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Luzern

Junge Frau übernimmt Holzbaubetrieb – und muss gegen Vorurteile kämpfen

Chantal Brauchli ist neue Inhaberin der Traditionsfirma Brauchli AG in Luzern. Sie bricht damit mit lang etablierten Rollenmustern.
Chantal Brauchli, neue Chefin der Schreinerei Brauchli. (Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 5. Februar 2021))
Chantal Brauchli mit ihrem Vater Peter Brauchli. Er überreicht ihr den Hobel, der in der Familie von Generation zu Generation weitergegeben wird.
(Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 5. Februar 2021))

Larissa Haas

Larissa Haas

Jeden Morgen gegen 8, sobald ihre beiden Töchter auf dem Schulweg sind, verlässt Chantal Brauchli ihre Wohnung. Sie geht ein paar Stockwerke tiefer zum Eingang der Brauchli AG, quer durch die Holzwerkstatt in ihr Büro am Ende des Gebäudes. «Auf dem Weg dorthin habe ich schon mindestens zwei Entscheidungen getroffen», sagt sie. Die 30-Jährige hat die Firma Anfang 2021 übernommen. Damit hätte sie bis vor wenigen Jahren nicht gerechnet:

«Eigentlich wollte ich ja Polizistin werden.»

Dass es anders kam, hat vor allem mit zwei Umständen zu tun: der Geburt ihrer Töchter und den Vermittlungskünsten ihres Vaters, des früheren Geschäftsinhabers Peter Brauchli. Als Chantal Brauchli mit 20 zum ersten Mal Mutter wurde, krempelte sie ihre beruflichen Ambitionen um. Mit einer kaufmännischen Ausbildung, war sie überzeugt, liesse sich Familie und Arbeit besser unter einen Hut bringen. Sie arbeite zunächst im Büro eines Sanitärbetriebs, bevor sie zwei Jahre später bei der Brauchli AG Luzern als Sekretärin einstieg. «Dies, weil mich mein Vater ohne mein Wissen bei meinem früheren Chef abgeworben hat», sagt sie lachend.

Familienbetrieb existiert seit über 120 Jahren

Beim Interview beantwortet Chantal Brauchli alle Fragen schnell und überlegt. Sie scheut sich nicht vor provokativen Aussagen und ist sehr ehrlich. Aussagen wie «Hobbys? Habe ich keine!» oder «Wenn ich etwas nicht mag, dann kochen» kommen ihr so einfach über die Lippen wie die über 120-jährige Firmengeschichte ihres Familienunternehmens: Die Brauchli AG Luzern wurde von ihrem Ur-Ur-Grossvater gegründet und beschäftigt heute rund 40 Mitarbeitende im Bereich Schreinerei und Zimmerei, darunter 10 Lernende.

Dank ihres Vaters, davon ist Brauchli überzeugt, ist die Firma in den letzten Jahren innovativ geblieben. Sie betont, dass sie hier ansetzen möchte: «Zum Bewährten Sorge tragen und Neues anpacken», so lautet ihr Leitsatz. Sie möchte etwa als «stärkster Partner für regionale Schreiner- und Holzbauarbeiten» gelten. Ihre fehlende handwerkliche Ausbildung sieht sie nicht als Nachteil. Sie sagt:

«Das ist sicherlich ein Handicap aber kein Hindernis, das fachliche Know-how wird durch unsere Mitarbeitende garantiert.»

In den Jahren als Sekretärin, danach als Buchhalterin und in der Personalabteilung des Unternehmens konnte Chantal Brauchli bereits einiges beeinflussen: «Vielleicht gerade, weil ich einen direkten Draht zu meinem Vater hatte», sagt sie.

Vielleicht aber auch, weil sich die Firmenkultur ihres Arbeitgebers schon längst in ihrem Kopf eingeschrieben hatte: Sie und ihre jüngere Schwester seien mit dem Familienunternehmen gross geworden, am Familientisch habe es etwa selten ein anderes Thema gegeben. «Ich wuchs gern so auf», betont sie, obwohl sie weiss, dass dies nicht nur Vorteile hatte: «Für viele gelte ich nach wie vor nicht als eigenständige Persönlichkeit, sondern als die Tochter des Chefs.»

Sie muss sich «doppelt oder dreifach» beweisen

Mehr zu schaffen macht ihr allerdings ein anderes stereotypes Bild: «Als blonde, junge Frau werde ich manchmal einfach nicht ernstgenommen.» Sie sagt, als Frau in der Baubranche müsse man ein «dickes Fell» haben: «Als Mann wäre es definitiv manchmal einfacher.» So müsse sie sich etwa immer «doppelt oder dreifach» beweisen, bis sie das Vertrauen der Menschen gewinne. Auch der Satz «Bist du sicher, dass du das machen willst? Das wird dann anstrengend!» habe sie vor der Geschäftsübernahme oft gehört:

«Bis heute halten mich viele noch für die Sekretärin oder degradieren mich mit einem flüchtigen ‹Hallo›, wenn sie am Empfang nach dem Chef suchen, bis ich dann klarmache, dass ‹er › vor ihnen steht.»

Dass Brauchli im Unternehmen dagegen als Chefin schnell akzeptiert wurde, erklärt sie sich so: «Unsere Leute haben bemerkt, dass es keine Rolle spielt, ob ich ein Mann oder eine Frau bin. Hauptsache, ich mache meinen Job richtig und gut.» Und weiter: «Wenn die Leute einmal wissen, dass man was auf dem Kasten hat, ist das Thema Frau oder Mann gegessen.» Damit dürfte sie in einer Position sein, in der sie innerhalb der Branche viel auslösen kann.

Sie sagt: «Ich möchte in meinem Betrieb für mehr Gerechtigkeit einstehen.» So mache sie etwa provokativ auf das existierende Missverhältnis aufmerksam und sei sich auch nicht zu schade, einmal «Hey Freunde, das ist jetzt sexistisch» zu rufen, wenn sich etwa beim Stichwort Wäschewaschen alle Blicke auf sie richten. «Viele meinen das ja nicht böse und fühlen sich danach oft peinlich berührt.» Sie hat das Ziel, in ihrem Unternehmen eine noch «transparentere Kultur» zu etablieren: «Es geht hier typischerweise etwas ruppig zu und her – das ist auch gut so, doch müssen wir alle einander vertrauen können.»

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