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Luzern

Sie weiss, wie die Luzerner Kantonsangestellten ticken – und wünscht sich manchmal mehr Kampfeswille

40 Jahre ist Helga Christina Stalder bereits im Luzerner Staatspersonalverband und hat diesen wesentlich mitgeprägt. Bei ihrem Abschied hofft sie, dass der Verband künftig wieder an Mitglieder zulegen kann.
Stabübergabe bei der Geschäftsführung des Luzerner Staatspersonalverbands: Helga Christina Stalder (links) und ihre Nachfolgerin Inge Lichtsteiner an der Maihofstrasse 52 in Luzern.
(Bild: Dominik Wunderli (3. November 2020))
Hier ist Helga Christina Stalder, nach wie vor Präsidentin des Familiengärtnerverein Reussbühl-Littau zusammen mit Rudolf Michel, dem Autor der Festschrift zum 75-Jahr-Jubiläum auf dem Schrebergarten Areal Rothenweidli.
(Bild: Eveline Beerkircher (6. März 2018))

Roseline Troxler

Roseline Troxler

Nur wenige Monate vor Beginn des Ersten Weltkriegs wurde der Luzerner Staatspersonalverband (Lspv) aus der Taufe gehoben. Er sollte sich für gerechte Löhne, Sozialleistungen und die Schaffung einer Alters-, Witwen- und Waisenkasse einsetzen. Die nun zurückgetretene Geschäftsführerin, Helga Christina Stalder, blickt auf die Anfänge des Verbands. Als in Luzern 1918 die Nahrungsmittel knapp waren, kaufte der Lspv Kartoffeln, die er seinen Mitgliedern günstig weiterverkaufte.

Bessere Absicherung und Sozialleistungen, aber auch einige Sparpakete

Tempi passati: Seither hat sich viel getan. Die lange Forderung nach der Schaffung der Alters-, Witwen- und Waisenkasse ist mit der Luzerner Pensionskasse (Lupk) erfüllt worden. Der Beamtenstatus der Kantonsangestellten ist längst Vergangenheit. Die Wochenarbeitszeit wurde in den letzten Jahrzehnten reduziert, auf der anderen Seite haben Regierung und Kantonsparlament in der jüngeren Vergangenheit einige Sparpakete durchgeboxt.

Die Emmerin Helga Christina Stalder hat den Luzerner Staatspersonalverband in den letzten Jahren wesentlich mitgeprägt. Seit 40 Jahren ist sie Verbandsmitglied. Während 17 Jahren war sie die Geschäftsführerin und bereits zuvor hat sie sich im Vorstand für eine Verbesserung der Arbeits- und Anstellungsbedingungen der Staatsangestellten engagiert. Nun gibt die 69-Jährige die Geschäftsführung altershalber an Inge Lichtsteiner weiter.

Eine Aufgabe, die viel Geduld erforderte

Helga Christina Stalder blickt in den letzten Jahren auf einige Erfolge. Zum Beispiel konnten beim Ferienanspruch, beim Mutterschaftsurlaub, bei der Arbeitszeit und auch bei Besoldungsrevisionen Verbesserungen erreicht werden. «Forderungen werden nie schnell erfüllt. Es braucht Geduld. Man muss auch mal mit einem Anliegen zuwarten, dieses auf die Pendenzenliste setzen und wieder hervorholen, wenn die Zeit dafür reif ist», sagt sie. Den Austausch mit dem Kanton erachtet sie als gut. Die Personalarbeit sei professioneller geworden. «Früher wurde vieles noch ‹vo Händsche› gemacht.» Der Kanton als Arbeitgeber unterscheide sich heute kaum mehr von der Privatwirtschaft.

«Doch das alte Bild des sicheren Arbeitsplatzes auf Lebzeiten blieb in der Gesellschaft haften.»

