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Kolumne

«Ürner Asichtä»: Selbstbestimmt, selbstbewusst

Kolumnistin Regula Waldmeier über das Älterwerden und den Umgang mit dem Alter.
Regula Waldmeier, Kolumnistin und Pensionärin, äussert sich an dieser Stelle zu einem frei gewählten Thema aus dem Kanton Uri.
Bild: Urner Zeitung

Vor genau einem Jahr bekam ich für drei Stunden eine Vollnarkose verabreicht. Seither finde ich gewisse Wörter nicht mehr spontan. Ein lieber Bekannter, etliche Jährchen jünger als ich, meinte, sein Umfeld schimpfe auch, er vergesse vieles und höre nicht zu. Damit brachte er mich zum Lachen, und es ist auch tröstlich. Dennoch, diese Vollnarkose hat meinem Gedächtnis geschadet. Anfänglich entschuldigte ich mich, gab Erklärungen ab. Aber erstens interessierten sich die wenigsten für meine Klagen und zweitens bekam ich oft die gesundheitliche Situation meines Gegenübers geschildert. Das wiederum fand ich nicht besonders spannend. Neuerdings besuche ich einen Italienisch-Konversationskurs. Fremdsprachenlernen, las ich, sei im Alter Gehirntraining. Kaum zu glauben, aber wahr: Der alte italienische Wortschatz, samt Grammatik, ist immer noch, leicht abrufbar, vorhanden. Ein Aufsteller, wie wohltuend für meine Würde.

Neuerdings ist viel über selbstständiges Leben im Alter zu lesen. Dazu müssen wir uns Gedanken machen, und es braucht Angebote. «Wir Alten» können hier auch mitmischen: Wir können Politiker und Politikerinnen wählen, die davon etwas verstehen. Genauso wichtig wie Selbstständigkeit im Alter scheint mir die Frage zu sein: Wie bleiben alte Menschen selbstbestimmt? Ich gehe davon aus, dass das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben ein Grundrecht ist. «Erst ab 18, mit der Mündigkeit», wirft mein Gegenüber ein. Da mache ich mir keine Sorgen. Die Jungen, vor allem die Pubertierenden, können ihre Wünsche in der Regel sehr dezidiert äussern. Und das ist gut und richtig so, sie sollen auch aufmüpfig sein dürfen.

Selbstbestimmt darf jeder Mensch entscheiden, wie er leben möchte, er darf die Kontrolle über sein eigenes Leben haben. Mit grosser Freude las ich dieser Tage von der Einladung der Alterskommission Silenen. Sie will darüber informieren, welche Wohnformen, Pflege und Betreuung für ältere Menschen infrage kommen, was für welchen Bedarf zur Verfügung steht. Auch über die Kosten soll geredet werden. Ich finde es grossartig, dass darüber mit allen Playern diskutiert wird.

Sicher kann es für Angehörige bis zur Erschöpfung aufreibend und nervig sein, sich um die Bedürfnisse ihrer alten Angehörigen zu kümmern. Wertvoll, wenn Hilfe von aussen verfügbar ist und in Anspruch genommen wird. Unabdingbar, dass die Betagten mitbestimmen dürfen. Alte Menschen sind ja nicht alle gleich und haben individuelle Bedürfnisse. Meine ehemalige Kollegin beispielsweise möchte, dass man sie, wenn sie alt ist, bis morgens um 10 Uhr schlafen lässt. Eine Freundin kann es nicht ausstehen, wenn sie zum Essen gerufen wird. Sie möchte essen, wann ihr danach ist. Eine andere möchte jeden Tag duschen können. Ich möchte einfach tun können, was ich will, und um Hilfe bitten dürfen, wenn ich sie brauche. Gerne empfehle ich Ihnen das Buch «Altern» von Elke Heidenreich, Klug, lustig, manchmal auch traurig, aber immer mitreissend.

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