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Kantonsgericht Luzern

Mann überfällt 94-jährige Schwiegermutter – und stellt sie als böse, alte Frau dar

Ein Deutscher klaute der hochbetagten Mutter seiner Partnerin Geld. Dabei soll er gewaltsam vorgegangen sein. Nun kämpft er gegen den Landesverweis an.

Die Staatsanwältin spricht von einem «skrupellos geplanten Raub», einem «moralischen Verbrechen». Der Verteidiger hingegen bezeichnet das Geschehene als einen «Fehler in einer schwierigen Lebensphase», eine «überstürzte, unbedachte Handlung im Sinne einer Kurzschlussreaktion». Als Angeklagter steht an diesem Tag ein 62-jähriger Deutscher vor dem Kantonsgericht Luzern.

Er soll im Sommer 2022 eine damals 94-jährige Frau in ihrem Haus gewaltsam überfallen und ihr Portemonnaie gestohlen haben. Erstmals verhandelt wurde der Fall im Juli 2024, das Kriminalgericht verurteilte den Mann damals zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie zu einer Busse von 200 Franken und einem sechsjährigen Landesverweis. Ein Schuldspruch, den der Mann nicht akzeptierte – denn seine Version der Geschichte tönt ganz anders.

«Weiss nicht, wie sie so explodieren konnte»

Die alte Frau ist kein Zufallsopfer, sondern die Mutter seiner langjährigen Partnerin. Sie leben in einem Bauernhaus auf dem Land, auch der Beschuldigte wohnte eine Zeit lang bei ihnen. Vor Kantonsgericht betont er abermals, diverse Arbeiten im Haus verrichtet zu haben – etwa wenn Regen durchs Dach sickerte oder der Garten Pflege brauchte. Als Dankeschön habe ihm die Mutter seiner Partnerin Geld angeboten. «Ich lehnte ab und sagte zu ihr: ‹Wenn einmal eine Zeit kommt, in der es mir nicht so gut geht, wäre es schön, wenn du mir hilfst›. Der Tag kam, also ging ich zu ihr.»

Er habe zunächst beim Eingang geklingelt und als niemand öffnete, an die Scheibe der Küchentür geklopft. Da habe ihn die Seniorin für ein Gespräch reingelassen. «Weil ich meine Miete nicht zahlen konnte, bat ich sie, mir auszuhelfen. Sie war dazu aber nicht gewillt, es gab ein Wortgefecht.» Zugespitzt habe sich die Situation, nachdem er auf die Toilette wollte, diese aber verschmutzt war und er sie damit konfrontierte. «Sie wurde wütend und immer lauter, weil ich sie ertappt hatte. Um sie zu beruhigen, hielt ich ihr ein Kissen vors Gesicht. Ich weiss auch nicht, wie die Frau auf einmal so explodieren konnte.» Irgendwann soll sie zu ihm gesagt haben: «Dann nimm doch das Portemonnaie, wenn du es so dringend brauchst.» 2100 Franken reicher verliess er das Haus.

Rückblickend erklärt er sein Handeln mit einem «Blackout». Die Mutter seiner Partnerin bezeichnet er als senil und böse, sagt aber auch: «Dass die Sache so gekommen ist, tut mir herzlich leid. Und dass sie so schlecht von mir denkt, ist für mich unbegreiflich.»

Foto zeigt mutmassliche Bissspuren

Der Staatsanwältin, die am erstinstanzlichen Urteil festhält, stösst das sauer auf. «Er ist also der Muster-Hobbyschwiegersohn und sie ein Schmutzfink und die böse Frau», sagt sie und bemängelt, der Beschuldigte wechsle «seine Versionen des Tathergangs wie andere ihre Unterhosen». Auch das Kriminalgericht hält im Urteil fest, seine Aussagen seien im Gegenzug zu jenen des Opfers widersprüchlich und unglaubhaft.

Demnach soll die Frau den grossgewachsenen Eindringling erst bemerkt haben, als dieser mit einem Kissen vor dem Gesicht aus dem Bad gekommen sei. Der ihr in diesem Moment «unbekannte Mann» habe sie gepackt, umgedreht und ihr mit beiden Händen Augen, Nase und Mund zugehalten. In Atemnot habe sie in seine Hand gebissen, sodass er den Griff ein wenig lockerte und sie sagen konnte, wo sich ihr Portemonnaie befinde. Ein Polizeifoto dokumentiert die mutmasslichen Bissspuren.

Laut Staatsanwältin und Kriminalgericht sind die Handschuhe, die der Mann beim Überfall trug, Indiz für einen geplanten Raub. Selbst der Beschuldigte sagte einst der Polizei, er habe die Handschuhe mitgenommen, um keine Spuren zu hinterlassen. Nun erklärt er's mit dem Umstand, dass es im Haus eben «immer etwas zu tun gab». Angezogen habe er sie wegen der dreckigen Toilette – «und danach angelassen, warum auch immer.»

Der Mann, der mit 45 Jahren einwanderte, wehrt sich vor allem gegen den Landesverweis: «Ich habe keinen Bezug mehr zu Deutschland. Die Schweiz zu verlassen, wäre für mich sehr schlimm.» Sein Verteidiger plädiert darum auf einfachen Diebstahl. Eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten und die Busse seien angemessen, ein Landesverweis nicht. Das Urteil des Kantonsgerichts folgt.

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