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Beromünster

Podium zum Verhältnis der Generationen mit Philosoph Ludwig Hasler: «Die Alten waren die privilegierte Gruppe»

«Generationen im Gespräch» – rund 60 Personen kamen in Beromünster in den Genuss einer Diskussion mit dem Philosophen Ludwig Hasler. Dabei ging es auch um das Ende von Gewissheiten.

Heimspiel für Ludwig Hasler in Beromünster: Der Sohn des Fleckens, Philosoph, Kolumnist, Redner, erwies sich als pointierter Denker über das Alter. Dies an einem Gesprächsabend an der Kanti mit Lehrerin Laetitia Kiener, der Kulturschaffenden und Studentin Gina Dellagiacoma und dem Co-Präsidium der Beromünsterer Schülerinnen- und Schülerorganisation: Julia Ineichen und Laurenz Pirchl. Paul Leisibach, ehemaliger Lehrer, leitete das Gespräch.

Das Thema des Abends: das Verhältnis zwischen den Generationen. Wie war das denn in der Coronazeit? Julia Ineichen fand es nicht ganz einfach, auf Freiheiten zu verzichten und zu sehen, dass Ältere sich nicht schützen, doch sie habe schon eine Verantwortung gespürt. Ob da etwas aufgebrochen sei, das nun gekittet werden müsse, will der Gesprächsleiter wissen. Laurenz Pirchl ortet eine «extreme politische Polarisierung», die aber vorher schon da gewesen sei. Da ist der Junge mit dem 78-jährigen Hasler einig: Der sieht darin eher «einen Brandbeschleuniger von vorher Verdrängtem».

Der Philosoph und gebürtige «Möischterer», Ludwig Hasler (78).
Bild: Bild: Peter Weingartner

Ludwig Hasler kommt in Fahrt. Rührend sei es gewesen, wie die Jungen Rücksicht genommen hätten. «Die Alten waren die privilegierte Gruppe», sagt er und setzt noch einen drauf: «Die Alten sind die hilfsbedürftige Fraktion, aber erst mit 90!» Da habe man den Tod vor Augen; das sei normal, und der Satz «Jeder Tote sei einer zu viel» provoziert ihn: «Wir pflegen keine Freundschaft mit unserer Endlichkeit; darum jammern wir.»

Bildungsrucksack taugt nicht für Zukunft

Natürlich ist auch die Schule ein Thema. Die Primarschule sei für ihn «eher eine Kinderrekrutenschule» gewesen, sagt Hasler. Das in einer relativ stabilen Welt, wo es um die Tauglichkeit für ein Leben in den Fussstapfen der Eltern gegangen sei. Anders heute: Wer weiss, was in 30 Jahren taugt? Den viel bemühten «Bildungsrucksack» hält er für ein «blödes Bild», vollstopfen bringe gar nichts. «Ihr müsst auf Expeditionen gehen», sagt er den Jungen, und es bewähre sich nur, was man intus habe: Wille, Neugier, Staunen.

Laurenz Pirchl und Julia Ineichen von der Beromünster Schülerinnen- und Schülerorganisation.
Bild: Bild: Peter Weingartner

Laurenz Pirchl und Laetitia Kiener verweisen auf den Lehrplan und dessen Grenzen. Kiener: «Wer weiss, welche Kompetenzen in 30 Jahren wichtig sind?» Hier bringt Paul Leisibach die Erotik ins Spiel, indem er aus einer Rede Haslers zitiert. Der deutscht aus: «Man muss den Gegenstand zu seiner Sache machen, ihn mögen, wie man eine Geliebte mag.» Mit Interesse und Raffinesse. Statt bockbeinig zu werden, sich dem Fach hingeben, auf dass das Fach sich dir hingebe. Bei Roger Federer erkennt er diese «Leistungserotik»: verliebt sein in das, was man tut. Nicht bloss absolvieren.

Klimakrise, Seuchen, Kriege, Hunger. Gina Dellagiacoma meint, auch frühere Generationen hätten ein solches Lebensgefühl gekannt: Kalter Krieg, der atomar heiss zu werden droht. Pirchl sieht Chancen in neuen Technologien (Energie, Mobilität), während Ineichen das Problem darin sieht, dass die Klimakrise nur zusammen angegangen werden kann.

Verzicht als Lebensgewinn umdeuten

Für Hasler bröckeln Selbstverständlichkeiten. Die «welthistorisch verschonteste Sippe» merkt: Nichts ist gesichert. Erstmals glaube die ältere Generation nicht mehr, dass sie den Jungen eine bessere Welt übergibt. Er bemüht Sisyphos, der glücklich seinen Stein den Berg hoch rollt. Seinen Stein. Das rette zwar nicht die Welt, aber ihn. Stolz und souverän sein: «Was mich angeht, zu meiner Sache machen.»

Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen: Spiele. Und Gespräche, analog, nährend. Gegen die Vereinsamung. Verzicht als Lebensgewinn umdeuten, postuliert Ludwig Hasler: «Wer, wenn nicht die Alten, sollte zeigen können, dass ein einfacheres, bedürfnisloseres Leben erstrebenswert ist?»

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