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Luzern

Wind und Schnee statt Sonnenuntergänge: Emmer Naturfotograf veröffentlicht neues Buch

Der Luzerner Biologe und Fotograf Lorenz Andreas Fischer hat über Jahre hinweg immer wieder abgelichtet, was sich derzeit rasant verändert: die alpine Gebirgswelt. Resultat ist ein Fotoband, der fesselt und wachrüttelt.
Lorenz Fischer (Bild: Nadia Schärli (Luzern, 20. Februar 2018))
Unterwasser-Aufnahme der Verzasca im Tessin an einem schönen Herbsttag. (Bild: Lorenz Andreas Fischer)
Die Gletscherzunge des Glacier Blanc im Nationalpark Ecrins, Département Hautes-Alpes, in Frankreich.
(Bild: Lorenz Andreas Fischer)
Panoramabild von der Konkordiahütte aus gesehen über den Konkordiaplatz in Richtung Lötschenlücke mit Sattelhorn, Mittaghorn und Gletscherhorn in der Morgendämmerung.  (Bild: Lorenz Andreas Fischer)
Auftauender Bergsee unterhalb der Fuorcla d'Agnel nördlich vom Julierpass an einem bedeckten Sommernachmittag im Juli bei einem Wintereinbruch (Bild: Lorenz Andreas Fischer)
Berge um Zermatt und Matterhorn: Gletscherschliff-Platten oberhalb des Zusammenflusses von Gorner- und Grenzgletscher. (Bild: Lorenz Andreas Fischer)

Raphael Zemp

Raphael Zemp

Raphael Zemp

Raphael Zemp

Raphael Zemp

Raphael Zemp

Fels, Schnee und Eis, selten kümmerlich karges Grün. Das neuste Werk des 54-jährigen Luzerner Fotografen Lorenz Andreas Fischer gibt Einblick in eine wilde und raue Welt, die scheinbar aus nur wenigen Elementen besteht – und doch unendlich facettenreich ist: das Hochgebirge. Genauer: die Alpen. Jener Gebirgsrücken, der sich über Hunderte von Kilometern und mehrere Länder spannt und einige von Europas letzten Winkeln Wildnis beheimatet. Jene raue Welt, die Fischer seit Jahrzehnten in Bann hält und immer wieder zu mehr oder weniger langen Expeditionen aufbrechen lässt. Und die einem dramatischen Wandel unterworfen ist.

«Die Alpen, wie wir sie kennen und schätzten gelernt haben, wird es bald nicht mehr geben», sagt Fischer. Wir befinden uns in Emmenbrücke, wo die Züge nach Luzern eine Schlaufe fahren und sich eine Vielzahl von Betonquader in den Himmel schrauben. Im ersten Stock eines ebensolchen Wohnsilos hat Fischer sein Büro eingerichtet: eine geräumige 2-Zimmer-Wohnung. Was sich derzeit in den Alpen abspiele sei «gewaltig», «unvorstellbar» und ja, auch «bedauernswert».

Ewiges Eis – mit Ablaufdatum

Sinnbildlich dafür steht etwa der Rhonegletscher, den Fischer über Jahre immer wieder fotografiert hat. Wo vor 15 Jahren noch solides Eis auf Fels ruhte, konnte Fischer wenig später bloss noch einen See ablichten. Und selbst wenn die optimistischsten Prognosen der Experten eintreffen, wird vom einst stolzen Eisriesen nichts mehr übrig bleiben. Zu niedrig die Gipfel in seinem Einzugsgebiet, «sein Schicksal ist besiegelt». Alles, was bleiben wird vom nicht so ewigen Eis: «eine einzige, grosse Schotterpiste».

Dass sich Gewaltiges tut in Zentraleuropas grösstem Gebirgsmassiv, bestätigt auch die Wissenschaft. Schmelzende Gletscher, tauender Permafrost, Berge, die bröckeln und Wetterkapriolen, die sich über alle gängigen Modelle mokieren. All das findet ebenfalls Platz in Fischers neustem Werk. In Form von Kurzbeiträgen, verfasst von einer Handvoll ausgewiesener Wissenschafter «mit internationalem Renommee». Kunst und Wissenschaft werden vereint, gefüttert werden Seele und Geist gleichermassen. Fischer ist zwar Fotokünstler, hat aber auch ein Studium in Biologie absolviert.

