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Luzern

Sempach wird zum Weinbaugebiet – Liebhaber pflanzen rund 10'000 Reben

Einheimische Weinliebhaber und ein Landwirtschaftsbetrieb pflanzen beim historischen Weiler Kirchbühl rund 10'000 Reben. Damit wird eine alte Tradition wiederbelebt. Beteiligt ist unter anderem der ehemalige Stadtpräsident Franz Schwegler.
Dank ihnen wird Sempach zum Weinbaugebiet: Die Initianten Beat Felder und Franz Schwegler sowie die Landbesitzer Martin und Lukas Gassmann (v.l.).
(Bild: Nadia Schärli (16. März 2021))
Die Kirche St.Martin beim Weiler Kirchbühl ob Sempach.  (Bild: Pius Amrein)

Reto Bieri

Reto Bieri

Noch ist da nur eine Wiese. Schon bald aber werden unterhalb des malerischen Weilers Kirchbühl rund 10'000 Weinreben in die Erde gepflanzt. Auf dem leicht abfallenden Hang hinunter bis zur Autobahn entsteht auf rund 1,7 Hektaren Fläche ein stattlicher Rebberg. Vom Hügel blickt man auf das Städtchen Sempach und den See, im Hintergrund glänzt weiss die Alpenkette: Der Ausblick ist schlicht grandios.

Auch die Ausrichtung nach Süden sei wegen der Sonneneinstrahlung perfekt für einen Rebberg, sagt Beat Felder beim Besichtigungstermin am Dienstag. Der Zentralschweizer Rebbaukommissär hat von Berufs wegen ein Auge für geeignete Hänge – und dieser hat es ihm schon lange angetan. Mit der Besitzerfamilie habe er schon vor über zehn Jahren zum ersten Mal darüber gesprochen, hier einen Rebberg anzulegen.

Die gleiche Idee hatte auch Franz Schwegler, der bis im vergangenen Jahr Stadtpräsident von Sempach war. Über gemeinsame Freunde haben sich die beiden Weinliebhaber gefunden. Sie beschlossen, etwas zu unternehmen, und gründeten mit weiteren Gesellschaftern die Firma Weinbau Sempachersee GmbH. Präsidiert wird sie von Walter Huber aus Sursee. Beteiligt sind zudem Philipp Neff, ebenfalls aus Sursee, sowie die Weinhandlung Gerstl, laut Beat Felder einer der führenden Anbieter für qualitativ hochstehende Schweizer Weine. Felder ist für die fachlichen Bereiche des Projekts zuständig. Neben seiner Haupttätigkeit als Rebbaukommissär führt der 61-Jährige das Weingut Mariazell in Sursee.

Landwirte pflegen Reben, GmbH kümmert sich um Vermarktung

Von der grossen Erfahrung von Beat Felder profitieren möchte die Landwirtefamilie Gassmann. Ihr gehören rund 1,3 Hektaren des geplanten Rebbergs im Kirchbühl. Zusätzlich haben sie von der Stadt Sempach eine 0,4 Hektaren grosse Parzelle gepachtet. Beim Projekt ist die Zuständigkeit aufgeteilt: Familie Gassmann ist verantwortlich für die Pflege und Betreuung des Rebbergs, die Weinbau Sempachersee GmbH für Verkauf und Vermarktung.

«Wir sind froh, dass wir vom Know-how von Beat Felder profitieren können», sagt Martin Gassmann, der den vielseitigen 29-Hektaren-Hof seit diesem Jahr zusammen mit Sohn Lukas als Generationengemeinschaft führt. Neben der Milchwirtschaft ist ihr zweites grosses Standbein der Anbau von Beeren, vorwiegend Himbeeren, Heidelbeeren und Kirschen. Lukas Gassmann sagt:

«Dieses pflanzenbauliche Wissen erleichtert uns den Einstieg als Winzer.»

Vertraglich geregelt ist, dass die Weinbau Sempachersee GmbH die Trauben von Martin und Lukas Gassmann erwirbt und sie anschliessend vermarktet. Wo der Wein gekeltert wird, ist noch offen, man stehe in Verhandlungen. Die erste Ernte erwartet Beat Felder in etwa vier Jahren. Die genauen Anfangsinvestitionen wollen Felder und Schwegler nicht preisgeben. Sie würden sich im tiefen sechsstelligen Bereich bewegen. Das Projekt könnte dereinst ausgedehnt werden, angrenzende Parzellen sind für den Weinbau geeignet.

Qualität statt Quantität

Angebaut werden 40 Prozent rote und 60 Prozent weisse Sorten. Bei den regionalen Weinen seien weisse gefragter, begründet Felder. Bei den weissen Sorten handelt es sich um Souvignier gris, Blütenmuskateller und Donauriesling. Die beiden letzteren sind laut Felder für die Schweiz Neuheiten. Alle drei sind sogenannte Piwi-Sorten, also weniger anfällig für Pilze. Bei den Rotweinen wolle man auf die zwei bewährten Sorten Pinot noir und Merlot setzen. Rund 10'000 Flaschen Jahresproduktion sind geplant. Das ist gemessen auf die Fläche zwar wenig, «aber wir wollen Qualität vor Quantität», sagt Franz Schwegler.

Das Projekt liegt dem ehemaligen Stadtpräsidenten besonders am Herzen, denn er ist im Kirchbühl geboren. Die regionale Produktion von Lebensmitteln werde bei den Konsumenten immer wichtiger, so Schwegler:

«Der Wein hat bislang in Sempach gefehlt.»

Zwei Winzer mit einer Fläche von rund 0,3 Hektaren gebe es im Ort zwar, sie könnten die Nachfrage aber nicht abdecken. Im Kirchbühl erhält Sempach nun den ersten grösseren Rebberg.

Kirchbühl-Tropfen als Sempacher Stadtweine

Das Potenzial für einheimischen Wein sei vorhanden, ist Schwegler überzeugt. Sieben Wirtshäuser und rund 25 Detailhandelsgeschäfte gebe es noch im Städtchen, rund um den See zudem viele Seminarhotels und Restaurants. Alleine der Camping in Sempach zählt rund 60'000 Übernachtungen pro Jahr. «Während der Coronapandemie im letzten Sommer, als viele welsche Touristen in unsere Gegend kamen, hat die Nachfrage nach einheimischem Wein nochmals zugenommen», so Schwegler. Zudem sei Sempach eine festfreudige Gemeinde. Besonders freuen würde sich der ehemalige Stadtpräsident, wenn die Kirchbühl-Tropfen dereinst als offizieller Sempacher Stadtwein ausgeschenkt werden.

Mit den Rebbergen im Kirchbühl, in Eich, Schenkon und Sursee erstreckt sich entlang des Sempachersees nun ein Weingebiet. Schwegler sagt:

«Wer weiss, vielleicht werden wir in Zukunft sogar so bekannt wie die berühmten Waadtländer Weinbaudörfer des Lavaux am Genfersee.»

Sempach solle künftig nicht nur wegen der Schlacht und der Vogelwarte ein Begriff sein, sondern auch wegen des Weins.

Mit dem Projekt wird zudem eine alte Tradition wiederbelebt: «Wygart», also «Weingarten» heisst seit jeher das Grundstück, wo nun ab etwa Mitte Mai die ersten Reben gepflanzt werden. Unter der mehr als tausend Jahre alten Kirche verbergen sich die Überreste einer römischen Villa, das Kirchbühl befand sich an einer Römerstrasse. Bekanntlich brachten die alten Lateiner den Weinbau über die Alpen. Auch sie haben mit Sicherheit die gute Lage des Kirchbühls erkannt.

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