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Zug

Ringier greift Jolanda Spiess-Hegglin an

Am Mittwoch fand im Zuger Kantonsgericht die Verhandlung zwischen Jolanda Spiess-Hegglin und dem Ringier-Verlag statt. Die Klägerin verlangt eine öffentliche Entschuldigung von «Blick», eine Genugtuung und die Unterlassung weiterer Berichterstattung zum «Zuger Fall». Die Fronten bleiben verhärtet, das Urteil folgt zu einem späteren Zeitpunkt.
Jolanda Spiess-Hegglin beantwortet nach dem Prozess in Zug Medienfragen. (Bild: Urs Flüeler / Keystone, Zug, 10. April 2019)
Jolanda Spiess-Hegglin mit Ehemann Reto Spiess. (Bild: Urs Flüeler/Keystone, Zug, 10. April 2019)

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Die verhängnisvollen, bis heute nicht geklärten Vorkommnisse an der Zuger Landammannfeier im Dezember 2014 hatten für SVP-Kantonsrat Markus Hürlimann und die damalige Grünen-Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin ungeahnte Folgen: Nachdem der «Blick» aus bisher nicht kommunizierten Gründen Kenntnis von den mutmasslichen sexuellen Handlungen zwischen den beiden Politikern erhalten hat, folgte durch seine darauffolgende Berichterstattung eine beispiellose Medienlawine, die das Leben beider Beteiligten in einer ungeahnten Weise über den Haufen warf.

Nachdem eine aussergerichtliche Einigung zwischen Jolanda Spiess-Hegglin und dem Ringier-Verlag nie zustande gekommen war, trafen sich die beiden Parteien am Mittwochvormittag vor dem Zuger Kantonsgericht. Von den zahlreichen Artikeln, die das Boulevardblatt im Nachgang der Landammannfeier über die «Zuger Sexaffäre» publizierte, stand an der Verhandlung vor allem der Initialbeitrag vom 24. Dezember 2014 im Fokus: Hat «Blick» die mutmasslichen Vorkommnisse medial breitschlagen, die beiden Beteiligten abbilden und beim Namen nennen dürfen? Oder hat er damit deren Privat- und Intimsphäre auf juristisch relevante Weise verletzt? Das war die zentrale Frage bei der Verhandlung.

Jolanda Spiess-Hegglin fordert von «Blick» eine Entschuldigung, in der Printausgabe auf der Front und auch online prominent platziert. Weiter soll ihr Ringier eine Genugtuung von 25'000 Franken leisten und der Verlag gerichtlich dazu verpflichtet werden, künftig jegliche Berichterstattung, die auf irgend eine Weise im Zusammenhang mit der Landammannfeier von 2014 steht, zu unterlassen. Zudem behält sich Spiess-Hegglin vor, die Gewinne einzuklagen, welche Blick mit der Berichterstattung über ihren Fall eingefahren hat.

«Extremfall von Privatsphärenverletzung»

Die Rechtsvertretung der Klägerin pocht auf den hohen Stellenwert des Schutzes der Privatsphäre, welche das Schweizer Boulevardblatt in diesem Fall eindeutig verletzt habe. Basierend auf einem ungeklärten Sachverhalt habe «Blick» eine Story gemacht, deren mediale Folgen eine berufstätige, damals erst 34-jährige Frau und Mutter in ihren Grundwerten erschüttert habe, so der Vorwurf an Ringier. Bis heute sei sie stigmatisiert und kämpfe um ihr Ansehen. Es habe seinerzeit keinerlei öffentliches Interesse an den Vorkommnissen an der Landammannfeier gegeben. Und dass die beiden Beteiligten gerade mal zwei Tage zuvor offiziell in ihr Amt gewählt worden waren, sei zu wenig relevant, um in der Sache eine politische Komponente zu lokalisieren, welche etwa einer öffentlichen Meinungsbildung diene.

