Roseline Troxler
Der Kanton Luzern revidiert sein Volksschulbildungsgesetz. Der Revision hat der Kantonsrat am Montag in erster Lesung mit 94 zu 21 Stimmen zugestimmt – nach mehr als zweistündiger Debatte. Der Antrag der SVP, die Änderungen am Volksschulbildungsgesetz als Ganzes abzulehnen, scheiterte deutlich. Das sind die wichtigsten Änderungen:
- Die Kantonsbeiträge an die Volksschulen werden neu berechnet. Künftig sind nicht mehr die Normkosten, sondern die Standardkosten entscheidend.
- Die Gemeinden werden verpflichtet, ein Angebot der frühen Sprachförderung bereitzustellen.
- Die Betreuung von Kindern mit einer Behinderung in einer Kindertagesstätte wird Teil des Sonderschulangebots und entsprechend mitfinanziert.
- Die Schulsozialarbeit wird im Gesetz obligatorisch verankert.
- Der Kantonsbeitrag an die schul- und familienergänzenden Tagesstrukturen wird neu berechnet. Neu erhält jede Gemeinde 50 Prozent der Nettobetriebskosten.
- Die Zusammenarbeit der Schulleitungen mit der Pädagogischen Hochschule Luzern bei Praktikumsplätzen wird gesetzlich verankert.
Ein Teil der Linken wollte Sekmodelle reduzieren
Mit der Revision des Volksschulbildungsgesetzes beabsichtigte der Regierungsrat eine Reduktion der Sekmodelle. So sollte auf das getrennte Modell verzichtet werden, bei welchem Schüler in nach Niveau A, B und C separierten Klassen unterrichtet werden. Der Kantonsrat hat sich am Montagvormittag gegen eine Reduktion der Modelle ausgesprochen. Die Gemeinden können auch künftig zwischen dem getrennten, kooperativen und integrierten Modell wählen. In der Botschaft an den Kantonsrat heisst es, dass ab dem kommenden Schuljahr noch die vier Gemeinden Emmen, Horw, Malters und Willisau das getrennte Modell kennen. Für eine Beibehaltung der drei Modelle hatte sich im Vorfeld die kantonsrätliche Kommission für Erziehung, Bildung und Kultur (EBKK) ausgesprochen und einen entsprechenden Antrag gestellt.
Ein Teil der SP-Fraktion sowie die Grünen und Jungen Grünen stellten einen Antrag, das getrennte Sekundarschulmodell zu streichen. Helene Meyer-Jenni (SP, Kriens) sagte im Rat: «Eine grosse Minderheit der SP-Fraktion ist aus pädagogischen Gründen für die Abschaffung des getrennten Modells. Die Modelle integriert oder kooperativ sorgen für eine hohe Durchlässigkeit und Chancengleichheit in der Sekundarschule.» Ausserdem schafft die Reduktion auf zwei Modelle laut Meyer-Jenni auch die nötige Transparenz für die Lehrbetriebe. Jonas Heeb (Junge Grüne, Horw), der den Antrag gemeinsam mit Meyer-Jenni gestellt hatte, störte sich daran, «dass die Gemeindeautonomie höher gewichtet wird als die pädagogischen Eigenschaften der Modelle». Der Antrag wurde mit 20 Ja- zu 90 Nein-Stimmen deutlich abgelehnt.
Kantonsräte fordern Analyse zum Langzeitgymnasium
CVP-Kantonsrätin Priska Häfliger (Mauensee) sprach sich im Vorfeld der Abstimmung dafür aus, dass auch künftig die Gemeinden entscheiden, nach welchem Modell sie ihre Sekundarschule führen:
«Für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler spielt das Modell eine untergeordnete Rolle.»
Bernhard Steiner (SVP, Entlebuch) sprach gar von einer «Aushöhlung der Gemeindeautonomie». Auch FDP-Kantonsrätin Rosy Schmid (Hildisrieden) sah keinen Bedarf für die Streichung eines Modells. «Bevor es bei den Modellen eine Anpassung gibt, ist eine ganzheitliche Analyse nötig, bei der auch das Untergymnasium einbezogen werden soll.» Ähnlich das Votum von Angelina Spörri (GLP, Eschenbach): «Die Reduktion kommt zum falschen Zeitpunkt. Wichtige Themen wie das Langzeitgymnasium wurden nicht miteinbezogen. Zuerst braucht es eine entsprechende Evaluation.»
