Rahel Hug
Hell und geräumig, wohnlich und modern: An der Luegetenstrasse 10 in Menzingen entsteht ein neues Pflegezentrum. Für rund 33 Millionen Franken wird ein Trakt des Alterszentrums Luegeten komplett ersetzt, der andere umfassend saniert.
Das Pflegezentrum ist für seine familiäre Atmosphäre bekannt und geniesst einen guten Ruf. Doch dieser sei nun in Gefahr, heisst es aus der Belegschaft der Luegeten. In einem anonymen Brief, unterschrieben mit «die restlichen Pflegenden», machen Angestellte ihrem Unmut Luft. In der Institution herrsche «eine grössere Krise». So hätten neben dem Geschäftsleiter auch der Leiter Pflege und der langjährige Küchenchef gekündigt. Zudem verlasse weiteres Personal aus der Pflege das Zentrum.
«Das Personal wird im Stich gelassen»
Für die Urheber des Schreibens steht fest: Schuld an der aktuellen Krise trägt der Verwaltungsrat. Dieser habe wenig Kenntnisse zur Leitung einer solchen Institution, mehrere Mitglieder kämen von extern. Die beiden Gemeindevertreter von Menzingen und Neuheim seien einfach nur von Amtes wegen dabei.
Gespräche mit mehreren Personen, die in der Luegeten tätig sind oder Mitarbeiter kennen, bestätigen, dass es in der Institution brodelt. Ein Insider, der nicht namentlich genannt werden möchte, sagt: «Das Personal wird im Stich gelassen und erfährt immer weniger Wertschätzung.» So seien vergünstigte Reka-Checks gestrichen und die Treuezulage eingefroren worden. Überstunden seien an der Tagesordnung, und dies nicht erst seit Corona.
Im kommenden Sommer ist bekanntlich der Umzug vom Provisorium im Eu in den Neubau vorgesehen. Drei Wochen vor und nach der Zügelwoche dürfe das Personal keine Ferien nehmen.
«Diese Feriensperre ist besonders für Angestellte mit Familie schlimm.»
Die Häufung an Abgängen habe allein mit der Stimmung im Betrieb zu tun, sagt der Insider und spricht von einer «Personal-Misswirtschaft». Viele im Haus würden mit dem Gedanken einer Kündigung spielen.
Laut einer Angestellten, die ebenfalls anonym bleiben will, kam es in der letzten Zeit zu neun Kündigungen. Wann ist die Stimmung gekippt? Für die Mitarbeiterin steht fest, dass ein Zusammenhang mit der Gründung der Luegeten AG 2015 besteht – damals gab die Hilfsgesellschaft Menzingen die Trägerschaft an die neue AG ab. «Die Kommunikation funktioniert seitdem nicht mehr wie früher, wir werden nicht mehr auf dem Laufenden gehalten und nicht mehr mit einbezogen», kritisiert sie. Auch sie spricht von mangelnder Wertschätzung, Überbelastung, schlechter Stimmung. Aber sie betont: «Ich möchte den Bettel nicht hinschmeissen. Wir haben einen guten Kern, das Team ist toll.» Der Verwaltungsrat wolle optimieren, verbessern, aber das Gegenteil passiere. «Da wird versucht, von aussen etwas zu verändern, was gar nicht zur Institution passt.» Die familiäre und persönliche Kultur in der Luegeten gehe verloren.
Gewachsene Strukturen würden nicht berücksichtigt
Eine weitere Mitarbeiterin bestätigt dies. Das Zentrum, das 2015 das 50-jährige Bestehen feierte, sei für sie ein zweites Daheim. Doch der Verwaltungsrat fahre es an die Wand. «Das Miteinander wird von oben unterbunden.» Es werde versucht, die Luegeten wie ein grosses Spital zu führen, anstatt die gewachsenen Strukturen zu berücksichtigen, ein «Stempel von aussen» werde aufgedrückt. In der Belegschaft trage niemand den Kurs des Verwaltungsrates mit, sagt sie. Und sie hat Respekt vor dem Frühling, wenn die Leute, die nun gekündigt hätten, weg sind.
