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Kolumne «Die junge Sicht»

Schnee fällt in Zug und Bomben in Gaza

Simeo Betschart von der Jungen Alternative Zug äussert sich zur Situation im Nahen Osten und zum Umgang der Schweizer Politik damit.

Alles leuchtet und flimmert. Mit meinem warmen Glühwein, den ich mir für viel zu viel Geld gekauft habe, schlängle ich mich durch die Menschenmassen, vorbei an geschmückten Ständen und einem Wechselbad feiner Weihnachtsdüfte.
Es könnte so schön sein, doch dann beginnt mein Handy in der Hosentasche zu vibrieren. Ich lese die Nachricht meines Kollegen:
«Shit Simeo, hesch gseh, was in Gaza passiert?»
«Hä, ja hani gseh, aber das isch ja entschärft worde wegen de Waffenruue, wo am 10. Oktober beschlosse worde isch???», schreibe ich zurück. Kurz darauf kommt eine zornige Sprachnachricht: «Digga! Hesch du de Artikel geläse? Dr israelischi Staat git en Fick auf die Waffenruhe.» Okay, denke ich. Klingt hart. Aber was ist wirklich dran?

In Europa glauben viele, die aktuelle Eskalation habe am 7. Oktober mit dem brutalen Hamas-Angriff auf Israel begonnen. Das ist historisch falsch und Ausdruck gefährlicher Geschichtsvergessenheit transatlantischer Staaten. Die ethnische Säuberung der Palästinenser*innen ist kein punktuelles historisches Ereignis, sondern steht in direktem Zusammenhang mit politischen Entscheidungen und staatlicher Praxis seit der Gründung Israels. Viele Historiker*innen verweisen auf die Nakba, in der 750'000 Palästinenser*innen vertrieben wurden. Seither kämpfen sie um Brot und Wasser.

Und heute? Zwei Jahre Genozid und endlich eine Waffenruhe. Doch jene, die am 10. Oktober um 12 Uhr in Kraft trat, wurde von der IDF bereits in den ersten 24 Stunden gebrochen. In den folgenden 14 Tagen dokumentierte Global R2P 80 mutmassliche Kriegsverbrechen. In den ersten 44 Tagen meldeten Behörden 497 Verstösse gegen die Waffenruhe. Konservative Quellen schätzen 100 bis 260 Tote seit Beginn des Waffenstillstands, darunter Zivilist*innen, Frauen, Männer und Kinder.

Trotz all dem läuft in der Schweiz eine ekelhafte Diffamierungskampagne, von rechts bis mitte-liberal. Aktivist*innen werden als Hamas-Fanatiker*innen, Irre oder Antisemit*innen bezeichnet, weil man Angst hat vor einer jungen Generation, die die imperialistisch-kapitalistischen Auswüchse erkennt.

Und dann der Vorwurf der SVP, wir seien antisemitisch, weil wir uns an die Seite der Opfer stellen. Dazu sagen wir: Wer Antisemitismus mit Kritik am Staat Israel gleichsetzt, reduziert jüdisches Leben allein auf einen Staat und erfüllt damit jede Definition von Antisemitismus.

Für uns Junge Alternative Zug ist klar: Wir stehen mit allen jüdisch Gläubigen zusammen, die tagtäglich auf den Staat Israel reduziert und damit für dessen Handeln mitverantwortlich gemacht werden. Wir bekämpfen Antisemitismus radikal und kompromisslos. «Die Welt ist ein gefährlicher Ort, nicht wegen der Menschen, die Böses tun, sondern wegen der Menschen, die nichts dagegen tun.» (Albert Einstein)

Ich schaue nochmals auf meinen Handyscreen. Meine Hände sind zu schwer zum Tippen, und der Glühwein in meiner Hand ist eiskalt geworden.

In der Kolumne «Die junge Sicht» äussern sich Mitglieder der Zuger Jungparteien zu frei gewählten Themen. Ihre Meinung muss nicht mit derjenigen der Redaktion übereinstimmen.

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