Bildungs- und Kulturdirektor Marcel Schwerzmann (parteilos) versuchte, die Parlamentarier vergebens davon zu überzeugen, «dass die Gemeinden 15 Jahre und damit genug Zeit hatten, sich für ein Modell mit mehr Durchlässigkeit zu entscheiden». Die Grundidee der Reduktion der Modelle bestehe darin, dass Schülerinnen und Schüler die bestmögliche Ausbildung erreichen können, so Schwerzmann.
«Weshalb soll ein mässig guter Sekundarschüler, der gut in Mathe ist, in diesem Fach nicht besonders gefördert werden?»
Das integrierte und das kooperative Modell ermöglichten es, dass ein Schüler oder eine Schülerin in gewissen Fächern ein höheres oder tieferes Niveau besuchen können. Aufgrund der Debatte hielt der Bildungsdirektor allerdings nicht an der Reduktion der Modelle fest.
SVP wollte Wechsel zu Standardkosten verhindern
Zu reden gab auch der Systemwechsel bei den Kosten der Volksschulen. Kanton und Gemeinden teilen sich die Kosten hälftig auf. Die Pro-Kopf-Beiträge des Kantons Luzern an die kommunalen Volksschulen basieren bisher auf den durchschnittlichen Betriebskosten der Gemeinden. Der Berechnungsaufwand für diese sogenannten Normkosten ist laut dem Regierungsrat gross und die Budgetgenauigkeit leidet, weil die Kosten teils erst spät berechnet werden können, wie es in der Mitteilung zur Botschaft heisst. Der Regierungsrat schlägt daher einen Systemwechsel zum Standardkostenmodell vor. Dieses basiert auf den durchschnittlichen Kosten einer Klasse, die für jede Schulstufe separat errechnet werden. Die neue Berechnungsformel ist laut der Regierung für Kanton und Gemeinden einfacher. Marcel Schwerzmann betonte im Rat: «Die Standardkosten bringen dem Kanton und den Gemeinden mehr Transparenz.» Der Wechsel soll kostenneutral erfolgen.
Die Kantonsrätinnen und Kantonsräte sprachen sich für einen Wechsel von den Norm- auf die Standardkosten aus. Ein Antrag der SVP, auf einen Wechsel der Berechnungsmethode zu verzichten, wurde abgelehnt. Bernhard Steiner bezeichnete das neue Berechnungsmodell als «Killerkriterium für die gesamte Revision». Und Armin Hartmann (SVP, Schlierbach) warnte vergeblich vor negativen finanziellen Folgen für alle Gemeinden. Erfolg hatte hingegen ein Antrag der EBKK. Die Kommission forderte, dass die Volksschuldelegation in die Festlegung der Standardkosten involviert wird. Diese Delegation wird durch den Verband der Luzerner Gemeinden gewählt. Dem Antrag wurde mit 90 zu 26 Stimmen klar zugestimmt.
Eltern müssen sich an früher Sprachförderung beteiligen
Chancenlos waren weitere Anträge wie jener von Rosy Schmid und Angelina Spörri. Sie wollten den Passus streichen, dass die Schulleitungen gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule (PH) Praktikumsplätze für PH-Studenten organisieren müssen. «Eine Zusammenarbeit durch Zwang ist ein schlechter Weg.»
Ausserdem stellten Helene Meyer-Jenni und Jonas Heeb den Antrag, das Angebot der frühen Sprachförderung für die Erziehungsberechtigten unentgeltlich anzubieten. Die Kantonsräte erteilten der Forderung mit 30 Ja- zu 77 Nein-Stimmen eine Abfuhr. Marcel Schwerzmann sagte im Vorfeld der Abstimmung: «Ein Giesskannenprinzip ist nicht angebracht. Ausserdem ist der Bedarf an früher Sprachförderung in den Luzerner Gemeinden sehr unterschiedlich.»