Susanne Holz
Und mitten im Bild macht sich plötzlich ein Pferdekopf bemerkbar. Hebt sich durchsichtig schwarz vom metallischen Pastell ab, das den Kopf in Rosa und Grün umwirbelt. Und, ja klar, die Dynamik dieser Farben widerspiegelt die Dynamik des nur zu erahnenden Pferdekörpers. Glücklich, wer einen Raum hat, gross genug, um dieses Werk von nah und fern auf sich wirken zu lassen. Ein grünes Leuchten, denkt man, und fühlt sich von der Leichtigkeit des Werks an die Schwerelosigkeit des Eric-Rohmer-Films aus dem Jahr 1986 erinnert: «Das grüne Leuchten». Bei Rohmer: über dem Meer.
Bei der Kunst von Rebekka Steiger, aktuell zu sehen in der Galerie Urs Meile Luzern unter dem Titel «des chromosomes dans l`atmosphère», denkt man allerdings weniger ans Meer als an Berge oder an Landschaften inmitten von Bergen oder Sand und Wüste. Man erahnt einmal orangene Gebirgszüge und entdeckt auf einem anderen Werk vor gelben Bergen eine Reiterin in leuchtendem Gelb – das Blau ihres Pferds zerfällt in Teile, die sich in Reiterin, Bergen und sandfarbenem Untergrund fortsetzen. Eine vollendete Komposition, die in den Bann zieht.
Bei der Galerie Urs Meile ist Rebekka Steiger zum dritten Mal zu sehen. Die aktuelle Ausstellung folgt auf die Einzelausstellung in der Pekinger Galerie 2018 und auf die Einzelausstellung in Luzern 2019. Beim Rundgang durch Steigers aktuelle Ausstellung ist Galerist Urs Meile der Ansicht:
«Das Wilde früherer Arbeiten rückt hier in den Hintergrund zu Gunsten bewussterer Komposition.»
Diese Werke, oszillierend zwischen Landschaft und Abstraktion, seien untrennbar mit den Erfahrungen der Künstlerin während ihres Peking-Aufenthalts 2018 verbunden. Meile ist fasziniert davon, wie Steiger Form und Farbe ineinanderfliessen lässt, indem sie Tusche, Tempera- und Ölfarbe zugleich einsetzt.
Flüchtige Tusche und komponiertes Öl
Die jetzt gezeigten Werke entwickelte die Künstlerin hauptsächlich in zwei Schritten. Zunächst balancierte sie auf Metalllatten über die am Boden liegenden Leinwände und glitt mit einem in Tintenfarben getauchten Pinsel die Latten entlang. Den so entstehenden Streifen fügte sie Wasser hinzu, um dann die Leinwand in die Schräge zu heben und die Farben ineinanderfliessen zu lassen. Die getrockneten Farben unterzog Steiger sodann einem langsamen und weniger intuitiven Prozess: Zentimeter für Zentimeter arbeitete sich die Künstlerin über die Oberfläche, betonte gewisse Stellen, übermalte andere und füllte leere Passagen mit Ölfarbe. Die Konsequenz: Es ergibt sich ein apartes Zusammenspiel von flüchtiger Tusche und komponiertem Öl.
Zwei Preise im Jahr 2016
Rebekka Steiger ist 1993 in Zürich geboren. Von 2013 bis 2016 studierte sie Kunst an der Hochschule Luzern Design und Kunst. 2016 wurde Rebekka Steiger mit zwei Preisen ausgezeichnet: dem Ausstellungspreis der Kunstgesellschaft Luzern und dem Förderpreis der zeugindesign-Stiftung. Zu ihren wichtigsten Einzelausstellungen zählt die Künstlerin «Rebekka Steiger – boxing the compass» im Kunsthaus Grenchen 2020.
Hinweis: Ausstellung Rebekka Steiger in der Galerie Urs Meile Luzern: «des chromosomes dans l`atmosphère». Zu sehen bis 24. April. Im Februar auf Anmeldung. Bezüglich der aktuellen Covid-19-Vorschriften bitte die Galerie kontaktieren. galerie@galerieursmeile.com, Tel. 041420 33 18. www.galerieursmeile.com