Andreas Mauz begrüsste an diesem Abend zahlreiche Gäste, die sich im Kloster Kappel bereits seit etlichen Stunden mit Texten von Peter Bichsel befasst hatten. Die Passagen aus Büchern, welche die deutsch-schweizerische Schauspielerin Miriam Japp vorlas, und die der Theologe Andreas Mauz kommentierte, kamen gut an.
Peter Bichsel und Religion? Andreas Mauz kennt diese Frage: «Wenn man nur ein flüchtiges Bild von diesem Schriftsteller hat, dann passt Religion nicht wirklich zu ihm.» Genau das mache ihn als Autor der 68er-Generation jedoch spannend: «Er schrieb nicht nur aus einer kritischen Perspektive gegen die institutionalisierte Religion, sondern hat einen ganz positiven Bezug zu ihr.» Der Theologe Andreas Mauz muss es wissen. Er hat im Jahr 2009 Bichsels wichtigste Schriften zum Thema Religion im Band «Über Gott und die Welt» herausgegeben.
Erfolgloser Gott
Einer der Texte heisst «Möchten Sie Mozart gewesen sein?» Bichsels Meditation zu Mozarts Credo-Messe kreist um die Themen Erfolg und Erfolglosigkeit. «Die Christen glauben an einen, der in dieser Welt erfolglos war. Ihr Gott hat keine Karriere gemacht, er ist nicht der Oberste einer Hierarchie», zitierte ihn Miriam Japp. Andreas Mauz sagte über Bichsels Mozart-Interpretation: «Die Aspekte Erfolglosigkeit und Minderheit gehörten zu einem der Kerngedanken von Peter Bichsels Christentum. Für ihn machten sie einen Menschen ein Stück weit frei.»
Laut Andreas Mauz war Bichsel das Oberste, das Heilige stets suspekt. Er schrieb: «Ich möchte einen Gott, der mit mir lachen kann. Einen Gott, der mit mir weinen kann. Seine Heiligkeit trennt ihn von mir. Dass er Mensch geworden ist, lässt mich ab und zu mit ihm ein Bier trinken. Aus demselben Glas.»
Religiöser Chaot
Ein weiterer bekannter Text Bichsels, aus dem Miriam Japp vorlas, heisst «Abschied von einer geliebten Kirche». Andreas Mauz erklärte dazu: «Er handelt von seiner Entfernung von der Kirche. Aber keine restlose. Die biografische Beziehung zur Religion, die ist bei Peter Bichsel bis zuletzt erhalten geblieben.» Von den beiden Bichsel-Kennern erfuhren die Gäste von Bichsels Neugier auf Religion: «Er war bis 13 ein begeisterter Sonntagsschüler, später sogar Sonntagsschullehrer», erklärte Mauz.
Es habe Sonntage gegeben, da besuchte er erst um neun Uhr die katholische Messe, und gleich anschliessend habe er Sonntagsschule in der reformierten Kirche gegeben. Peter Bichsel – erfuhren die Gäste von Andreas Mauz – sah sich selbst als einen «religiösen Chaoten».
Schelmisches Vergnügen
Die Gäste erfuhren, dass Peter Bichsel im Gegensatz zu seinen Eltern offen mit seinem Glauben umgegangen sei. Sein religiöses Bekenntnis habe für ihn mit Emanzipation zu tun gehabt. So skandierte er als Mitglied des «Jünglingsbundes» des Blauen Kreuzes alkoholfeindliche Slogans vor Solothurner Restaurants. Miriam Japp zitierte dazu aus Bichsels Text «Abschied von einer geliebten Kirche»: «Ich hatte den Dreh gefunden, gegen meine Eltern zu rebellieren, ohne dass sie viel dagegen tun konnten.» Und weiter: «Ich war Mitglied einer belächelten Kirche, und es bereitete mir schelmisches Vergnügen, dass mir diese Kirche niemand verbieten konnte.»
Peter Bichsel wandte sich allerdings bereits in jungen Jahren von der Kirche ab. «Mein Abschied von der Kirche begann damit, dass ich aus meinem Glauben eine Wissenschaft machen wollte», sagte er in einem Essay mit dem Titel «Abschied von der Kirche».
Andreas Mauz weiss: «Peter Bichsel ist nie aus der Kirche ausgetreten, aus der Sozialdemokratischen Partei aber schon.» An diesem spannenden Abend erfuhr das Publikum auch, was Peter Bichsel zum Thema Minderheit schrieb: «Ich weiss nicht, was ich ohne die Kirche wäre. Von ihr habe ich die Lust auf die Minderheit. Das christliche Versprechen. Das Versprechen auf eine Gegenwelt. Und dieses Versprechen hat mich für immer geprägt.»


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