Roger Rüegger
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Konnten Sie bei den Bieretiketten frisch von der Leber zeichnen?Amadeus Waltenspühl: In einem Auftrag suche ich immer auch mein persönliches Interesse. Wenn dies das Produkt oder die Kundschaft erlaubt, kann ich meine ganze Energie einbringen und Berge versetzen.Wie viel Ihrer Energie steckt in dieser Arbeit?Bei fast allen kommerziellen Aufträgen von Firmen ist vieles vorgegeben. In diesem Fall waren die Schrift und das Layout gesetzt. Dass dabei das alte Eichhörnchen wieder hervorgeholt wurde, hat mich extrem gefreut. Weil ich das Produkt gut kenne und es auch konsumiere, war es mir ein Anliegen, etwas Cooles zu zeichnen, das mir persönlich gefällt. Ich habe tatsächlich viel Energie aufgewendet.Am Eichhorn hatten Sie nichts zu rütteln?Das gefiel mir immer sehr gut und es war mitentscheidend, dass ich den Auftrag angenommen habe. Die Zusammenarbeit war generell sehr gut. Die verantwortlichen Leute bei Eichhof waren interessiert an mir. Ihnen war meine Meinung wichtig. Beide Seiten mussten Kompromisse eingehen. Es war ein Pingpongspiel, das es brauchte, bis alle zufrieden waren.Die Spezialbiere sind mit Geschichten von bissigen Ponys oder der stürmischen Barbara versehen. Worauf legten Sie den Fokus beim Stil?Eichhof tranken schon unsere Väter und Grossväter. Für eine Brauerei muss beim Bewerben meines Erachtens Tradition stark eingebunden werden. Ich liess mich bei der Gestaltung deshalb auch an älteren Stilen wie dem Kupferstich oder dem Holzschnitt inspirieren. Durch meine Hand erfuhren die Zeichnungen aber auch einen modernen Touch.Erkennt man die Handschrift des Künstlers Amadeus Waltenspühl?Wenn man sich mit meinen Arbeiten auseinandersetzt, wahrscheinlich schon. Es unterscheiden sich zwar viele Zeichnungen voneinander, weil ich verschiedene Einflüsse mitnehme und ich nicht einen bestimmten Stil anstrebe. Aber meine Handschrift bleibt immer.Die Zeichnungen und Geschichten auf den Etiketten könnten auch als Comic publiziert werden. Wäre das für Sie eine Option?Nicht diese Geschichten. Aber Comics sind generell eine grosse Leidenschaft von mir. Meine Masterarbeit machte ich zu diesem Thema und eine Wand meines Arbeitszimmers ist praktisch von Comicalben verdeckt. Für die «Süddeutsche Zeitung» zeichnete ich zudem regelmässig kleine Storys und es gab unter anderem Comics von mir für die Postfinance und die Concordia.Gestalten Sie als Luzerner Künstler auch Fasnachtsplaketten?Anfragen erhalte ich häufig, aber ich gestaltete nie eine. Ich lehne generell viele Aufträge ab, weil ich als Einzelunternehmen keine Kapazität für alle Angebote habe. Wenn ich Fasnächtler wäre, hätte ich mir wahrscheinlich die Zeit für eine Plakette genommen.Übernehmen Sie also vorwiegend Aufträge zu Themen, die Ihnen nahe sind und von denen Sie etwas verstehen?Das ist nicht entscheidend. Es ist selten der Fall, dass ich ein Produkt, welches ich bewerbe, so gut kenne wie das Eichhof-Bier. Ich kreiere auch Plakate für Partys, deren Musikstil nicht meinem Geschmack entspricht. Das bedeutet nicht, dass ich diese nicht trotzdem gut bewerben kann. Bei der Auswahl eines Jobs ist für mich eher entscheidend, ob sich im Prozess interessante Abläufe entwickeln oder dass es vom Stil her eine Herausforderung wird.Gibt es ein Beispiel?Ich arbeitete für die Swiss Football League, die Fifa oder auch für die Champions League, obwohl ich kaum Ahnung von Fussball habe und er mich nicht interessiert. Es waren aber alles spannende Aufträge. Einige mit realistischen Sujets für