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Luzern

In Rothenburg verwandelte sich eine einstige Möbelfabrik in ein modernes Innenausstattungscenter

Der alte Gärbihof ausgangs des Rothenburger Dorfzentrums heisst heute Kraftberg. Vier Firmen bieten hier alles für den Innenausbau an. Schon vor 100 Jahren wurden hier Möbel verkauft.
Werbeprospekt der Möbel-Fabrik Karl Arnold. (Archivbild pd)
Alte Postkarte mit Fotos von Gebäuden aus dem Rothenburger Dorfzentrum (Flecken). (Archivbild pd)

Hugo Bischof

Hugo Bischof

«Türmli» oder «Turmhaus» nennen es die Rothenburger liebevoll: das vierstöckige Gebäude an der Bertiswilstrasse 2, rechterhand ausgangs Dorfzentrum. Mit seinen Staffelgiebeln, dem rundum laufenden Balkon und dem in die vordere Fassaden-Ecke eingelassenen Rundturm ist es unübersehbar. Offiziell heisst das Gebäude Gärbihof. Jetzt hat es einen neuen Besitzer, einen neuen Namen – und seinen ursprünglichen Verwendungszweck wieder.

Neuer Besitzer ist der 40-jährige Mentor Gergoci, Inhaber der Baarer Immobilienfirma GG Realestate AG und der Deluxe Parkett AG Baar. Er hat das Gebäude 2018 erworben und für 2,5 Millionen Franken saniert und auf der Nordseite in Zusammenarbeit mit der Archetage AG Baar um einen modernen Anbau ergänzt. Er betont:

«Die Fassade haben wir in enger Absprache mit der kantonalen Denkmalpflege in ihrem bisherigen Erscheinungsbild vollständig erhalten.»

Das Gebäude sei in einem insgesamt schlechten Zustand gewesen. Im Erdgeschoss befand sich zuvor ein Coiffeurgeschäft, oben waren Wohnungen.

Gergoci hat das Gebäude im Innern in ein modernes Businesscenter umgewandelt. «Auf vier Stockwerken findet man hier alles, was man für den Innenausbau seines Eigenheims oder seiner Wohnung braucht», sagt Gergoci. Die Luxus Parkett AG bietet auf einem Stockwerk Parkett-, Laminat- und weitere Bodenbeläge an. Kaiserkeramik ist mit Platten für Garten, Wohnung, Badewelt sowie ganzen Badeoasen vertreten. Dazu kommen die Firmen ProChuchi (Küchen, Einbauschränke, Küchengeräte) und Terrassenfuchs (Terrassendielen aus verschiedenen Materialien plus Zubehör). Im Untergeschoss gibt es sogar einen Weinkeller.

Der neue Besitzer hat dem Gebäude auch einen neuen Namen gegeben. Es heisst jetzt Kraftberg. Gergoci: «Kraft und Berg sind zwei bodenständige, mit der Natur verbundene Ausdrücke. Ich bin ein Handwerker, und entsprechend wollen wir in unserem Center gutes einheimisches Handwerk anbieten.»

Der Gärbihof (Kraftberg) kehrt damit wieder zu seinen Ursprüngen zurück. Das Gebäude wurde nämlich von Beginn an als Möbelgeschäft genutzt. Viel ist über seine Geschichte zwar nicht bekannt. Tatsache ist aber: In Rothenburg liess sich seit 1885 eine Möbelfabrik nachweisen. Ihr Gründer hiess Karl Arnold. Möglicherweise befand sich diese Fabrik an etwas anderer, vielleicht auch an der gleichen Stelle wie das heutige Gebäude. Als Baujahr wird für den Gärbihof im Inventar schützenswerter Bauten des Kantons Luzern 1907 angegeben.

Aussteuer-Möbelfabrik nannten die Gebrüder Arnold ihr Unternehmen. Sie fabrizierten und verkauften Möbel und Betten, aber auch Eisenwaren, Korbwaren, Seilerwaren, Bürstenwaren. Im Gebäude gab es eine Schreinerei, fabriziert wurde nach eigenen und nach vorgegebenen Entwürfen. Auch eine Sattlerei und eine Tapeziererei waren im Gebäude. Prospekte warben in den Anfangszeiten für die «Übernahme grosser Arbeiten» und sogar die «Besorgung ganzer Bauten», wurde angepriesen, ebenso die «Ausstattung von Wohnungen und Häusern für alle Stände».

Im heutigen Showroom sind auf jeder Etage Fotos und Dokumente von früher ausgestellt, so auch eine Rechnung vom 30. Juni 1933. Darin heisst es:

«Diese Ware darf in keiner Form oder Verarbeitung exportiert werden. Sie ist dem Verbrauch in der Schweiz ohne Verzögerung zuzuführen.»

Als Karl Arnold im Jahr 1915 verstarb, wurde das Geschäft von seinen Kindern bis circa 1945 sehr erfolgreich weitergeführt. Letztlich verkauften die Nachkommen das Gebäude.

Der Gärbihof ist Teil des schützenswerten historischen Dorfzentrums von Rothenburg (Flecken) mit den Gasthäusern Bären (Baujahr 1707), Ochsen (Baujahr 1730), der Unteren Schmitte (Mitte 18. Jahrhundert), dem alten Klösterli (um 1850) sowie zwei Gebäuden im späten Heimatstil (ehemalige Metzgerei, 1922, und Haus Alpina, 1923). «Der Gärbihof bildet mit seiner für das Quartier ungewöhnlichen Höhe und Architektur den nördlichen Abschluss des Fleckens», hält die kantonale Denkmalpflege fest.

«Es handelt sich um ein städtisch anmutendes Wohn- und Geschäftshaus, das ganz dem Historismus verpflichtet ist und ein feingliedrig und aufwendig gestaltetes Äusseres zeigt.»

Trotz Fehlens des ursprünglichen Nebenbaus sei das repräsentative Gebäude im äusseren Erscheinungsbild mit seinem Detailreichtum erhalten geblieben.

«Das geschichtsträchtige Gebäude bietet einen wunderbaren Rahmen für unsere Geschäftsaktivitäten», sagt der neue Besitzer. Seit der Eröffnung im Mai 2019 habe der Kraftberg sehr viele Kundinnen und Kunden angezogen. Wie gross der Ertragsausfall wegen der Coronakrise ist, sei schwierig abzuschätzen: «Wir hatten das Glück, dass wir während des Lockdowns, als unser Showroom geschlossen war, grosse Aufträge, die wir zuvor erhalten hatten, ausführen konnten.» Aber wie alle anderen Geschäftsinhaber hoffe auch er jetzt auf ein «starkes zweites Semester», sagt Gergoci, der vor kurzem auch das Restaurant Rössli in Hellbühl erworben hat und die altehrwürdige Dorfbeiz wieder in Schwung bringen will (wir berichteten).

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