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In «Butcher’s Crossing» sterben die Büffel – und auch der Verstand

Der Film «Butcher's Crossing» von Gabe Polsky, 2022, nach dem Roman von John Williams, zeigt atmosphärisch das Ende der kommerziellen Büffeljagd in den USA.

«Es ist eine Kunst, einen Büffel zur Strecke zu bringen. Du musst zuerst das Leittier erwischen. Dieses erkennst du nicht durch blosses Hinsehen, das ist etwas, was du fühlst. Hast du den Leitbullen erwischt, folgt die Herde dem zweiten Bullen. Hast du auch diesen erlegt, gehört die Herde dir.»

Colorado 1874. Abenteuerlust bringt den Studenten Will (Fred Hechinger) nach Butcher's Crossing, wo er auf den Büffeljäger Miller (Nicolas Cage) trifft. Der Markt für Felle ist am Zusammenbrechen, es herrscht Endstimmung. Trotzdem brechen Miller und eine Gruppe in die Rockies auf, wohin sich, wie Miller weiss, die dezimierten Herden aus der Prärie zurückgezogen haben. Die Gruppe besteht aus Miller, Will, Fred, dem Häuter, der aufmüpfig Zweifel am Ganzen anbringt, und Charlie, einem abergläubischen Alten.

Schon nach dem Aufbruch läuft einiges schief. Es ist hart da draussen. Doch die Herde wird erreicht. Will lernt, Gewehre zu laden, Kolben zu kühlen und unzählige Tiere zu häuten. Das Abenteuer ist nicht so wie erhofft. Der Blutrausch beschert ihm Albträume und Krankheit. Miller jedoch verfällt in Schiesswahn. Er schiesst total 4700 Bisons, viel mehr, als gehäutet werden können. Sind die Tiere erst steif, verwest oder gefroren, können sie nicht mehr gehäutet werden. Miller hält zudem nichts von der abgemachten Rückkehr. Der Winter bricht herein, und der Rückweg ist abgeschnitten. Die Stimmung in der Gruppe kippt, es geht jetzt ums Überleben.

John Williams' einmalig exakte, oft langwierige Beschreibung von Abläufen, Landschaften und Charakteren zeigt sich im Film von Gabe Polsky bestens im stoischen Ausharren der Männer. Da ist Warten. Da ist Frieren. Da sind unzählige Abende am Feuer, und da sind vor allem Reibereien in der Gruppe. Es nervt, mit den immer Gleichen am Feuer zu sitzen. Es spitzt sich zu.

Die stetigen Angriffe von Indianern, Wölfen oder Bären, die man aus älteren Filmen kennt, werden in «Butcher’s Crossing» wohltuend ausgelassen. Ausser den psychologischen Kämpfen und der Begegnung mit der Herde finden in der Wildnis keine anderen Begegnungen statt. So könnte es gewesen sein. Der Film endet mit der definitiven Demontage des Eroberermythos der Jäger. Die Ära der Bisonjagd geht zu Ende.

Die Reise in die unbekannte Wildnis war für Menschen selten abenteuerlich, oft aber traumatisch oder tödlich. Man erlebte Härte und eine Reise in die Tiefen seiner selbst und der Gruppe.

John Williams, der «Stoner» und «Butcher’s Crossing» in den 1960er-Jahren schrieb, gelangte leider erst nach seinem Tod mit den Neuauflagen (2006 und 2007) zu Berühmtheit. Eine Buchverfilmung soll «reduced to the max» in zwei Stunden die Message eines ganzen Buches wiedergeben. Die Verfilmung von «Butcher’s Crossing» schafft dies nicht inhaltlich, aber atmosphärisch durchaus.

Dies ist ein Western, der wie andere in den letzten Jahren kritisch den heroischen Gründungsmythos der Vereinigten Staaten hinterfragt. Die Gier, welche 1860 dank Gewehren den Bestand von geschätzten 60 Millionen Bisons innert zwanzig Jahren auf wenige hundert Tiere dezimierte und den indigenen Einwohnenden somit nachhaltig die Lebensgrundlage nahm, lässt sich in den Kontext der heutigen Aufarbeitung der Kolonialgeschichte Europas während der letzten zweihundert Jahre einordnen.

Heute ist der Büffelbestand in den USA wieder auf 30'000 angewachsen. Mithilfe der Nachkommen indigener Stämme wird versucht, das Generationentrauma mindestens anzugehen und die Kultur der Bisons, wo möglich, wieder zu beleben.

Butcher’s Crossing: Gabe Polksy, Splendid Film, 2022, EAN 4013549150156

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