Dominik Weingartner
Dominik Weingartner
Dominik Weingartner
Dominik Weingartner
«Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?» Die berühmte Gretchenfrage aus Goethes «Faust» beschäftigt zurzeit die CVP. Auf nationaler Ebene, aber auch im Kanton Luzern. Die CVP-Mitglieder sind aufgerufen, zu entscheiden, ob die Partei mit der BDP fusionieren und damit auch das «C» abstreifen und sich in «Die Mitte» umtaufen soll.
Die Diskussion schlägt hohe Wellen. Weniger die Fusion mit der BDP ist für viele Parteigänger im Kanton Luzern ein Problem – die Partei ist auf kantonaler Ebene praktisch unbedeutend –, aber der Abschied vom «C» fällt manchen schwer.
Kräftebündelung nach liberalem Sitzgewinn
Doch das «C» war nicht von Anfang an dabei, vor allem bei den Konservativen im Kanton Luzern. Hier existierte seit 1841 die Konservative Partei. Erst im 20. Jahrhundert, 1909, bildete sich innerhalb der Partei eine christlichsoziale Gruppe, und erst im Jahr 1919 wurde eine eigenständige Christlichsoziale Partei gegründet, womit das «C» Einzug ins Luzerner Parteienspektrum hielt. «Beide Parteien existierten nebeneinander, arbeiteten aber zusammen, auch in einer Fraktion im Grossen Rat, hatten gemeinsame Listen und Listenverbindungen», sagt Alois Hartmann.
Der 84-Jährige ist einer, der es wissen muss. Zwischen 1964 und 1973 war der gebürtige Altwiser auf dem Generalsekretariat der schweizerischen Partei in Bern tätig. Später, als Hartmann als Bundeshausredaktor für verschiedene katholische Tageszeitungen – unter anderem das für das «Vaterland» – arbeitete, sass er im Grossen Gemeinderat von Ostermundigen und präsidierte die CVP des Kantons Bern. Ende der 1970er-Jahre wurde Hartmann Chefredaktor des Luzerner CVP-Leibblattes «Vaterland» und stieg 1988 wieder in die Luzerner Politik ein, als Sekretär der kantonalen CVP, Parteipräsident in der Stadt Luzern und als Grossrat.
Zurück zur Geschichte des «C». «Nach Mitte der 50er-Jahre gab es innerhalb der Christlichsozialen eine Bewegung, die eine vollständige Trennung anstrebte, doch das Wagnis zahlte sich nicht aus und so reifte nach Mitte der 60er-Jahre immer mehr der Wunsch, die Kräfte zu bündeln», erklärt Hartmann. «Die politischen Hahnenkämpfe der 50er-Jahre – insbesondere die Wahl von Christian Clavadetscher 1955 zum ersten liberalen Ständerat seit 1871 – haben die politische Landschaft verändert.»
Aus dem Wunsch der Kräftebündelung bei den Konservativen und Christlichsozialen entstand eine Kommission mit dem Namen «Z» für «Zukunft». Diese sollte die Fusion der beiden Parteien vorbereiten, was schliesslich auch geschah: Im Frühjahr 1970 wurde die «Volkspartei des Kantons Luzern» gegründet – ganz ohne «C» und ohne katholischen Bezug. «Um die Fusion möglich zu machen, wurde auf das ‹christlich› verzichtet und der neutrale Namen gewählt», sagt Hartmann. Dabei habe es sich um einen «klassischen Kompromiss gehandelt: «Mit dem simplen Namen ‹Volkspartei› gaben beide Parteien gleichviel ab: Die Konservativen verzichteten auf das ‹konservativ›, die anderen auf das ‹christlichsozial›.»
Christliche Bezüge im Parteiprogramm
Die neue Partei wurde am 14. März 1970 im Verkehrshaus aus der Taufe gehoben. Die Parteizeitung «Vaterland» berichtet auf drei Seiten über das Ereignis. «Verheissungsvoller Auftakt», titelte die Zeitung auf der ersten Seite. «Dass in der politischen Geschichte des Kantons Luzern am letzten Samstag ein wichtiges Kapitel geschrieben worden ist, kann man jetzt schon mit Sicherheit sagen», heisst es im Artikel.
Das Grundsatzprogramm der im Volksmund «Vopa» genannten und von Spöttern als «Fauxpas» bezeichneten Partei enthielt trotz fehlender klarer Nennung im Parteinamen durchaus religiöse Bezüge: «Wir bekennen uns zu den Wertmassstäben der christlichen Offenbarung und zählen auf die Mitarbeit aller konfessionellen Gruppen. Um in weltanschaulichen Grundsatzfragen Lösungen zu finden, pflegen wir bewusst den Kontakt mit den christlichen Kirchen, ohne mit ihnen institutionell verbunden oder von ihnen abhängig zu sein.»
1970, als in Luzern die «Volkspartei» gegründet wurde, fanden auch auf nationaler Ebene Diskussionen über einen neuen Parteinamen statt. Es entstand die CVP Schweiz. «Mit dem neuen Namen CVP sollten die konfessionellen Grenzen stärker überwunden und ein Weg gefunden werden, vermehrt urbane Wählerinnen und Wähler zu gewinnen», sagt Hartmann. Die gleichen Argumente werden heute für den vorgeschlagenen Name «Die Mitte» ins Feld geführt.
Die nationale Partei hiess seit 1957 «Konservativ-Christlichsoziale Volkspartei». Als «Schweizerische Konservativen Volkspartei» war sie im Jahr 1912 im damaligen Hotel Union in Luzern gegründet worden. Auf nationaler Ebene gab es vorher keine als «katholisch-konservative» deklarierte Partei, es gab jedoch eine Fraktion mit diesem Namen im Bundesparlament.
CVP: Luzern zieht nach
Der Namenswechsel auf nationaler Ebene wurde im Dezember 1970 auf dem Parteitag in Solothurn beschlossen – nur Monate nachdem sich in Luzern die «Volkspartei» gegründet hatte. «Es war die Frage zu klären, wie die Luzerner Partei das Wahljahr 1971 bestreiten solle», sagt Hartmann. «Die Lösung war naheliegend: Die Wahlen 1971 sollen im Kanton unter dem Namen ‹Volkspartei› geführt werden, doch die Partei solle nach dem Wahljahr den Namenswechsel auf CVP vornehmen. Was denn auch so geschah.» Die Geschichte der «Volkspartei des Kantons Luzern» ist also eine kurze.
Zur aktuellen Diskussion in der CVP will sich Alois Hartmann nicht äussern: «Aufgrund meines politischen Lebenslaufs und meines Alters habe ich beschlossen, dazu keine Erklärung abzugeben.»
Kommentare
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien, die Kommentare werden von uns moderiert.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.