Das Schöne in der Zerstörung

So sehr Naturwissenschafter Fischer die gegenwärtigen Prozesse bedauert: Zumindest Künstler Fischer sieht durch sein Objektiv nicht nur «Hunger und Elend», erkennt auch in diesem Wandel Schönheit hüben und drüben. Dabei interessiert ihn nicht das Grelle, das Bunte. Das macht Fischer bereits im Vorwort klar, wenn er schreibt: «Freundinnen und Freunde dramatischer Sonnenuntergänge und brennender Himmel werden zwischen diesen Buchdeckeln nicht fündig.»

Der aktuelle Fotoband zeigt vielmehr einen «neuen Fischer»: Einer, der sich eine reduzierte und schlichte Bildsprache zu eigen gemacht hat, die aber eine ungleich grössere Strahlkraft habe. Besonders angetan haben es ihm Aufnahmen, die bei unwirtlichen Bedingungen entstanden sind. Dann, wenn in der ohnehin rauen Bergwelt Winterstürme toben. «Im Zusammenspiel von Wind und Schnee entstehen Formen, die mich immer wieder aufs Neue zutiefst verblüffen.»

Grüne Wüsten und wilde Räuber

So gern Fischer über seine Fotokunst spricht, so unvermittelt gleitet das Gespräch immer wieder ab. Mal dreht es sich um intensive Landwirtschaft («Naturkiller Nummer 1») und Mittellandwiesen («grüne Wüsten»), dann wieder um die Wichtigkeit von Wildnis («die für den Menschen erfahrbar bleiben muss»). Bald wird der Schwund an Insekten, Vögeln und Fischen diskutiert («dramatisch»), bald die höchst kontroverse Frage, wie viel Bär, Wolf und Co die Schweiz verträgt («Grosswildtiere haben auch hier ihren Platz»). Unliebsames wird nicht beschönigt, Unangenehmes nicht verschwiegen. Fischer ist eben nicht nur Fotograf und Naturwissenschafter, sondern auch besorgter Bürger und engagierter Naturliebhaber.

Und einer, der genau weiss, wo seine wunden Punkte sind. Denn Fischer liebt zwar die unberührte Wildnis, trägt mit seinen interkontinentalen Fotoreisen, die ihn per Flugzeug in die entlegensten Ecken dieser Erde führen, gleichzeitig aber auch zu deren Zerstörung bei. Aber: Wer Wildnis erlebe, setze sich eher für deren Erhalt ein, kontert Fischer. Zudem seien gerade in Afrika Einkünfte aus dieser Art von Ökotourismus unabdingbar, um der weiteren Zerstörung von Regenwäldern und Co. Einhalt zu gebieten. «Ohne dieses Geld stünde es noch viel schlimmer um die Tier- und Pflanzenwelt.»

«Die Natur überlebt so oder so»

Das Kaffee ist leergetrunken, der Berg an scheinbar unlösbaren Problemen türmt sich immer höher, drückt auf die Stimmung. Höchste Zeit, um nach Überraschungen der positiven Art zu fragen, die das jüngste Buchprojekt mit sich gebracht haben. Und davon gibt es gleich mehrere. Etwa, dass es auch in den stark bewirtschafteten Alpen noch immer ruhige, abgeschiedene Ecken gibt. Dass jeder Streifzug in dieser Wildnis ihn noch immer mit einer tiefen Zufriedenheit erfülle. Dass die Berge ihm ein Leben im Hier und Jetzt ermöglichen, wo man keinen «Knochen» (Smartphone) zur Dauerbespassung brauche.

Tröstlich stimmt Fischer zudem auch ein anderer Gedanken. So sehr der Mensch seine Umwelt auch in Mitleidenschaft zieht: «Der Natur ist dies letztlich herzlich egal.» Sie werde so oder so überleben, in der einen oder anderen Form. «Ob es dann aber noch Platz für den Menschen hat? Das ist eine ganz andere Frage.»

Hinweis: Signierte Exemplare können beim Autor bestellt werden. Infos auf: www.lorenzfischer.photo

Und hier einige Bilder aus seinem Buch:

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