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Luzern

Schweizerhof-Mitbesitzer Patrick Hauser über die Schliessung des Luzerner Hotels: «Es ist eine brutale Zeit.»

Das Land steht still, und das spüren auch die Schweizer Hotels. Traditionshäuser tun, was sie eigentlich nie wollten: Sie schliessen.

Der Flughafen Zürich findet sonst kaum einmal zur Ruhe, doch jetzt sind die Schlangen aus seinen Abflughallen verschwunden. Die Gepäckbänder drehen sich nur noch selten. Und draussen, auf dem Rollfeld, stehen Flugzeuge der Swiss einsam da. Sie braucht es jetzt, da die Welt wegen der Corona-Krise fast stillsteht, nicht mehr.

Im Radisson Blu, dem Hotel direkt am Flughafen, tröpfeln hin und wieder Gäste in die Lobby. Der junge Italiener zum Beispiel, eine Hand am Kinderwagen, aus dem die Tochter grinst. Auch er bleibt nicht lange, ist auf Durchreise. «Ich gehe nach Hause, nach Sardinien», sagt er. Aber er ist immerhin ein Gast. Die sind eine Seltenheit geworden in der Schweiz. Das Hotelland, fast 40 Millionen Logiernächte 2019, trocknet aus, von Graubünden bis Genf. Und überall zerbrechen sich die Hoteliers den Kopf darüber, wie es weitergeht.

Der Luzerner «Schweizerhof» schliesst erstmals unfreiwillig

Patrick Hauser, Mitbesitzer des Hotels Schweizerhof in Luzern, 101 Zimmer, 5 davon belegt, schläft gerade nicht gut. Tagsüber reiht sich eine Krisensitzung an die nächste. Und in der Nacht wollen die vielen Fragen erst recht nicht verschwinden. Hauser sitzt in der Bar des Traditionshauses an der Luzerner Seepromenade. Draussen strahlt die Sonne auf den Vierwaldstättersee, zur Kapellbrücke sind es nur ein paar Schritte. Der «Schweizerhof» ist ein Haus mit einer grossen Geschichte. Kaiser und Könige haben im spätklassizistischen Palais schon übernachtet, Winston Churchill, auch Mark Twain. Heuer feiert das Hotel sein 175-Jahre-Jubiläum, doch zum Feiern ist Hauser gerade nicht zu Mute.

Vor ein paar Tagen hat Hauser, der das Hotel mit seinem Bruder in fünfter Generation führt, einen Entscheid gefällt, den er noch vor ein paar Wochen für unvorstellbar hielt: Der «Schweizerhof» schliesst. Am Sonntag ist es so weit; über den Flügel in der Hotelbar hat jetzt schon jemand eine Abdeckhülle gezogen, die Schnapsflaschen werden im Keller eingeschlossen. Das Corona-Virus hat geschafft, was der Spanischen Grippe nicht gelang und auch den zwei Weltkriegen nicht.

«Es ist eine brutale Zeit», sagt Hauser, und er meint sich dabei als Privatperson, die sich um Freunde und Familie sorgt. Und er meint sich als Hotelier, der seine 140 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken muss. Das bedeutet in diesem Fall, dass die Arbeitslosenkasse für 80 Prozent des Lohns aufkommt. Die restlichen 20 zahlt der «Schweizerhof» zu, «wir wollen nicht, dass unsere Mitarbeiter ihren Lebensstandard wegen dieser Krise reduzieren müssen», sagt Hauser. Ein Luxus, den sich nur wenige Hoteliers im Land leisten können.

Die Videobotschaft der Hotelbesitzer:

Zuerst sagten die Chinesen ab – und irgendwann alle

Es ist nicht mehr als ein paar Wochen her, da kannten nur Fachleute die Corona-Viren. Patrick Hauser lernte das Wort, das mittlerweile die Welt in Atem hält, früher als andere kennen. Schon Mitte Januar begannen chinesische Gäste, ihre Reisen zu stornieren. Hauser liess Desinfektionsmittel aufstellen, führte zusätzliche Verhaltensregeln ein. Und dachte, dass es schon gut kommt. Doch je schneller das Virus um die Welt raste, desto leerer wurde das Hotel. Die amerikanischen Touristen sagten ihre Reise ab, die arabischen – und schliesslich auch jene aus der Schweiz. Neue Buchungen kamen kaum mehr dazu, und mittlerweile sind die Schweizer Grenzen mehr oder weniger abgeriegelt. Man sei zum Schluss gekommen, dass es besser sei, ganz zu schliessen, sagt Hauser. «Wir wollten den wenigen Gästen keinen Teilbetrieb zumuten», sagt er, und natürlich spielte bei diesem Entscheid auch das Geld eine Rolle.

