Philipp Unterschütz
«Gib den Kindern Zeit, um zu forschen, zu entdecken, zu staunen, zu lernen, zu spielen. Zeit, um das zu erarbeiten, wofür sie bereit und motiviert sind.» Damit erklärt die Beckenriederin Eveline Amstad (45) schon einen wesentlichen Teil der Philosophie der neuen Privatschule «Zeyt ha». Am 23. August wird in Nidwalden nach langen Jahren wieder eine Privatschule ihre Türen öffnen (siehe Box unten).
Die Kinder sollen nebst dem Erarbeiten der Lerninhalte des Lehrplans 21 viel Zeit für das freie Spiel und das kreative Tun haben, sagt Eveline Amstad. Eines der Hauptanliegen und ein grosser Unterschied zur Volksschule sei es, dass die Kinder in ihrem eigenen Tempo unterwegs sein könnten. «So wie jedes einzelne von ihnen ist, so ist es genau richtig. Jedes Kind an der ‹Zeyt ha› arbeitet individuell an eigenen Inhalten und kommt mit seinen Lernerfahrungen Schritt für Schritt voran.» Möglich macht dies die überschaubare Gruppengrösse von maximal zehn Kindern. «Klein, familiär, individuell – das birgt Möglichkeiten, welche die Volksschule nicht anbieten kann.»
Eveline Amstad betont aber, dass es kein Wunschkonzert gebe. Selbstbestimmung habe auch ihre Grenzen. «In unserem Lernalltag ist das strukturierte Lernen in den Lehrplan-21-relevanten Hauptfächern ein fest eingeplanter Bestandteil, wobei der zeitliche Umfang täglich variieren kann.» Die Individualität, die Tagesverfassung und das Tempo jedes einzelnen Kindes seien richtungsweisende Parameter.
Impuls kam aus der Familie
Die Mutter von vier Kindern im Alter von sieben bis zwölf Jahren weiss, wovon sie spricht. Ausgebildet am Kindergartenseminar mit Nachqualifikation für Zyklus 1 (Kindergarten bis zweite Klasse) hat sie in ihrer über 25 Jahre langen Tätigkeit als Lehrperson nach entsprechenden Ausbildungen auch eine Praxis als Mental Coach und Homöopathin geführt. Doch der zentrale Impuls zur Gründung einer Privatschule kam aus ihren eigenen familiären Erfahrungen.
Mit dem Eintritt ihrer Zwillinge in die erste Klasse erlebten sie und ihr Mann bei den Kindern nicht die erhoffte Freude am Lernen, sondern Frust, Trauer, Wut und Enttäuschung.
«Lernen wollten sie zwar, aber noch viel mehr wollten sie auch spielen. Das Lernen und das Spielen miteinander verbinden, das war ihr tiefes Bedürfnis – eben spielend lernen.»
Ab Sommer 2019 unterrichtete Eveline Amstad die vier Kinder schliesslich mit Bewilligung des Kantons zu Hause im Homeschooling. Nur die Fremdsprachen wurden von externen Lehrpersonen unterrichtet.
Im Alltag erlebe sie täglich, welche Potenziale in den Kindern stecken, sagt Eveline Amstad. «Lässt man ihnen Freiraum und Zeit, so können sie diese zur Entfaltung bringen. Ich habe gelernt, darauf zu vertrauen, dass das Lernen im Leben, im Alltag, einfach überall geschieht.» Immer mehr wurde es ihr Wunsch, dieses unbeschwerte, zu einem grossen Teil selbst bestimmte Lernen auch für andere Kinder ausserhalb ihrer Familie möglich zu machen. Im Homeschooling konnte sie dafür die Erfahrungen sammeln, vieles prüfen und festigen, was sie nun an der Privatschule einsetzen kann.
Vom Bildungsdepartement geprüft und bewilligt
Auf das neue Schuljahr hin kann Eveline Amstad starten. Mittlerweile ist die Bewilligung der Bildungsdirektion für die Privatschule «Zeyt ha» an der Oberen Allmend eingetroffen. Die inhaltliche Ausrichtung gehe mit den Anforderungen des Lehrplans 21 einher und die Qualitätssicherung sei damit eingehalten, schreibt das Amt für Volksschulen. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben wird halbjährlich überprüft und die Schülerinnen und Schüler müssen in der zweiten, vierten und sechsten Klasse wie an der Volksschule den sogenannten Asdema-Test absolvieren. Die Bewilligung der Privatschule gilt für Zyklus 1 und 2 – also vom Kindergarten bis zur sechsten Klasse. Das Angebot richtet sich an Lernende, die sich in einer kleinen, altersdurchmischten Gruppe wohlfühlen.
Bei den Räumlichkeiten hat Eveline Amstad Glück gehabt. Durch den Umzug der Spielgruppe «Zwärgeheysli» in den Kindergarten Allmend, wird im Sommer ein Lokal in der Oberen Allmend frei, das auch gut mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar ist. Das Bildungsdepartement hat es besichtigt und ebenfalls als geeignet befunden. Es sind drei Räume, die auch Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder bieten und eine Küche, wo dreimal pro Woche für die gemeinsame Verpflegung gesorgt wird. In den Pausen steht eine grosse Terrasse mit wunderbarer Aussicht zur Verfügung. Anwesend sind im Schulalltag für die Gruppe von maximal zehn Kindern immer zwei Lehr- und Begleitpersonen. Zum sechsköpfigen Team unter der Leitung von Eveline Amstad gehören neben drei Lehrpersonen auch eine Praktikantin und eine Pensionärin.
Mehr Informationen unter www.privatschulenidwalden.ch
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