«Es ist gerade in der aktuellen Situation nicht leicht, geeignetes Pflegepersonal zu finden.»
Der ehemalige Geschäftsleiter möchte sich auf Anfrage nicht äussern. Seit dem 18. Januar amtet Andreas Melliger als Interimsmanager in der Luegeten, bis die Nachfolge geregelt ist. Die Suche und Selektion befinde sich auf gutem Weg, erklärt der Verwaltungsratspräsident Jürg Brändli.
Fluktuationsrate von 23,9 Prozent im Jahr 2020
In der Luegeten arbeiten 76 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, verteilt auf rund 56 Vollzeitstellen. Jürg Brändli bestätigt, dass neben dem Geschäftsleiter auch die Leitung Pflege und der Küchenchef gekündigt haben und dass man seit September 2020 neun natürliche Austritte verzeichne. Die Fluktuationsrate ist mit 23,9 Prozent im Jahr 2020 im Vergleich zu den Vorjahren höher, jedoch nicht markant. Zur Kündigung mehrerer Kadermitglieder erklärt Brändli, die Situation sei unerfreulich und der Verwaltungsrat (VR) bedauere die Entscheidungen der langjährigen Geschäftsleitungsmitglieder sehr. Man stehe und bleibe in der Verantwortung und sei «willens, die Luegeten AG aus dieser Führungskrise zu führen». «Er ist auch zuversichtlich, dass dies gelingen wird.»
Die Änderungen bei den Reka-Checks und den Treueprämien würden sich nach dem Kanton Zug richten, der sein Personalreglement angepasst habe. Das Personalreglement, gültig seit dem 1. Januar 2020, sei vom VR einstimmig verabschiedet worden, im Vorfeld habe es keine Einwendungen seitens der Mitarbeitenden gegeben. Zudem hätten auch Vertreter aus der Belegschaft in der entsprechenden Arbeitsgruppe Einsitz genommen. Zum Vorwurf des Zügeltermins und der Feriensperre sagt Brändli: «Natürlich kann eine Feriensperre für Angestellte mit Familien ungelegen kommen, dafür habe ich Verständnis, und wir suchen im Rahmen der gesamten Ferienplanung in diesen speziellen Fällen nach Lösungen.»
Dass die Stimmung als schlecht wahrgenommen werde und der Vorwurf, dass die Führung nicht zur Luegeten passe, könne er «verstehen und akzeptieren». Er betont aber:
«Eine mangelnde Wertschätzung für die Leistungen und das Engagement der Mitarbeitenden hat es nie gegeben.»
Verschiedene Stellen konnten laut Brändli zwischenzeitlich wieder besetzt werden. «Die Suche nach der neuen Geschäftsführung und Leitung der Pflege und Betreuung befinden sich auf gutem Weg.» Der Zeitplan sehe vor, dass die Entscheidungen im März gefällt werden können.
Vom Personal wird viel Flexibilität gefordert
Im VR nehmen Susan Staub-Matti (Menzingen) und Roger Bosshart (Neuheim) als Vertreter der Gemeinden Einsitz. In einer gemeinsamen Stellungnahme schreiben sie, dass die Luegeten aktuell viele Herausforderungen zu meistern habe: Etwa die Coronasituation – mehrere Mitarbeitende und Bewohnende waren betroffen – und die etwas beengten Platzverhältnisse in der Übergangslösung. Vom Personal werde viel Flexibilität gefordert. «Die Geschäftsleitung wird sich bemühen, all die angefallenen Überstunden durch Freitage abzubauen und so die dringend nötige Erholung zu ermöglichen.» Parallel befinde sich die Institution im Prozess, sich auf die «neue Luegeten» und somit auf die moderne Infrastruktur vorzubereiten. «Arbeitsabläufe und Ziele werden überprüft, hinterfragt und auch angepasst.»