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Luzern

Stadt Luzern: Ganztagesschule soll zur Norm werden

Das Luzerner Stadtparlament hat einen Richtungsentscheid gefällt: In einigen Jahren könnte das Mittagessen am Familientisch Geschichte sein.
Der Mittagstisch in Stadtluzerner Schulen könnte bald fest zum Alltag gehören. (Bild: Dominik Wunderli)

Robert Knobel

36 Prozent der Stadtluzerner Schulkinder nutzen heute ein Betreuungsangebot an ihrer Schule: Sie bleiben an einzelnen Tagen zum Mittagessen oder gehen in die Frühmorgens- oder Nachmittags-Betreuung im Hort. Bald könnte diese Quote gegen 100 Prozent tendieren. Das Luzerner Stadtparlament hat nämlich am Donnerstagabend eine Motion der GLP überwiesen. Damit wird der Stadtrat beauftragt, mit einem Planungsbericht erste Schritte für eine voll ausgebaute Tagesschule einzuleiten. Wie ein solches Modell konkret aussehen würde, ist zwar noch völlig offen. Doch für die GLP ist klar, wohin die Reise gehen soll: Vorbild ist ein Pilotprojekt der Stadt Zürich, wonach grundsätzlich alle Schüler mittags in der Schule bleiben. Wer dies nicht wünscht, muss sich abmelden.

Die Stadt Zürich ist zurzeit dabei, das Pilotprojekt auszudehnen. Sollte Luzern auf dieses Modell aufspringen, bedeutet dies einen massiven Paradigmenwechsel. Denn heute besucht nur eine Minderheit der Schüler einen Hort - und dies meist auch nur an einzelnen Tagen. Entsprechend hoch gingen die Wogen im Parlament. So sagte Sandra Felder (FDP):

«Luzern ist nicht Zürich».

Wer sein Kind die ganze Woche im Hort betreuen lassen wolle, könne das heute schon tun. «Unser heutiges Modell ist bedarfsgerecht und so individuell wie die Eltern selber.»

Linke und GLP sahen das ganz anders. Die aktuelle Situation, wo Eltern jedes Jahr um den gewünschten Hortplatz zittern müssen, sei nicht mehr zeitgemäss. Jules Gut (GLP):

«Man stelle sich vor: Im Dezember muss man den Betreuungsumfang für das nächste Schuljahr anmelden. Und im Mai bekommt man dann Bescheid».

Eine vernünftige Planung sei für die Eltern so kaum möglich. Das habe Folgen, wie Noëlle Bucher (Grüne) ausführte:

«Immer noch müssen sich viele Eltern privat organisieren und geben dafür viel Geld aus. Und immer noch verzichten deshalb viele Frauen auf eine Erwerbstätigkeit.»

Die Tagesschule sei das «Modell der Zukunft», ergänzte Luzia Vetterli (SP). Bei den Bürgerlichen stimmten lediglich zwei FDP-Mitglieder für die Motion. Einer davon war Fabian Reinhard: «Die politische Diskussion zum Thema Tagesschule müssen wir jetzt führen».

Viele argumentierten auch mit pädagogischen Vorteilen einer Tagesschule. Die regelmässigen Tagesstrukturen würden Chancengleichheit, Integration und Sozialkompetenzen fördern. Für Judith Wyrsch (GLP) ist der Zeitpunkt zudem besonders günstig: «Es stehen mehrere Schulhaus-Renovationen an. Das bietet die Chance, bereits jetzt genügend Räumlichkeiten für Tagesschulen einzuplanen.»

Skeptisch war hingegen die CVP. Fraktionschefin Mirjam Fries:

«Gut möglich, dass es in ein paar Jahren Sinn macht, die Tagesschule für alle einzuführen. Im Moment funktioniert das Luzerner Modell aber zur Zufriedenheit der meisten Eltern und Schüler.»

Gar nichts hält die SVP von einem solch massiven Ausbau der Tagesstrukturen: Fraktionschef Marcel Lingg: «Wir wollen das heutige Erfolgsmodell weiterführen. Wenn beide Eltern tagsüber nicht mehr für ihre Kinder zuständig sein dürfen, dann wäre dies ein geradezu veraltetes Familienmodell.» Ganz zu schweigen von den «immensen Kosten», die eine flächendeckende Tagesschule verursachen würde.

Nur noch 45 Minuten Mittagspause?

Trotzdem: Vieles deutet darauf hin, dass die meisten Stadtluzerner Schüler in naher Zukunft ihre Mittagspause gemeinsam verbringen werden. In diese Richtung zielt auch eine weitere Motion der SP. Sie regt an, die Mittagspause an den Volksschulen von heute 2 Stunden auf 45 bis 60 Minuten zu reduzieren. Dadurch hätten die Kinder am Nachmittag mehr Zeit für ausserschulische Aktivitäten wie Sport, Musik oder Religionsunterricht, so das Argument.

Doch bei einer so kurzen Mittagspause wäre kaum ein Kind noch in der Lage, zum Essen nach Hause zu gehen – was die Tagesschule ebenfalls faktisch zur Norm machen würde. Die SP-Motion wurde teilweise überwiesen. Der Stadtrat wird nun die Unterrichtszeiten an den Volksschulen grundsätzlich überprüfen - und zwar sowohl unter dem Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, als auch unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Vereinen und Religionsgemeinschaften.

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