Handlungsbedarf sieht sie bei der Besoldung. «Hier spüren die Kantonsangestellten noch immer die Folgen mehrerer Sparpakete.» Eine Überprüfung sei nötig, damit der Kanton auch lohnmässig attraktiv bleibe und für sehr gut qualifizierte Fachkräfte als Arbeitgeber in Frage komme. Eine Konkurrenz seien Kantone wie Zug oder Aargau. Im laufenden Jahr hätte der Kanton etwas mehr Luft gehabt. Dann kam Corona. «Ich verstehe, dass der Kanton bei den Löhnen derzeit kaum Spielraum hat.» Doch nicht immer konnte Stalder die Argumentation von Regierung oder Parlament nachvollziehen.

«Die befristete Erhöhung der Arbeitszeit oder die Abschaffung des Dienstaltersgeschenks im Jahr 2016 haben mich geärgert. Da spürte ich wenig Wertschätzung.»

Der Kantonsrat stehe oftmals nicht auf der Seite der Angestellten, kritisiert Stalder. «Weshalb werden Forderungen für Arbeitnehmende mehrheitlich von der linken Seite unterstützt? Man kann auch arbeitnehmerfreundlich sein, wenn man politisch anderswo steht», stört sich Stalder, die früher im Emmer Einwohnerrat für die CVP politisiert hatte.

Mitgliederzahl ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen

Der Lspv zählte einst über 4700 Mitglieder, heute sind es 2800. «Die Jungen haben weniger Interesse beizutreten. Denn heute verbringt kaum jemand sein ganzes Berufsleben beim gleichen Arbeitgeber.» Ausserdem gebe es heute mehr Berufsverbände und Gewerkschaften, die ähnliche Ziele und Angebote haben wie der Lspv. Die Konkurrenz empfindet Stalder als Herausforderung bei der Mitgliederwerbung, aber auch als Bereicherung, zumal die Anliegen ähnlich und so besser durchzusetzen seien. Sie sagt aber: «Gewerkschaften treten aggressiver auf. Das passt nicht zu uns Kantonsangestellten. Es ist weniger unsere Art, vorzupreschen.» Manchmal hätte sich Stalder aber schon etwas mehr Kampfeswille von den Mitgliedern gewünscht.

«Zig mal musste ich fast alleine vor dem Regierungsgebäude stehen und ein Transparent in die Höhe halten.»

Der Lspv vertritt auch die Interessen der Mitarbeiter des Luzerner Kantonsspitals und der Luzerner Psychiatrie. Derzeit wird in den beiden Betrieben, die ausgelagert werden, ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) ausgearbeitet. Ein sehr aufwendiger Prozess, in den diverse Akteure involviert seien, so Stalder. «Es reut mich, diese Diskussionen nicht mehr mitverfolgen zu können.»

CVP-Kantonsrätin setzt sich künftig für das Staatspersonal ein

Letzte Woche gab Helga Christina Stalder den Stab an Inge Lichtsteiner weiter. Stalder, die ausserdem das Rote Kreuz Luzern präsidiert, freut sich, mehr Zeit in ihrem Schrebergarten oder auf dem Golfplatz verbringen zu können, zu wandern oder zu pilzlen.

Inge Lichsteiner (60) möchte «die erfolgreiche Vorarbeit der Vorgängerin weiterführen und weiterentwickeln und für die Mitglieder des Lspv eine aufmerksame und kompetente Ansprechpartnerin sein», wie sie auf Anfrage sagt. Ziel sei es, dass das Staatspersonal einen echten Mehrwert einer Mitgliedschaft erkenne und auch jüngere Angestellte angesprochen würden. Gereizt habe sie die Vielseitigkeit. Und sie sei überzeugt, ihre Kompetenzen und Vernetzung in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sehr nützlich einsetzen zu können. Zur Frage, welchen Einfluss ihr Kantonsratsmandat auf die Arbeit im Lspv hat, sagt die CVP-Frau:

«Mir war immer wichtig, die Wertschätzung der Staatsangestellten zu stärken.»

Nicht alle Anliegen könnten indes mit Geld abgegolten werden, so die Egolzwilerin. «Anerkennung, Akzeptanz und gerechte Anstellungsbedingungen sind wichtiger und befriedigen. Dafür werde ich mich, wie bisher, als Politikerin und nun neu auch als Geschäftsführerin gerne einsetzen.»

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