Veranstaltungen, Jahresbericht-Titelseiten oder Maskottchen für die Jugendweltmeisterschaften in Chile, Indien, Jordanien und Costa Rica. Die eine Illustration, die man von mir kennen sollte, gibt es jedoch nicht. Ich machte zudem über 1000 Plakate, viele davon im Bereich der Kultur. Am ehesten könnte man das Luzerner Wimmelbuch kennen oder einige Coop-Taschen.Mit einer Ihrer Coop-Taschen hat man Frau Merkel gesehen. Haben Sie Kontakte?Das nicht. Vielleicht hat sie das Design mit dem Eisbären angesprochen, aber höchstwahrscheinlich war es reiner Zufall.Wie auch immer. Die Eichhof-Etiketten werden beachtet. Sind diese eine Sonderserie oder bleiben die vorerst?Ein grosser Teil des Eichhof-Sortiment erscheint in einem neuen Design.Sie erwähnten, dass Sie Plakate für Partys zeichnen. Derzeit finden keine statt!Weshalb dieser Teil meiner Arbeit völlig weggebrochen ist. Dabei liebe ich es, abseits von kommerziellen Aufträgen Plakate für die Kulturszene zu zeichnen. Hier kann ich mich ohne enge Vorlagen einbringen, weil die Prozesse mit Marketingabteilungen wegfallen. Die künstlerische Freiheit ist mir wichtig. Die letzten fünf Jahre habe ich 50 Prozent in die Kultur eingesetzt und über 100 Plakate pro Jahr für Events gezeichnet. 2020 waren es zehn Events – von denen fanden fünf nicht statt.Wechseln wir von der Grafik zur Musik. Sie haben als sehr junger Musiker einen Preis an einem Festival gewonnen.Als Neunjähriger spielte ich mit einem selbstgebastelten Schlagzeug als Einmannband am Luzerner Strassenmusikfestival und gewann mit Teilnehmenden anderer Kategorien. In der «Tagesschau» wurde ich damals als Amadeus angepriesen.Hat Sie das beflügelt?Ich wollte nur etwas Taschengeld verdienen, da hat sich eine kleine musikalische Karriere angekündigt. Infolgedessen tourte ich damit durch die Schweiz. Ich habe wohl auch als einer der ersten Beatboxer in Luzern Auftritte gehabt und trat auch mit dem Schlagzeug in diversen Bands und Formationen auf. Wie stark sind Sie in der Kultur verankert?Meine Vergangenheit hat im Wesentlichen dazu geführt, dass ich heute als selbstständiger Grafikdesigner und Illustrator leben kann. Durch die Musik mit vielen Auftritten knüpfte ich Kontakte mit anderen Musikern, Veranstaltern und Clubs und baute mein Netzwerk auf. Meine ersten Jobs und Aufträge hatten einen Zusammenhang mit der Kultur. Und als ich zusammen mit anderen Leuten das Label Korsett Kollektiv gründete und begann, Veranstaltungen zu organisieren, bot ich mir selber eine Plattform, um Werbung zu gestalten. Zudem war ich an Partys, Konzerten und Festivals auch sehr aktiv als VJ mit Videoprojektionen und Live-Animationen.Auch die Frontseite der LZ-Weihnachtsausgabe 2016 haben Sie gezeichnet. Erinnern Sie sich?Ich zeichnete Tiere am Waldrand, die zusammen Tee trinken. Ein lieblicheres Bild habe ich wahrscheinlich nie zuvor gemalt. Trotzdem gab es gemäss Angaben der LZ kritische Leserbriefe, weil keine Heiligen abgebildet waren.Sie wurden im selben Jahr von der Swiss Graphic Academy als Grafiker des Jahres ausgezeichnet. Was haben Sie Eindrückliches erschaffen?Es ging nicht um eine bestimmte Arbeit oder einen Wettbewerb. Die Auszeichnung resultierte aus einem Voting von rund 500 Grafikern und Illustratoren. Das war auf jeden Fall eine schöne Anerkennung, ohne dass es jetzt explizit bedeuten würde, dass ich der Beste sei.Für die Luzerner Brauerei offenbar schon. Wie fühlt es sich an, wenn die eigenen Zeichnungen auf dem Lieblingsbier abgebildet sind?Sehr gut. Ich freue mich darauf, mit «meinem» Bier in einer Bar anstossen zu können.