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Kolumne «Die Junge Sicht»

Politische Komplexität in einer vernetzten Welt

In der Kolumne «Die junge Sicht» melden sich junge Menschen zu unterschiedlichen Themen zu Wort. In dieser Ausgabe schreibt Magdalena Leitner von der JGLP zum Thema «Vereinfachung komplexer Themen».
Magdalena Leitner.
Bild: Bild: zvg

In letzter Zeit war der Begriff der Polarisierung oder des Rechtsrutsches nahezu allgegenwärtig. Für Schlagzeilen sorgten aktuell heftige Demonstrationen in ganz Deutschland gegen die AfD, die mit dem Ausdruck der «Remigration» das Unwort des Jahres 2023 gebildet hat. Demos gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus gab es auch in Österreich sowie etwas weniger tumultartige, aber dennoch vorhandene Proteste wie den in Zürich am 3. Februar. «Demokratie verteidigen», «Aufstehen gegen die rechte Gefahr» oder der aus Deutschland stammende Slogan «Nie wieder ist jetzt» sind nur einige Beispiele der Demosprüche. Wieso fühlen sich so viele Menschen gezwungen, sich Schilder mit diesen Aussagen anzufertigen und damit auf die Strasse zu gehen?

Die Politikwissenschaftler Lipset und Rokkan entwickelten 1967 die These des «Frozen Party Systems». Darin postulierten sie, dass das langsame Erodieren der alten Konfliktlinien sowie der steigende Einfluss der neuen Situation bei neuen Problemen zu neuem Wahlverhalten führen. Es bilden sich also neue Bindungen zwischen Wählenden und Parteien. Laut Adrian Vatter, Politikwissenschaftsprofessor an der Universität Bern, holt die Rechtsextreme unter anderem Geringverdiener und Antiwohlfahrtsstaatler ab, da beide Gruppen sich von neuen Problemen bedroht fühlen. Unsere Welt heute ist komplexer und vernetzter als je zuvor, und es ist schwierig, den Überblick zu behalten. Tag für Tag werden wir von Zeitungen oder sozialen Medien mit Informationen überschwemmt darüber, welche Tragödien sich in den letzten Stunden zugetragen haben und welche Bedrohungen in der Zukunft lauern. Es scheint gar nicht möglich zu sein, zu jedem einzelnen Thema alle Details zu erhalten, die für eine umfassende Sicht notwendig wären. Viele suchen also nach simplen Erklärungen.

Es ist eine Kunst, nicht ständig auf Nachrichten einzugehen, die komplexe Themen in mundgerechte Halbinformationshäppchen zurechtschneiden. Einfache oder extreme Aussagen generieren mehr Klicks und verbreiten sich schneller. Somit werden eher ungelöste Konflikte im öffentlichen Diskurs aufgenommen, als dass auf Themen eingegangen wird, bei denen Kompromisse eingegangen und Einigungen gefunden werden konnten. Und diese von der Konfliktbetonung generierte Stimmung der Feindseligkeit spiegelt sich dann in der Gesellschaft wider. Wenn der Staat nicht schuld ist, dann sind es die linken Moralapostel, die Ausländerinnen und Ausländer oder die EU. Kein Wunder, dass viele aufhorchen, wenn ihnen im Gegenzug für ihre Stimme etwas Optimismus versprochen wird.

Die zunehmende Vereinfachung komplexer Themen in der öffentlichen Diskussion erfordert eine bewusste Anstrengung, sich nicht von simplen Erklärungen verführen zu lassen. Gerade in dieser Zeit ist es entscheidend, sich aktiv für eine differenzierte Betrachtung einzusetzen. Indem wir uns aktiv gegen den Kreislauf des Halbwissens stemmen, können wir einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der demokratischen Debatte leisten.

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