Im Herzen der kopfsteingepflasterten Altstadt von Zofingen liegt das gleichnamige Hotel, 39 Zimmer, 4 belegt. Hinter der massiven Eingangstüre aus Holz verwandelt sich das Foyer gerade in einen kleinen Frühstücksraum. «Wir haben in den Krisenmodus geschaltet», sagt Direktor Rudolf Günthardt. Am Montag ordnete der Bundesrat die Schliessung aller Bars und Restaurants bis am 19. April an. Davon ist auch Günthardt betroffen. Er darf jetzt nur noch seine Hotelgäste bewirten. Und weil die derzeit sowieso praktisch ausbleiben, hat Günthardt schon ein paar Stunden nach dem Entscheid in Bern Stühle und Tische aus der Gaststube räumen lassen.

Im Hotel Zofingen shampoonieren sie jetzt erst einmal den Teppich. Putzen die Edelstahlküche blitzblank. Leeren die Tiefkühltruhen und Kühlschränke. Verteilen die Vorräte an die Angestellten. Ganz schliessen aber mag Günthardt sein Hotel nicht, er führt es weiter, auf Sparflamme. Das liegt an Stammgästen, die regelmässig bei ihm einchecken, weil sie in einer der Firmen in der Nähe arbeiten. Ihnen will Günthardt, der in seine E-Mail-Signatur «Gastgeber» geschrieben hat, auch weiterhin ein Bett bieten. In den nächsten Wochen arbeiten nur noch zwei, drei Angestellte im Hotel. Den Rest hat er für Kurzarbeit angemeldet. Das hat er zuvor wie die meisten Hoteliers noch nie gemacht. Und sich darüber gefreut, wie schnell die Zusage vom Kanton kam, innerhalb von nur 48 Stunden.

Einen schönen Teil seiner Fixkosten – jenen für das Personal – kann Günthardt damit sparen. Das gibt ihm Luft. «Wir können so eine Weile überleben», sagt er. Doch der Blick in die Zukunft macht ihm Sorgen, daraus macht Günthardt keinen Hehl. «Eine solche Situation gab es noch nie, und sie wird auf die ganze Wirtschaft durchschlagen», sagt der Aargauer.

Eine Krise, die zur Unzeit kommt

Im Hotel Zofingen und im Luzerner «Schweizerhof» brachen die Buchungen innert kurzer Zeit weg. Und das gilt für die meisten Hotels in der Schweiz. Für die Häuser in den Städten, die von Touristen leben und Geschäftsleuten. Und auch für jene in den Bergen. Die freuten sich gerade noch über die gute Wintersaison. Jetzt herrscht von Zermatt bis St.Moritz Kehrausstimmung. Die Skigebiete sind seit dem Wochenende zu, weil der Bundesrat das so anordnete. Die meisten Hotels schlossen in der Folge auch ihre Türen. Mit vier guten Wochen bis Ostern hatte man in den Bergen noch gerechnet. Die sind jetzt futsch. Laut Hotelleriesuisse brachen die Umsätze für den März und den April um 45 Prozent ein; bei den Neubuchungen beklagen fast alle Hotels einen «signifikanten Rückgang».

Es ist für die Branche eine Krise zur Unzeit. Sie habe sich nach dem Frankenschock gerade erst wieder einigermassen aufgerappelt, sagt der oberste Hotelier der Schweiz, Andreas Züllig. 2019 verbuchten die Schweizer Hotels so viele Logiernächte wie noch nie zuvor. «Und jetzt kommt schon der nächste Nackenschlag», so der Präsident des Branchenverbands Hotelleriesuisse. Die meisten Hotels hatten noch keine Zeit, sich ein Polster für schlechte Zeiten anzulegen. «Viele fürchten um ihre Existenz», so Züllig. Er fordert, dass die Kantone grosszügig Kurzarbeit bewilligen. Daneben erwartet Züllig auch bei Liquiditätsproblemen Hilfe für seine Branche. Von den Banken, die etwa Kontokorrentkredite erhöhen könnten. Und vom Bund, der Bürgschaften sprechen soll.

Patrick Hauser und Rudolf Günthardt hoffen derweil, dass sie am 20. April ihre Betriebe wieder hochfahren können. Doch sie wissen auch, dass sich die Dinge gerade rasch verändern.

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