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Luzern

Wegen der Krankheit Moderhinke muss bald jedes Schaf baden gehen

Eine schweizweite Untersuchung hat ergeben, dass ein Sechstel der Schafe Träger der Krankheit Moderhinke ist, welche die Klauen befällt. Das bedeutet auch für die Luzerner Schafhalter viel Arbeit.
Bevor es auf die Alp geht, laufen die Schafe durch ein desinfizierendes Klauenbad. (Bild: Boris Bürgisser, Flüeli-Ranft, 22. Mai 2015)

Susanne Balli

Schweizer Schafhalter müssen sich auf eine enorme Aufgabe gefasst machen. Der Bund startet ab 2020 ein nationales Programm, um die durch Bakterien ausgelöste Krankheit Moderhinke (siehe Infobox unten am Text) zu bekämpfen. Und das ist offenbar bitter nötig. Denn eine schweizweit erstmals zwischen Mai 2017 und Juni 2018 durchgeführte Untersuchung zeigt: Über ein Sechstel der getesteten Schafe war mit dem bakteriellen Erreger infiziert, wie der landwirtschaftliche Informationsdienst Ende Juni mitteilte. In allen Kantonen der Schweiz wurden auf insgesamt 613 Betrieben total 2920 Schafe, Rinder, Ziegen und Neuweltkameldien untersucht. Knapp 17 Prozent der beprobten Schafe wurden positiv auf das virulente Bakterium D. nodosus getestet, wie der Erreger heisst.

Durch die Moderhinke müssen Schafhalter empfindliche wirtschaftliche Einbussen hinnehmen. Gemäss Schätzungen verursacht die Krankheit in der Schweiz jährlich rund 6,6 Millionen Franken an Mindererträgen und Pflegeaufwand.

Auch im Kanton Luzern stark verbreitet

Wie viele Schafe im Kanton Luzern mit der Moderhinke infiziert sind, ist unklar. «Man nimmt aber wahr, dass es eine in vielen Schafbeständen stark verbreitete Krankheit ist», sagt Dieter von Muralt, Lehrer und Berater beim Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung Schüpfheim (BBZN). Schweizweit gibt es gemäss Schätzungen 300 000 bis 450 000 Schafe. Davon leben im Kanton Luzern schätzungsweise 18 000 Schafe. Diese Zahl unterliegt allerdings starken saisonalen Schwankungen und ist ungenau. Dies aus dem einfachen Grund, weil Schafe bisher nicht registriert werden müssen.

Das soll sich im Zuge des nationalen Bekämpfungsprogramms gegen die Moderhinke ändern. «Ab dem 1. Januar 2020 müssen alle Schafe einzeln in einer nationalen Datenbank erfasst werden.» Allein diese Aufgabe ist laut von Muralt sehr aufwendig. Darum sei die eigentliche Moderhinke-Sanierung voraussichtlich erst ab Herbst 2021 denkbar. Die offizielle Verfügung für das Bekämpfungsprogramm wird der Bund erlassen. «Für die Umsetzung im Kanton Luzern werden der Kantonstierarzt und sein Team zuständig sein», sagt von Muralt.

Für die Schafhalter bedeutet dies einen grossen Aufwand. Laut von Muralt läuft die Sanierung einer Herde folgendermassen ab: Die Schafe müssen mit einer sogenannten Tupferprobe getestet werden. Dabei wird von den Klauen ein Abstrich genommen, um den Erreger bakteriologisch nachzuweisen. Danach muss die Herde in kranke und gesunde Tiere unterteilt werden. «Das heisst, jeglicher Kontakt zwischen gesunden und kranken Tieren muss vermieden werden», erklärt von Muralt. Es sind also zwei voneinander getrennte Weiden und/oder Ställe nötig, sowie Mistgabeln und weitere Stallgeräte in doppelter Ausführung. Sogar die Stiefel muss ein betroffener Schafhalter austauschen, wenn er den Stall wechseln will.

Bei infizierten Tieren muss das kranke Horn abgeschnitten, die Klauen müssen geputzt und in einem medizinischen Fussbad desinfiziert werden. «Diese Arbeit machen die Schafhalter in der Regel selber.» Unterstützung erhalten die Schäfer von den Tierärzten und vom Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer. Einzelne Schafe müssen gar geschlachtet werden.