«Blick wollte schlichtweg seine Leserschaft an diesem Tag mit einer Sex-Drugs- und Rock'n'Roll-Geschichte in die Feiertage verabschieden», so ein weiterer Vorwurf der Rechtsvertreterin Spiess-Hegglins. Die Tatsache, dass Ringier offenbar sämtliche Artikel über die ehemalige Zuger Politikerin bis auf den fraglichen aus den Mediendatenbanken hat löschen lassen, sei faktisch als Schuldeingeständnis zu taxieren. Jolanda Spiess-Hegglin sei vom Boulevardblatt blossgestellt, publizistisch ausgebeutet und schliesslich totgeschwiegen worden, so der Vorwurf an Ringier. Die Rechtsvertreterin wiederholt ihr Fazit: «Es handelt sich hier um einen Extremfall von Privatsphärenverletzung. Blick hat Spekulation auf Kosten zweier Politexponenten betrieben. Der Schutz der Privatsphäre steht über der Medienfreiheit.»

Absolutes Recht, aber nicht absolut geschützt

Die Rechtsvertretung von Ringier zeigt sich wenig beeindruckt von den Ausführungen der Klägerschaft und hält entschieden an ihrem Abweisungsantrag für sämtliche Forderungen fest. Hinsichtlich des Vorwurfes, Blick hätte diese Geschichte mit seinen zahlreichen Artikeln in den Jahren nach dem Vorfall befeuert, meint der Rechtsvertreter von Ringier wörtlich: «Wenn jemand das Ganze laufend aufrecht erhält, dann ist es einzig die Klägerin. Obwohl es kein öffentliches Interesse mehr gab, hat sie es befeuert.» Damit spielt er hauptsächlich auf die Aktivitäten Spiess-Hegglins in den sozialen Medien an und redet in diesem Zusammenhang auch von einer «selbstgefälligen Selbstdarstellung» und dass sie «weniger Opfer als Täterin» sei.

Ringier verteidigt den fraglichen Artikel vom 24. Dezember 2014. Erstens sei nichts, was darin steht, falsch. Zweitens sei es um ein mutmassliches Verbrechen gegangen, schliesslich sei ein Politiker verhaftet worden. Sobald ein erfundenes (sic!) Delikt bekannt und ein mutmasslicher Täter deshalb angeklagt sei, gehöre dies nicht mehr in den Bereich der Privatsphäre, so die Argumentation seitens Ringier. «Parteiübergreifende Intimitäten sind von öffentlichem Interesse.» Überdies sei der Titel des betreffenden Artikels als Frage formuliert gewesen. «Das ist weder eine Persönlichkeitesverletzung, noch lässt dies die Protagonisten in einem schlechten Licht stehen.» An dieser Stelle präzisiert der Ringier-Rechtvertreter die Aussage der Gegenpartei, dass das Schutz von Privatsphäre absolutes Recht sei. «Es ist wohl absolutes Recht, aber es ist nicht absolut geschützt. Darin liegt ein Unterschied.»

Eine für die Verhandlung zwar irrelevante, aber oft gestellte Frage, welche bis heute unbeantwortet geblieben ist, bringt Ringier am Rande zur Sprache: Wie hat Blick von den Vorkommnissen und der Verhaftung Markus Hürlimanns seinerzeit erfahren? «Wir sagen es nicht», so der Rechtsvertreter lapidar, verweist aber auf all die bisherigen Mutmassungen, welche die Behörden oder auch das Kantonsspital Zug selbst in Betracht ziehen. Eher durch die Blume als konkret lässt er anmerken, dass der Kommunikator weder da noch dort zu suchen sei. Somit bleibt auch dies weiterhin unbeantwortet.

Ringier kommt zum Schluss: Eine Entschuldigung werden sie nicht publizieren. Es gebe keine rechtliche Grundlage, dies anzuordnen. Auch die verlangte Genugtuung ist Ringier nicht bereit zu zahlen. Und das Erwirken eines gerichtlichen Verbots für künftige Artikel über Jolanda Spiess-Hegglin im Kontext mit der Landammannfeier sei ohnehin hinfällig, weil dies eine Wiederholung voraussetze, was aber seit längerem nicht mehr der Fall gewesen sei. «Für Blick ist diese Angelegenheit gegessen», hält der Ringier-Rechtsvertreter abschliessend fest.

Das Kantonsgericht wird das Urteil voraussichtlich innert einer Frist von zwei Monaten fällen und kommunizieren.

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