Zu einem kühlenden Bad in den See steigen – was für ein Genuss! In der amüsant illustrierten Tiergeschichte sind es ein Reh, ein Fuchs, ein Specht und ein Dachs, die sich zusammen mit anderen Waldtieren zu einem geselligen Bad treffen. Sie verabschieden sich mit diesem Brauch vom Winter. Mit von der Partie ist auch das Eichhörnchen, in dieser Geschichte «Seichhörnchen» genannt. Seine Neigung zum Streiche-Spielen verleiht ihm seinen Namen. Und dieses Jahr bestimmt es, welchen Verlauf das Fest nimmt.
Zunächst ist die versammelte Gruppe missmutig gestimmt; der lange Winter hat den Tieren zugesetzt. Es mischen sich Klagen vom Ojemireh mit Zänkereien von Dachs Adalbert, einem Geschimpfe vom Tofuchs und empfindlichen Äusserungen des Spechts. Doch nun ab ins Wasser zu den bereits badenden Tieren! Dazu legen sie ihre «Kleidung» ab. Jedes Tier hat für sein Fell oder Gefieder sein Plätzchen. Dieselbe Stelle wie jedes Jahr.
Seichhörnchen entscheidet sich spontan, nicht in den Waldteich zu steigen. Während die anderen am Planschen sind, vertauscht es die Felle beziehungsweise das Federkleid seiner vier Freunde. Mit einer vorgetäuschten Gefahr (Gewehrschüsse des Jägers imitierend) gelingt es ihm, dass die badenden Tiere panisch aus dem Wasser springen, zu ihrem angestammten Kleidungsplatz eilen und kopflos in die dort liegenden Felle und Federn schlüpfen. Sie stieben auseinander, um sich vor der vermeintlichen Gefahr zu schützen. Vor lauter Aufregung stellen sie erst nach einer Weile fest, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Aufgebracht kehren sie an den Badeplatz zurück. Was für ein «Gnusch»! Die vier Tiere beschimpfen die anderen aus ihrem Kreis im Glauben, jene seien für das Durcheinander der Kleidungen verantwortlich.
Anschuldigungen, Rechtfertigungen, Versöhnung, Identitätsfragen, Auseinandersetzung mit dem Fremden und dem Eigenen, aber auch Witz, Ausgelassenheit, Herumalbern sind die Themen dieses Bilderbuchs. Der Streich des Seichhörnchens führt dazu, dass die Freunde aus einer zunächst ärgerlichen Stress-Situation (falsches Fell) eine kleine Party machen, in der sie das Tauschen der Felle zelebrieren und schliesslich zusammen mit der ganzen anwesenden Tierschar voller Vergnügen ausprobieren, wie es sich anfühlt, einmal in der Haut beziehungsweise im Fell der anderen zu stecken. So ein heiteres Fell-Tusch-Gnusch bei diesem Frühlingsbrauch, der zunächst öde begonnen hat!
Diese Geschichte des Ostschweizer Musikers und Naturpädagogen Marius Tschirky (bekannt von «Marius und die Jagdkapelle») wurde letztes Jahr auf diversen Bühnen gezeigt. Das Bilderbuch überzeugt aber auch als eigenständiges Werk. Es ist in Standarddeutsch geschrieben; nur einzelne Wortkreationen sind in Mundart. Das nehmen wir mit: a) für unseren Alltag: Aufgepasst, dass während des Badens die deponierten Kleider nicht klammheimlich vertauscht werden (sollte ein Seichhörnchen zugegen sein)! Und b), theoretischer: Kann ein alter und vielleicht langweilig gewordener Brauch vielleicht an Attraktivität gewinnen, wenn er durch ein neues Gestaltungselement verändert wird?
Felltuschgnusch; eine Geschichte von Marius Tschirky, erzählt von Claudia Walder, illustriert von Pia Valär. Anda Verlag (Zürich) 2024. ISBN 978-3-9525843-4-7.
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