedes Jahr ihre drei erwachsenen Kinder und zwei Enkeltöchter an Heiligabend zum Fest ein, traditionell ist auch der Pfarrer zu Gast. Traditionen sind bei Grossmutter Milla heilig: erst wird Flöte gespielt, dann gesungen, die Weihnachtsgeschichte vorgelesen und eine Runde Lotto gespielt. Wer gewinnt, darf das erste Geschenk auspacken.

Nach der Bescherung warten Schweinsbraten und Weihnachtsgebäck. Auch wie jedes Jahr finden sich die Töchter Mitte Januar bei Milla ein, um den Christbaum abzuschmücken und zu entsorgen. Da geschieht Seltsames: Einer Hysterie gleich beginnt Milla zu schreien, der Baum möge stehen bleiben. Und sie hört nicht auf zu schreien! Drei Ärzte – ein Neurologe, ein Psychologe und eine Naturheilerin – wissen keinen Rat. Verzweifelt lässt die Familie der schreienden Mutter ihren Willen, der Tannenbaum wird wieder geschmückt, es wird nochmals Weihnachten gefeiert.

Erstmals führt mit Annette Windlin eine Frau Regie

Mit ihrer neuen Produktion «Nicht nur zur Weihnachtszeit» adaptieren die Luzerner Spielleute Heinrich Bölls erste Satire. Den Text hat Annette Windlin für die Spielleute überarbeitet, sie arbeitet als professionelle Schauspielerin und Regisseurin. Mit ihr haben die Spielleute übrigens erstmals eine Frau für die Regiearbeit engagiert.

Die «Tannenbaumtherapie» verlangt dem Ensemble einiges ab: Weil Milla sich nicht von ihrem Weihnachtsbaum trennen kann, wird in den folgenden Monaten jeden Abend Weihnachten gefeiert. Immer mit dem gleichen Ablauf, quasi Familienidylle in grotesker Endlosschlaufe. «Wer fehlt, wird enterbt!», droht der Grossvater. Wie es dem Ensemble gelingt, zunehmend ratlos, genervt und aufmüpfiger zu agieren, ist ganz grosses Theater. Und einfach ein Heidenspass. Weihnachtsmuffel erkennen, wie viel Glück sie haben, dass in der Realität das Fest der Liebe nur einmal im Jahr stattfindet. Weihnachtsfans hingegen erfreuen sich über all den Glanz und Kitsch im XXL-Format. Annette Windlin blickte nach der Hauptprobe auf eine intensive Zeit zurück: «Wir probten seit Mitte August jede Woche vier bis fünf Mal. Timing und Präzision verlangen bei diesem Stück sehr viel Engagement der Spielenden. Ich habe sehr gerne mit ihnen zusammengearbeitet.» Dem Publikum wird pures, schräges Theatervergnügen auf hohem Niveau gezeigt.

Aufführungen bis 11. November. Theater Pavillon Luzern. Tickets unter www.spielleute.ch .

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