Prozedur dauert sechs bis zwölf Wochen

Nachdem das Desinfektionsbad einige Zeit einwirken konnte, kann die Herde wieder auf eine saubere Weide oder in einen sauberen Stall. Der Stall muss also vorher geputzt und desinfiziert werden. «Auf der Weide überlebt der Moderhinke-Erreger in der Regel maximal drei Wochen, danach ist die Weide wieder sauber.»

Nach dieser Prozedur ist aber noch lange nicht alles getan. Es erfolgen Nachkontrolle mit erneuten Tupferproben. «Das Desinfektionsbad muss bei kranken Tieren jede Woche wiederholt werden, bei gesunden zirka alle 14 Tage. Am Anfang müssen alle Schafe baden, mit der Zeit nur noch die kranken», erklärt von Muralt. Die Sanierung einer Schafherde dauert so zwischen sechs und zwölf Wochen. Aber auch wenn die Sanierung erfolgreich war, sind die Mühen nicht vorbei. «Danach ist jeglicher Kontakt zu kranken Tieren zu vermeiden, wichtig. Jene Schafhalter, die ihre Herden bereits freiwillig saniert haben, gehen dann weder auf die Alp oder nur dorthin, wo es keinen Kontakt zu anderen Schafen gibt; und sie nehmen auch nicht an Schafschauen teil. Zudem sei ein Zukauf von Tieren nur noch aus ebenfalls sanierten Herden unabdingbar, da die Moderhinke sonst rasch wieder eingeschleppt werde.

Kein Einfluss aufs Fleisch

Herden, die nicht saniert sind, werden, sobald das Obligatorium dafür gilt, künftig gesperrt. «Das heisst, ihre Tiere dürfen weder verstellt noch verkauft werden. Jeglicher Tierverkehr ist dann eingeschränkt ausser jener zur Metzgerei», sagt von Muralt. Die Moderhinke habe dabei keine Auswirkung auf die Qualität des Fleisches.

Bisher tragen Schafhalter die Kosten für die Herdensanierung selber. Einige Schafhalter begrüssen die Sanierung, weil es den Schafen danach besser gehe und der Aufwand im permanenten Kampf gegen die Moderhinke abnehmen werde. «Andere glauben nicht, dass eine Sanierung erfolgreich durchgeführt werden kann.» Es sie immer besser, eine schwierige Aufgabe anzugehen, als wegen möglicher Rückfälle schon im Voraus ein Scheitern der Sanierung herbeizureden. «Nichts machen ist in diesem Fall auch ein Scheitern», so von Muralt. Wahrscheinlich werde es aber Betriebsleiter geben, die den Aufwand für die Sanierung scheuen und die Schafhaltung aufgeben werden. Was treibt denn Landwirte trotz aller Mühen noch an, Schafe zu halten? Von Muralt sagt, in der Schweiz gebe es viele Steillagen, wo Schafe die idealen Tiere seien. «Sie gelten als genügsam und verursachen weniger Trittschäden als Kühe.» Daher sei das Schaf je nach Standort das ideale Weidetier, «wenn man es gut macht».

Grösster Schafhalter zweifelt an Erfolg

Davon ist auch Wanderschäfer Ernst Vogel aus Schwarzenberg überzeugt. Mit rund 1000 Schafen ist er der grösste Schafhalter im Kanton Luzern. Vogel glaubt ebenfalls, dass es wegen des grossen Aufwandes künftig weniger Schafhalter geben wird. «Das Thema Moderhinke beschäftigt auch die Luzerner Schafhalter stark», sagt er. Er selber muss immer wieder grossen Aufwand betreiben, damit seine Tiere gesund bleiben. Seine 1000 Schafe schickte er auf der Alp Unteralp in Andermatt durchs Klauenbad. «Der Aufwand ist aber auch gross, wenn man die Moderhinke nicht saniert. Daher bin ich klar für die obligatorische Herdensanierung», sagt Vogel. Ziel sei es, dass alle Schafherden in der Schweiz von der Moderhinke befreit seien, damit eben dieser Aufwand nicht mehr anfalle.

Ob dies gelingt, daran zweifelt Vogel allerdings stark. Denn auch Wildtiere wie Rehe und Hirsche können Träger der Krankheit sein, da sie sich bei infizierten Schafen und auf betroffenen Alpweiden anstecken können. «Und somit ist auch die Ansteckung in die umgekehrte Richtung möglich», erklärt er.

Noch etwas ist dem Schäfer wichtig, zu betonen: «Nicht alle Schafe, die lahmen, haben die Moderhinke. Das kann auch andere Ursachen haben.»

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