Es gibt nur wenige Gebiete in der Stadt Luzern, die sich so dynamisch entwickeln wie Tribschen-Langensand. Das zeigt ein Blick auf die Bauprojekte, die dort kürzlich umgesetzt worden sind oder es noch werden: Beispiele sind die Überbauungen EWL-Areal und Industriestrasse, die Erweiterung des CSS-Hauptsitzes, die Grosssiedlung Tribschenstadt, die Wohn- und Geschäftshäuser «Tribschen hoch 4» oder «Lou», das Stadthotel, mehrere Überbauungen rund um das Schönbühl-Shoppingcenter oder die See-Energiezentrale Wartegg.
Früher ging es dort beschaulicher zu und her. Das Tribschen-Langensand-Gebiet, von sich der Ufschötti/Langensandbrücke bis zur Horwer Grenze erstreckt, war lange von Weidland, Sumpf und einigen landwirtschaftlichen Gebäuden sowie herrschaftlichen Landsitzen geprägt. Eingesetzt hat die bauliche Entwicklung vergleichsweise spät. Entsprechend ist der Quartierverein Tribschen-Langensand, der heuer 100-jährig geworden ist, nicht so alt wie andere, die bereits das 150-Jahr-Jubiläum hinter sich haben, etwa Wächter am Gütsch (Untergrund), Hochwacht oder Obergrund.
Aus grossen Plänen ist nichts geworden
Markante Veränderungen gab es um 1900. Damals wurde die Gleisführung des Bahnhofs erneuert, wodurch dieser näher ans Tribschengebiet rückte, es aber auch teilweise vom Rest der Stadt abschnitt. Als Verbindungsachse wurde die Langensandbrücke realisiert. In dieser Zeit wurde auch das Tribschenmoos aufgeschüttet, wodurch unter anderem ein gradliniges Seeufer entstand (die Ufschötti wurde erst in den 1970ern aufgeschüttet). Es gab damals grosse Pläne mit einer schachbrettähnlichen Bebauung als Fortsetzung des Hirschmattquartiers.
Die Entwicklung verlief dann aber nicht so geordnet. Ein Grund dafür sei eine wirtschaftliche Baisse gewesen, die dem damaligen Bauboom ein Ende gesetzt habe, wie dem Buch «Die Bodenpolitik der Stadt Luzern» von Beat Mugglin zu entnehmen ist. Zudem wären aufwendige Fundamentierungen nötig gewesen, um im sumpfigen Boden grosse Blockrand-Überbauungen zu ermöglichen. Stattdessen entstanden neben Wohn- auch viele Industriebauten oder Lagerplätze sowie der städtische Werkhof.
Heimat einer Luftschiffhalle und des FCL
Das Tribschengebiet habe ein «Randdasein» gefristet, die städtebauliche Planung sei teils chaotisch verlaufen, schreibt Mugglin. Es habe «vielfältige Nutzungsabsichten» und auch «hochfliegende Pläne» gegeben. Besonders spektakulär war die Luftschiffhalle beim Wartegghügel, die um 1910 erbaut wurde und den Betrieb aufgrund des Ersten Weltkriegs aufgeben musste. Auch der FC Luzern hatte seine Spielstätte 1915 bis 1934 im Tribschen.
Der Quartierverein wurde am 19. Mai 1925 im Restaurant Unterlachenhof gegründet. Anlass sei die bauliche Entwicklung gewesen und die Absicht der Stadt, Industriebetriebe anzusiedeln, was Sorgen ausgelöst habe, zumal es 1923 bei einer Fabrik zu einer Explosion gekommen sei. Dies ist dem Buch «Tribschen: So entstand ein Quartier» zu entnehmen, das der Verein 1975 zum 50-Jahr-Jubiläum herausgegeben hat. Dessen Ziele waren unter anderem, die Anliegen der Anwohnenden gegenüber der Stadt zu vertreten und die Gemeinschaft im Quartier zu fördern. So setzte sich der Verein etwa für den Bau von Trottoirs, Kinderspielplätzen oder bessere Beleuchtungen und Busanschlüsse ein. Zudem organisierte er regelmässig gesellschaftliche Anlässe. Im Grossen und Ganzen ist das bis heute so geblieben.
Zunächst hiess der Verein «Unterlachen-Tribschen», während das Gebiet hinter der Kirche St. Anton entlang der Langensandstrasse bis zum Zweiten Weltkrieg mehr oder weniger unbebaut blieb. Das änderte sich gegen Mitte des 20. Jahrhunderts, weswegen der Verein 1957 in «Tribschen-Langensand» umbenannt wurde.
