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Kolumne

Fussball-EM begeistert mit friedlicher Stimmung – das könnte der Grund sein

Die Fussball-Europameisterschaft ist ein tolles Sommermärchen – dies wohl auch, weil Gruppendynamiken fehlen und die Fans so feiern, wie sie es auch allein tun würden.

Die Fussball-Europameisterschaft läuft. In vielen Stadien und noch mehr in Bars und Wohnzimmern wird eifrig mitgefiebert. Während die Spielerinnen sprinten und kicken, können wir uns als Fans auch aktiv zeigen: Wir jubeln, feiern oder schlagen verdutzt unsere Hände über dem Kopf zusammen, wenn der Penalty daneben geht.

Schweizer Fans fieberten in einem Public Viewing während des Viertelfinalspiels gegen Spanien mit.
Bild: Urs Flüeler/Keystone

Mit Fussballfans haben sich die Sportsoziologen Halici und Iğdir beschäftigt. Ihnen zufolge gibt es vier Fan-Typen: Soziale Fans gehen wegen der Stimmung und dem Zusammensamensein mit Freunden und Kolleginnen ins Stadion. Sie haben kaum eine Bindung zu einem bestimmten Team. Klassische Fans hingegen binden sich an ein Team. Sie halten ihm die Treue, verfolgen dessen Spiele und gehen regelmässig ins Stadion. Fanatische Fans wiederum tragen die Farben und das Trikot ihres Teams. Sie besitzen eine Saisonkarte und sind in Fanaktivitäten eingebunden. Und dann gibt es noch die Hooligans . Auch sie fiebern fanatisch mit, doch bei ihnen mischt sich Leidenschaft mit Gewaltbereitschaft.

Nadine Arnold.
Bild: zvg

Diese Einteilung von Fans überrascht kaum. Wer ab und zu in einem Fussballstadion ist, hat die verschiedenen Fan-Typen bestimmt schon beobachtet. Spannend dazu ist die Untersuchung der Sportsoziologen, die zeigt, wie sich die Persönlichkeiten der verschiedenen Fan-Typen unterscheiden. Das überraschende Ergebnis: Die Persönlichkeiten unterscheiden sich kaum.

Vielmehr ähneln sich die verschiedenen Fans stark und Hooligans unterscheiden sich in ihrer Persönlichkeit kaum von allen anderen. Weder sind sie besonders instabil noch gewissenlos. Wie alle anderen Fans zeigen sie eine hohe Extraversion. Das heisst, Fussballfans sind generell gesellig, fröhlich und aktiv. Sie wollen sich austauschen und erleben grosse Freude und Spass in der Gemeinschaft. Doch wenn sich Fans in ihrer Persönlichkeit kaum unterscheiden, warum neigen dann Hooligans zur Gewalt?

Die Forscher erklären es mit dem Einfluss der Gruppe. In einer Gruppe zeigen Menschen Verhaltensweisen, die sie allein nie zeigen würden. Sie können dabei ihre Selbstwahrnehmung verlieren und machen Dinge, die sie allein nicht machen würden. Und Hooligans, so die Autoren, sind weit öfter als alle anderen Fans Mitglied einer Gruppe und übernehmen dabei das destruktive Verhalten der anderen Mitglieder. Kurz gesagt: Es ist nicht die Persönlichkeit, die den Hooligan macht, sondern die Gruppe.

Und das könnte auch erklären, warum die Europameisterschaft aktuell als Sommermärchen mit guter Stimmung begeistert. Es fehlen die Gruppendynamiken, die aggressives und gewaltbereites Verhalten fördern könnten. So bleiben selbst die fanatischsten Fans, die mit viel Herzblut mit dabei sind, besonnen und respektvoll. Das mindert jedoch nicht ihre Leidenschaft, denn sie fiebern lediglich auf eine Weise mit, wie sie es auch für sich allein tun würden – friedlich.

In der Kolumne «Soziologischer Standpunkt» äussern sich Soziologinnen und Soziologen der Universität Luzern zu Gesellschaftsthemen. Quelle: Halici, A., & Iğdir, E. C. (2025). Examining the personalities of football fans according to their typologies. International Review for the Sociology of Sport, 60(4), 732-747.

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