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Nidwalden

Ich meinti: Es rollt und quietscht im Viertelstundentakt

Franziska Ledergerber über unsere steigenden Ansprüche.
Franziska Ledergerber

An einem schönen Frühlingstag, genau genommen dem ersten Märztag, um 8 Uhr standen wir auf Gleis eins beim Bahnhof Matt, wo fünf Minuten später der Zug Richtung Luzern hielt. Nach einer langen Bauphase wurde der Bahnhof an jenem Tag wieder vollumfänglich in Betrieb genommen. Die vormals fast vollständig abgehängte kleine Station erstrahlte nun wieder im neuen doppelspurigen Glanz, und seitdem rollen die Zugskompositionen der S4 und der S5 beidseitig im 15-Minuten-Takt.

Doch ein paar Tage später trübte aufziehender Lockdown-Nebel die Freude über den Viertelstundentakt, denn die Züge fuhren «nur» noch halbstundenweise. Doch nun ist der 15-Minuten-Takt wieder her­gestellt – obwohl, wer kann es wissen, vielleicht so mancher Kunde mit dem Halbstundentakt zufrieden gewesen wäre.

Doch die Regel ist die: Je mehr geboten wird, desto selbstverständlicher nehmen wir die Angebote in Anspruch. Bei jeder kleinsten Verspätung wird gleich gemotzt. Die Erwartungen der Kunden schrauben sich in die Höhe, und das hat natürlich seinen Preis. Nicht nur im öffentlichen Verkehr setzen wir die Messlatte höher, auch bei den Autos gewöhnen wir uns an einen extravaganten Standard. Die Fahrzeuge werden immer grösser und schwerer. Und diese ganze Elektronik, du meine Güte! Das Display sieht inzwischen ja fast so aus wie im Cockpit eines Flugzeuges.

Als ich letzthin mit unserem neuen Wagen in der Waschan­lage war, stand dessen Steuergerät durchgehend im Alarmmodus. Einmal leuchtete die Warnlampe rechts auf dem Display, dann piepste es wieder links, und als sich die Filzwalze spritzend und schäumend über die Motorhaube zum Frontfenster hin drehte, blinkte und piepste es wie auf einer Intensivstation!

Was die vielfach unnötige Steigerung des Komforts an­belangt, kommt mir ein Kinderbuch aus früheren Tagen in den Sinn: «Mrs. Armitage on Wheels». Die Geschichte von Mrs. Armitage und ihrem neuen Fahrrad wird liebevoll ironisch und detailreich bebildert erzählt. Besagte Misses kauft sich ein Velo und radelt fröhlich dahin, nebenher springt kläffend ihr Hündchen. Ein Igel auf der Strasse will ihrem Klingeln nicht weichen, so beschliesst sie, drei neue, lautere Hupen zu montieren. Bei der nächsten Ausfahrt springt die Kette heraus. Sie repariert diese, wobei ihre Hände schmutzig werden. An der Lenkstange werden sodann ein Wasserkübel und ein Seifenbehälter befestigt, ebenso muss eine Werkzeugkiste auf den Gepäckträger. Darauf folgt ein Picknickkorb. Ein Hundesitz kommt hinzu, damit das Hündchen nicht immer nebenher­rennen muss. Es regnet, da braucht es zwei Schirme. An Regentagen wäre eine kleine Radioanlage nicht schlecht. Zu guter Letzt hat Mrs. Armitage die glänzende Idee, ein Segel zu montieren. Wind kommt auf, das Velo wird schneller und schneller, bleibt am mitgeführten Anker hängen. Ein Sturz ist unvermeidlich, und das gesamte Gebilde bricht in sich zusammen. Zu viel ist zu viel.

Gewisse Teilstücke im nationalen Strassennetz sind permanent überlastet. An manchen Tagen bricht der Verkehr auf der Autobahn vollends zusammen. Während sich dann die Fahr­zeuge stockend durch Hergiswil schlängeln, rollen die Züge konstant auf freien Schienen und quietschen fröhlich im Viertelstundentakt. Freude herrscht beim Bahnhof Matt!

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