Den Laptop aus der Hülle gepackt, die Flüssigkeiten im durchsichtigen Beutel, das Handy und Kleingeld in der Hand, der Gürtel längst ausgefädelt und der Rest ordentlich im handlichen Rollkoffer verstaut – man erkennt sie bereits von weitem: die Vielfliegerinnen. Auf der Gegenseite: eine Odyssee aus Aus- und Einpacken, Schweissausbrüche, Frustration und Wutanfälle: die Touristen. Der Sicherheitscheck am Flughafen ist für die meisten ein Ort des Grauens.
Man mag sich an die umständlichen und entwürdigenden Checks an den Flughäfen längst gewöhnt haben und doch nervt es jedes Mal aufs Neue: Man reist frühzeitig an, um den Flug sicher nicht zu verpassen, nur um dann stundenlang in einem Konsumtempel rumzusitzen, der sich in Dakar nicht von demjenigen in Zürich oder Seoul unterscheidet.
Was Gesellschaften alles in Kauf nehmen für das Gefühl der (vermeintlichen) Sicherheit, thematisiert der amerikanische Soziologe Harvey Molotch in seiner Studie «Against Security», erschienen im Jahr 2012.
Molotch kritisiert einen massiv ineffizienten und überbordenden Sicherheitsapparat – eben beispielsweise an Flughäfen –, der in keinem Verhältnis zu der Gefahrenwahrscheinlichkeit, wie etwa terroristischen Anschlägen steht. So starben weit mehr Menschen bei Autounfällen, weil sie seit 9/11 nicht fliegen wollten (vielleicht, um den Sicherheitscheck zu vermeiden), als bei den Terrorattacken selbst, argumentiert Molotch.
Im Zentrum steht das Problem, dass man nicht genau weiss, wovor man sich denn genau schützen soll. Deshalb sollten nicht starre, vorgegebene Protokolle über Sicherheit bestimmen, sondern diejenigen, die vor Ort sind und dort Sicherheit durchsetzen, beispielsweise ein Schaffner oder eine Streifenpolizistin. Denn nicht selten müssen diese die bestehenden Sicherheitsprotokolle gar verletzen, um effektiv Sicherheit herzustellen.
Dazu kommt: Die Zahl potenzieller Sicherheitsverstösse, etwa in Form von Terrorattacken, kann unmöglich ganz durch formalisierte Sicherheitsmassnahmen verhindert werden. Stattdessen sollten diese enormen Investitionen, die heute in Sicherheitsmassnahmen fliessen, für Formen der Prävention, Aufklärung und Nothilfe verwendet werden.
Vor diesem Hintergrund plädiert der Soziologe für Bottom-up-Initiativen, also solche, die aus der Bevölkerung selbst kommen, weil diese im Krisenfall wirksamere Hilfsleistung erbringen als die von oben herab verordneten Prozedere und Strukturen. Für ihn steht fest: Die Gesellschaft würde davon profitieren, wenn gegenseitiges Vertrauen und Respekt gestärkt würden. Zumindest gegen den Sicherheitscheck-Stress am Flughafen gibt es übrigens eine recht einfache Lösung: den Zug nehmen.
In der Kolumne «Soziologischer Standpunkt» äussern sich Soziologinnen und Soziologen der Universität Luzern zu Gesellschaftsthemen.
Quelle: Molotch, H. (2012). Against Security: How We Go Wrong at Airports, Subways, and Other Sites of Ambiguous Danger. Princeton: Princeton University Press.
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