Zwei Gebiete mit unterschiedlichem Charakter
Das Langensandgebiet, auch «hinter der Gass» genannt, hat bis heute einen anderen Charakter als Tribschen-Unterlachen. Es ist vor allem von Wohnhäusern geprägt – auch wenn dort mit dem Schönbühl 1967 eines der ersten Shoppingcenter der Schweiz und kurz darauf mit dem Aalto-Hochhaus eines der markantesten Bauwerke der Stadt realisiert worden ist.
Das Tribschen- und Unterlachengebiet ist dichter bebaut und nach wie vor von vielseitigen Nutzungen geprägt. Es beherbergt Industriebetriebe wie Schurter und Seekag, weitere Unternehmen wie die CSS-Versicherung und Emmi oder das Depot der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL). Hinzu kommen diverse Bildungs-, Freizeit-, Sozial-, Kultur- und Sporteinrichtungen wie die Kanti Alpenquai, das Eiszentrum, die Felder des SC Obergeissenstein und des FC Kickers, die Bar 59, der Segelboothafen, das Treibhaus, die Ufschötti, das Richard-Wagner-Museum oder die Gassechuchi. Allerdings sind in den letzten Jahren mehr Wohnungen entstanden und Industriebauten verschwunden. Das vertrug sich immer schlechter mit dem Strassenstrich, der sich früher im Tribschen befand und ab 2012 ins Industriegebiet Ibach ausweichen musste.
Wie sieht Quartiervereinspräsident Michael Hofmann sein Quartier? «Es wird in der Aussenwahrnehmung oft unterschätzt, wohl aus historischen Gründen», sagt er. «Doch es ist das wohl vielfältigste Quartier der Stadt.» Durch die bauliche Entwicklung sei es jünger und lebendiger geworden. «Es gibt immer noch viele Alteingesessene, vor allem im Matthof-Gebiet, aber auch viele Zugewanderte, mehr Junge und Familien als früher.» Hofmann selbst beurteilt die Entwicklung positiv, «auch wenn das wohl nicht alle so sehen».
Mehr Junge in Quartier und Verein
Im Quartierverein kam es in den letzten Jahren ebenfalls zu einem Wandel. «Viele langjährige Mitglieder sind in den Hintergrund getreten, wir sind nun deutlich jünger und diverser aufgestellt», sagt Hofmann, der selbst 1987er-Jahrgang hat. Das habe Vor- und Nachteile. «Wir repräsentieren die Quartierbevölkerung besser als früher. Die ältere Generation hingegen war verbindlicher unterwegs. Es ist heute schwieriger, Leute zu finden, die sich im Verein fix engagieren wollen.» Für einzelne Anlässe Helfende zu finden, etwa via Whatsapp-Chat des Quartiervereins, sei dagegen gut möglich. «Das ist wohl eine Zeiterscheinung, die viele Vereine kennen.»
Welche künftigen Herausforderungen sieht Hofmann für das Quartier? Er beobachtet, dass an mehreren Orten Nutzungen in Konflikt geraten könnten, zum Beispiel im Bereich Industriestrasse/ Geissensteinring, wo im Umfeld der Gassechuchi neue Überbauungen entstehen. Oder rund um das Schulhaus Wartegg, wo neue Schulbauten, die Felder des SC Obergeissenstein und eine See-Energiezentrale Platz finden müssen. Alles unter einen Hut zu bringen, werde nicht einfach.
Ist im Quartierverein eine Trennung zwischen Tribschen und Langensand spürbar? «Früher war das so. Heute hat sich das entschärft. Im Alltag bewegt man sich ohnehin in beiden Quartierteilen», sagt Hofmann. Im Vereinsvorstand seien beide Gebiete gleich stark vertreten. Er macht den Vergleich mit den Quartierclubs FC Kickers (Tribschen) und SC Obergeissenstein (Wartegg/Langensand): «Zwischen den Fussballclubs gibt es noch eine gewisse Rivalität – im Quartierleben hingegen längst nicht mehr.»
«Tribschen: So entstand ein Quartier. Beiträge zur Geschichte der Gegend vor und hinter der Gass», verschiedene Autorinnen und Autoren, herausgegeben 1975 vom Quartierverein Tribschen-Langensand. «Die Bodenpolitik der Stadt Luzern», Beat Mugglin, herausgegeben 1993 von der Stadt Luzern.
 
  






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