
In diesen Tagen ziehen der Samichlaus und sein Gefolge wieder durch die Gassen. Ungeduldig wird er in unzähligen Stuben erwartet. Kinderherzen pochen, alles ist bereit für den hohen Besuch. Alle Jahre dasselbe – und doch jedes Mal wie zum ersten Mal.
In den vergangenen zwei Jahren war das Gefolge des Luzerner Pfarrei-Samichlauses St. Paul um eine ungewohnte Figur erweitert: den Luzerner Filmemacher Luzius Wespe («Mein Leben und der Notenschnitt», «Manne»). Er rief im Vorfeld bei den Familien an, stellte sich kurz vor. «Der Samichlaus hat mir Ihre Nummer gegeben», sagte er jeweils höflich und zurückhaltend. Ob er mit einem Kameramann dabei sein dürfe – ganz im Hintergrund? Nicht alle, aber viele Familien sagten Ja. Sie waren bereit, zu zeigen, wie ihre Kinder diesen alten Brauch heute erleben. Daraus ist der Kurzdokumentarfilm «Niggi Näggi – Der Samichlaus kommt in die Stadt» entstanden.

Wespe trat in rund 40 Wohnzimmer ein – immer mit einer Mischung aus Respekt, Vorsicht und Neugier. Er hörte Sprüchli und Blockflötenstückli, Lieder und Gedichte, sah glänzende Kinderaugen – und auch mal leicht feuchte. Das Filmteam nahm teil am intimen Samichlaus-Erlebnis der besuchten Familien.
Schon als Bub fasziniert
«Der Samichlaus hat mich schon als Bub fasziniert», sagt der Filmemacher im Gespräch in seinem Atelier an der Maihofstrasse. «Die Emotionen damals waren eine Gefühlsachterbahn aus Freude und Angst. So stark, dass ich mich 40 Jahre später noch daran erinnere.» Für ihn war der «Niggi Näggi» nie eine unheimliche Figur, sondern Teil der Kindheit – geheimnisvoll, ein bisschen streng, aber freundlich. Er sieht sich noch heute auf dem Sofa: kleiner Bub, grosse Augen, Kerzenschein, eine Stube, die warm und zugleich ehrfürchtig wirkte. «Diese Mischung aus Wärme und Angst hat sich tief eingeprägt.»
Mit seinen eigenen Kindern – drei und sechs Jahre alt – öffnete sich eine neue Ebene. «Sie schauen den Samichlaus mit einer Unbedingtheit an, die ich verlernt hatte», erzählt Wespe. Spannung, Staunen – und dieser kleine Zweifel, der Raum lässt für alles. Daraus wuchs die Idee zum Film: den Brauch von innen betrachten. Nicht erklären, nicht beurteilen. Einfach hinschauen, hinhören.
Zwischen Nähe und Unsichtbarkeit
Das Projekt nahm rund zehn Drehtage in Anspruch – ein leiser Tanz zwischen Nähe und Distanz. «Ein Funkmikrofon muss man vorsichtig anbringen, besonders bei Kindern», sagt Wespe. «Und der Chlaus darf nicht gestört werden.» Die Devise: im Hintergrund bleiben. Der Samichlaus blieb in seiner Welt, die Familien in ihrer – und dazwischen die Kamera.

Beim Schnitt zeigte sich: Der Zauber ist selten laut. Er steckt in winzigen Momenten – wenn ein Kind nervös am Pullover zupft, wenn der Chlaus improvisiert, wenn Eltern erleichtert durchatmen. Das filmische Rohmaterial war reich. Es musste sorgfältig selektioniert werden. Im Austausch mit Editor und Dramaturg Stephan Heiniger fand der Film seinen Rhythmus – eine Erzählung, die schweigt, wo Worte unnötig sind, und lauscht, wenn etwas schwingt.
Ein Brauch im Wandel
Wespe sieht in den Begegnungen weit mehr als ein vorweihnachtliches Ritual. «Früher war der Samichlaus Richter», sagt er. «Heute spricht er über Stärken, über Entwicklungsmöglichkeiten.» Und der Schmutzli – ist er noch immer «gfürchig»? «Nein. Einige Auswärtige waren zwar irritiert vom schwarz bemalten Gesicht. Das zeigt, wie wichtig es ist, Herkunft und Wandel einer Tradition zu erklären.» Beeindruckt hat ihn die Professionalität der Samichläuse: «Die sorgfältige Vorbereitung und das empathische Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Kindern haben mich sehr berührt.»
Wespe ist Mitautor und Regisseur bei der Luzerner Voltafilm GmbH und hat für seine bisherigen Werke viel positive Aufmerksamkeit erhalten. Seine Filme tragen unverkennbar eine feine, zurückhaltende und stets aufmerksame Handschrift. Zu seinen Arbeiten gehören «Manne» (2018) und «Mein Leben und der Notenschnitt» (2021) – ein präziser, liebevoller Blick auf den Übergang in die Oberstufe. 2026 folgt die Fortsetzung «Mein Leben nach dem Notenschnitt», in der dieselben Jugendlichen beim Start ins Berufsleben begleitet werden.
Und was kommt als Nächstes? Wespe verrät nur so viel: Wieder wird es um Kinder gehen. Um Übergänge. Um jene Blicke, die uns an etwas erinnern, das wir längst verloren glaubten. Ein Film, der die Welt durch Kinderaugen sieht – und diese uns ein Stück näherbringt.
«Niggi Näggi – Der Samichlaus kommt in die Stadt» wird am 6. Dezember um 15.20 Uhr auf SRF 1 ausgestrahlt. Danach ist er auf «SRF Play» und «PlaySuisse» verfügbar.
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