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Luzern

Nicht einmal Jodeln ist möglich: Wie ein Luzerner Auswanderer den zweiten Lockdown in Neuseeland erlebt

Seit 1977 lebt Oscar Roggen (78) in Neuseeland. Dort trifft er sich normalerweise mit anderen Auslandschweizern zum Kaffee und zum Jodeln – doch zurzeit ist nichts mehr, wie es war.
Das Alphorn ist auch während des Lockdowns immer dabei: Oscar Roggen vor der Skyline Aucklands. (Bild: Matthias Stadler (20 August 2020))
Oscar Roggen mit seinem speziellen «Luzerner» Nummernschild. Es zeigt seine Verbundenheit mit der ursprünglichen Heimat. (Bild Matthias Stadler)

Matthias Stadler aus Auckland

Matthias Stadler aus Auckland

Neuseelands grösste Metropole, Auckland, befindet sich seit Mitte August in einem zweiten Lockdown. Die Stadt mit ihren knapp 1,7 Millionen Einwohnern ist vom Rest des Landes abgeschottet. Schulen, Museen und Bars sind wegen des erneuten Ausbruchs von Covid-19 geschlossen. Restaurants dürfen nur Take-away anbieten. Der Lockdown dauert voraussichtlich bis nächsten Sonntag. Betroffen davon ist auch der 78-jährige Luzerner Oscar Roggen, der 1977 nach Neuseeland auswanderte. Unser Autor hat ihn in Auckland zum Gespräch getroffen.

Oscar Roggen, wie ist zurzeit die Stimmung in der Stadt?Die meisten meiner Bekannten sagen sich: Es ist, wie es ist. Man kann es nicht ändern. Aber ich kenne auch einige Personen, die Mühe mit der Situation haben. Denn schliesslich ist es bereits der zweite Lockdown hier. Auf mich hat die Situation insofern einen Einfluss, als ich nicht mehr Badminton spielen kann. Das mache ich sonst vier- bis fünfmal pro Woche. Sonst geht es mir gut.Normalerweise gehen Sie jeden Samstagvormittag in ein Schweizer Café in der Nähe, das von einer Luzernerin geführt wird und wo Sie andere Auslandschweizer treffen. Was machen Sie nun stattdessen?Wir haben angefangen, uns online zu «treffen». Jeder sitzt am Samstagvormittag vor der Webcam bei sich zu Hause und trinkt einen Kaffee. So können wir nach wie vor miteinander diskutieren. Das haben wir auch schon beim ersten Lockdown so gemacht.Dieser dauerte von Ende März bis Mitte Mai. Ist es für Sie nun ein grosser Unterschied zu diesem ersten Lockdown?Der aktuelle dauert hoffentlich nicht so lange wie der erste. Ansonsten sind die Massnahmen sehr ähnlich, vielleicht momentan nicht ganz so streng, da nicht die höchste, sondern «nur» die zweithöchste Alarmstufe ausgerufen wurde. Aber ich habe auch so Respekt davor. Aber Angst habe ich keine. Denn vor acht Jahren hatte ich Lymphknotenkrebs, von dem ich mich wieder erholt habe. In meinem Alter sage ich: Wenn etwas passiert, dann ist es halt so. Ich hatte ein gutes Leben.Sie jodeln seit Jahrzehnten mit anderen Schweizern in Auckland. Das ist nun wohl auf Eis gelegt?Ja, das ist momentan nicht möglich. In normalen Zeiten sind wir 14 Auslandschweizer, die in der «Swiss Kiwi Yodel Group» alle zwei Wochen proben. Seit 42 Jahren mache ich dort mit – obwohl ich klassische Musik eigentlich lieber höre. Die Kameradschaft und die Musik verbinden. Zudem spiele ich Alphorn in einer kleinen Gruppe von fünf Personen. Ich habe es immer in meinem Auto, falls sich irgendwo eine Gelegenheit ergibt, um zu spielen – etwa am Strand.

Video eines Auftritts des Alphorn-Ensembles der «Swiss Kiwi Yodel Group»:

Sie wanderten vor über 40 Jahren von Luzern nach Neuseeland aus. Verfolgen Sie die Geschehnisse in der Schweiz noch?Auf alle Fälle. Jeden zweiten Tag schaue ich die Tagesschau. Ich tausche mich auch regelmässig mit meinem Bruder in Wädenswil und meiner Tochter, die oft in Luzern Konzerte gibt, aus. Zudem hatte ich während Jahrzehnte das «Vaterland» und später die «Luzerner Zeitung» abonniert. Jeden Tag habe ich eine Ausgabe nach Neuseeland geliefert bekommen, natürlich mit ein paar Tagen Verzögerung. Das hat mich eine schöne Stange Geld gekostet.Sind Sie also auch nach über 40 Jahren in Neuseeland noch stark mit der Schweiz verbunden?Ich bin eindeutig ein Schweiz-Neuseeländer. Das heisst, die Schweiz bedeutet mir nach wie vor viel. Ich habe wunderbare Erinnerungen an meine Jugendzeit im Luzerner Würzenbachquartier. Mit einigen Jungwacht-Freunden stehe ich auch jetzt noch in regelmässigem Kontakt. Und jedes Mal, wenn ich nach Luzern reise, gibt es ein Treffen mit ihnen.

Zur Person: Oscar Roggen kam in Murten FR auf die Welt. Als Kind zog seine Mutter mit ihm und seinen zwei Geschwistern nach Luzern. An der Haldenstrasse machte er in den 60er-Jahren die Lehre zum Zahntechniker. Danach lebte er einige Zeit in Südafrika. 1977 wanderte er schliesslich nach Neuseeland aus. «Die Schweiz war für mich nach sechs Jahren in Südafrika einfach zu klein geworden», sagt er. In Neuseeland baute er sich in Auckland als Mitinhaber des grössten zahntechnischen Labors der Stadt eine Existenz auf. Er ist pensioniert und hat einen Sohn sowie eine Tochter, die am Konservatorium der Hochschule Luzern studierte und nun regelmässig als Violinistin auch in der Schweiz auftritt.

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