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Buchtipp

Neuer Roman von Wolf Haas: Wackelkontakt im Gehirn

Der österreichische Schriftsteller Wolf Haas zeigt einmal mehr, dass er nicht nur Krimis schreiben kann, sondern auch grosse Literatur mit Witz, Stil und doppeltem Boden.

Jetzt ist schon wieder was passiert... Wolf Haas-Fans werden bei diesem Satz hell­hörig, denn so beginnen alle Brenner-Krimis des beliebten österreichischen Autors. In «Wackelkontakt», seinem neuen Roman, fehlt der Satz – ebenso wie Privatdetektiv Brenner. Und doch passiert eine ganze Men­ge. Haas bleibt sich treu: Er ex­perimentiert mit Sprache, Struktur und Erzählweise – und erschafft einen Krimi, der keiner ist, aber mindestens so spannend.

Ein Escher im Romanlabyrinth

Haas wagt ein literarisches Ex­periment, das an M.C. Eschers berühmte Lithografie «Zeichnende Hände» erinnert: Zwei Hände, die sich gegenseitig zeichnen – ein Bild von verschachtelter Selbstreferenz. Genauso funktionieren die ineinandergreifenden Geschichten in «Wackelkontakt».

Eine der beiden Hauptfiguren, sinnigerweise Franz Escher genannt, bemerkt in seiner Wohnung einen Wackelkontakt in einer Steckdose. Während er auf den Elektriker wartet, liest Escher in einem Roman, der vom Mafia-Aussteiger Elio Russo handelt. Dieser sitzt als Kronzeuge in Sizilien im Gefängnis, wartet auf seine Freilassung und liest, um Deutsch zu lernen, einen Roman eines Zellengenossen, in dem der Protagonist Escher auf einen Elektriker wartet und unter­dessen einen Roman liest...

Hin und her geht’s in der Geschichte: Man sieht zu, wie Franz fahrlässig den Elek­triker tötet. Wie kommt er da wieder heil aus dieser Geschichte heraus? Und man begleitet den Ex-Mafioso bei seinem Zeugenschutzprogramm in Deutschland. Schafft er es, seine Spuren in Sizilien zu verwischen und wieder Fuss im Leben zu fassen?

Gaby Mattmann, Bibliothek Zug.
Bild: zvg

Lesevergnügen mit Schwindelgefühl

«Wackelkontakt» ist ein in­tellektuelles und zugleich unterhaltsames Vexierspiel. Haas zeigt einmal mehr, dass er nicht nur Krimis schreiben kann, sondern auch grosse Literatur mit Witz, Stil und doppeltem Boden. Die Pointen kommen – typisch Haas – oft hinterrücks, sprachlich fein und mit subversivem Humor.

Das verschwommene Cover des Romans ist Programm: Auch beim Lesen fragt man sich immer wieder, was hier eigentlich genau passiert – und staunt über die kunstvolle Kon­struktion der Geschichte. Es ist ein Buch, bei dem man zwischendurch laut lachen, dann wieder verwundert innehalten muss – und am Ende denkt: Wie genial ist das denn?

Der Autor liest übrigens im Dezember 2025 im Kaufleuten in Zürich. Nicht alle Autorinnen und Autoren können ihre Werke präsentieren. Haas kann’s.

Fazit: Nachdrückliche Empfehlung. Pass auf, du vergisst beim Lesen glatt das Essen auf der Herdplatte!

Wolf Haas: Wackelkontakt, Hanser Verlag, 2025

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