Im Zusammenhang mit Museen wurde in den letzten Jahren immer wieder der Ruf nach Provenienzforschung laut, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Legat Cornelius Gurlitt am Kunstmuseum Bern und der Sammlung Emil Bührle am Kunsthaus Zürich. Die Provenienzforschung befasst sich – kurz gesagt – mit der Herkunft von Kunst und Kulturgütern. Museen auf der ganzen Welt untersuchen, ob sich unter ihren Werken Raub- und Fluchtgut aus der Zeit des Nationalsozialismus befindet. Wir fragen nach, wie es um die Provenienzforschung in Nidwalden steht. Denn auch hier hat es ein Gemälde, bei dessen Herkunft sich Fragen auftun: das «Porträt einer edlen Dame».
Porträt einer edlen Dame
Das Bild «Porträt einer edlen Dame» von Scipione Pulzone ist in der Dauerausstellung «Selbst und Welt. Werke aus der Sammlung» im Nidwaldner Museum im Winkelriedhaus zu sehen.
Dominic Schmid, Historiker und Volontär am Nidwaldner Museum, hat einen Provenienzbericht zum Bild «Porträt einer edlen Dame» erstellt. Das Werk wurde vom italienischen Renaissancekünstler Scipione Pulzone im Jahr 1571 gemalt und befand sich ab 1935 einige Jahre im Besitz des schwedischen Industriellen Axel Wenner-Gren, der international stark vernetzt war, unter anderem auch mit Nazideutschland. 1978 wurde das Gemälde dann von Ruth und Anton Frey-Näpflin gekauft und befindet sich seit dem 13. Dezember 2017 als Dauerleihgabe im Nidwaldner Museum.
Wie hat das Nidwaldner Museum das Thema Provenienzforschung angegangen?
Carmen Stirnimann : Die Provenienzforschung gehört zum Grundauftrag der Museen. Wir wollen wissen, woher unsere Sammlungsobjekte stammen und welche Geschichten sie erzählen. Am Nidwaldner Museum haben wir eine ergebnisoffene Herangehensweise, sind schwierigen Thematiken gegenüber aufgeschlossen und gehen transparent damit um.
Welche Ergebnisse ergaben sich aus den gemachten Untersuchungen?
Wir haben viel über die Besitzverhältnisse des «Porträts einer edlen Dame» von Scipione Pulzone erfahren. Für die Zeit zwischen 1933 und 1935 tappen wir aber nach wie vor im Dunkeln. Mit dieser unangenehmen Tatsache haben wir uns für den Moment abzufinden.
Dominic Schmid stellt, wie eben erwähnt, fest, dass die Besitzverhältnisse zwischen 1933 und 1935 nicht eindeutig geklärt sind. Trotzdem schliesst er aus, dass es sich um NS-Raub- oder Fluchtkunst handelt, weil das Gemälde vor dem «Anschluss» Österreichs 1938 an das nationalsozialistische Deutsche Reich verkauft worden sei und keine Anzeichen für konfiskatorische oder unrechtmässige Handwechsel vorlägen. In diesem Punkt urteilt er anders als andere Provenienzforscher.
So ist zum Beispiel Joachim Sieber, der Präsident vom Schweizerischen Arbeitskreis Provenienzforschung und Leiter der Provenienzforschung am Kunsthaus Zürich, der Meinung, dass beim «Porträt einer edlen Dame» nicht von einer «unproblematischen Vergangenheit» des Werks gesprochen werden könne, da es sich 1933 in jüdischem Besitz befunden habe und nicht klar sei, wie es 1935 nach Stockholm gelangte. In einem solchen Fall bestünden weiterhin Verdachtsmomente.
Wie geht das Nidwaldner Museum mit solch unterschiedlichen Expertenmeinungen um?
Meinungen und Forschungsresultate von Fachkollegen interessieren uns sehr. Wir stehen in ständigem Austausch mit Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachgebiete. In Zusammenarbeit mit ihnen erweitern wir unsere Kenntnisse und stellen damit sicher, dass wir einen hohen Qualitätsstandard im Umgang mit unseren Sammlungsobjekten und Leihgaben gewährleisten können. Diese Qualitätsstandards beziehen sich einerseits auf das historische und kunsthistorische Wissen zu einzelnen Objekten, aber auch auf den konservatorischen Umgang damit.
Es gibt im Nidwaldner Museum nebst dem «Porträt einer edlen Dame» noch andere Werke aus der ehemaligen Sammlung Wenner-Gren. Müsste man nicht auch diese Werke in Bezug auf Provenienz genau untersuchen?
Wir sind uns bewusst, dass bei Objekten, die in ihrer Provenienzgeschichte eine Handänderung zwischen den Jahren 1933 und 1950 aufweisen, genauer hingeschaut werden muss. Das betrifft Objekte aus der Sammlung Wenner-Gren, aber auch solche mit anderer Herkunft. Das Nidwaldner Museum hat mit der Forschung zum «Porträt einer edlen Dame» einen Schwerpunkt gesetzt, der weitergeführt wird und Besitzerwechsel in der fraglichen Zeit untersucht. Allerdings ist Provenienzforschung ressourcenintensiv. Vor allem, da wir auch immer damit beschäftigt sind, unsere Ergebnisse zu unterschiedlichsten Forschungsthemen in Form von Ausstellungen und Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ist die Provenienzforschung am Museum Nidwalden abgeschlossen?
Unsere Strategie ist es, die Sammlung sowie die Dauerleihgaben laufend zu scannen und, wo es erforderlich ist, eine weitergehende Erforschung einzelner Objekte in Angriff zu nehmen.
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